„Jahresendabrechnung“ mit Kathi Wolf (von links), Robert Griess, Jens Heinrich Claassen und Sebastian Schnoy Foto: Baublies

Das Quartett »Schlachtplatte« hat mit seiner »Jahresendabrechnung 2022« für ein volles Parktheater gesorgt. Die Kölner Schnauze Robert Griess hatte Kathi Wolf (Franken), Sebastian Schnoy (Hamburg) und Jens Heinrich Claassen (Münster) eingeladen.

Lahr - Das Jahr 2022 ist für die Deutsche Bahn nicht gut gelaufen, da steht für die »Schlachtplatte« fest. Die Züge hätten »unter einem chronischen Verlust ihres Zeitgefühls« gelitten. Was würden Kabarettisten landauf, landab eigentlich machen, wäre die Bahn pünktlich? Sie würden in die Politik wechseln – sinnbildlich gesehen natürlich.

Politiker bieten weites Feld

Da bietet sich ein weites Feld zwischen Realität und ungewollten Steilvorlagen für das Kabarett. So bekamen überwiegend deutsche Politiker im Rückblick ihr Fett weg. Sahra Wagenknecht hat – selbstverständlich nur im Parktheater – Karriere als Kreml-Sprecherin gemacht. Friedrich Merz flippt ungestraft auf der Tanzfläche aus – im Gegensatz zur finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin, die im Internet dafür einen sehr realen Shitstorm kassiert hatte.

Ausnahmen, deutsche Politiker auf der »Schlachtplatte« zu servieren, bestätigen die Regel. Die Kürze der Amtszeit der britischen Ministerpräsidentin Liz Truss lädt natürlich zu Spott ein. Sie habe ihren Vorgänger Boris Johnson so sogar als »sehr beständig« erscheinen lassen.

Absurd und realistische zugleich

Wunderbar waren die schnellen Wechsel im Quartett, von völlig absurd einerseits und gefährlich nah an der Realität auf der anderen Seite. Wenn es da Überschneidungen gab, dann lag des daran, dass die Wirklichkeit mitunter als Realsatire daherkommt.

Den Anfang machte die Truppe in weißen Kitteln. Rettung für den Notfall – das Jahr 2022 – sei nahezu ausgeschlossen, befanden die Ärzte unisono. Aber – im Sinne der Schlachtplatte – wäre ja eine Organentnahme noch möglich. Das vergangene Jahr war auf dem Seziertisch auch sicher besser aufgehoben als in einem, sagen wir mal, komatösen Zustand weiter dahin zu vegetieren. Ein sehr kurzer Geistesblitz war bei den gemeinsamen Auftritten der „Mediziner“ eine Gesangseinlage. Das Quartett stimmte sich mit „Ich bin Klempner von Beruf“ am Seziertisch ein.

„Konkurrenz auf dem Sofa“

Da jeder der Kabarettisten eine Nummer für sich ist, gab es immer wieder „Einsprüche“ mittels Solo-Einlagen. Griess brillierte als Kölner Proll, der 16 Jahre als „Hartzer“ offenbar gut überstanden hatte. Wenn da nicht die Corona-Pandemie gewesen wäre, die die „Konkurrenz auf dem Sofa“ während des Lockdowns habe übermächtig werden lassen. Und, kaum war die Seuche vorbei, hätte das Bürgergeld alle Träume des Prolls ad absurdum geführt.

Eine andere Soloeinlage bot Wolf. Ihr Lichtblick: „Annalena Baerbock hat Eierstöcke.“ Damit wäre jetzt zuerst die Frage geklärt, dass Frauen in der Politik auch Menschen sind. Anschließend trippelte die zierliche Frau über die Bühne. Das hörbare Klappern ihrer Pumps sei „das Geräusch der Machtübernahme“. Hoffnung für das Jahr 2023? Mitnichten. Sie konterkarierte sich bei der getrippelten „Machtübernahme“ mit einem gut gespielten, hilflosen Grinsen selbst.

Mann wird Bundeskanzlerin

Wenn das Realität ist, stellt sich die Frage, ob Realsatire hier nicht doch eine bessere Welt versprechen könnte. Licht gab es am Ende des dunklen Tunnels in Form männlichen Chauvinismus’, wenn auch nur in einem wiederum sehr kurzen Geistesblitz: Denn ein Mann würde derzeit das Amt der deutschen Bundeskanzlerin bekleiden.

Deutlich unter die Gürtellinie schlug Claassen solo am Flügel. Seine Liebesschnulze „Gemeinsame Darmspiegelung“ als Garant für „ewig währende Zweisamkeit“ durchbrach den Missklang „Absurd und Realitätsnähe“ der Schlachtplatte deutlich. Der Inhalt war bizarr – bestenfalls. Auch wenn der Sänger beteuerte, dass aus medizinischer Sicht alles, was er sehr ausführlich zum Besten geben würde, der Wahrheit entspräche.

Das Finale war ein Auftritt des Quartetts als „AA“, was in diesem Fall für „anonymisierte Alphamännchen“ stand. Wolf verzweifelte gekonnt an ihren männlichen Widerparts, die garantiert alle Fettnäpfchen austraten. Das war wieder gefährlich nah am echten Leben.

Erstmals an neuem Ort

Die „Schlachtplatte“ ist seit 2010 jährlich in Lahr zu Gast. Bislang war der Veranstaltungsort – namentlich passend – der Schlachthof. Weil die Veranstaltung im Rahmen der gemeinsamen Reihe „Einspruch“ von Kulturamt und Kulturkreis aber stets ausverkauft war, folgte in diesem Jahr der Umzug ins größere Parktheater.