Die Pläne zum Bau einer Zweifeldhalle anstelle der bisherigen ABG-Halle sorgen für Bestürzung beim Turnverein Rottweil. Dieser wendet sich in einem offenen Brief an den Gemeinderat, die Verwaltung und die Bürger. Dem Turnsport werde damit die Perspektive genommen.
Rottweil - Das Vorstandsteam mit Ann-Kathrin Rieble Simon Zimmerer, Christian Rieble, Gabi Morgan-Rauschenberger und Martin Kiock macht in dem Brief die Bedeutung der Planungen für den Turnsport deutlich. Denn bei den bisher geführten Diskussionen und Beschlüssen zu einem Ersatzneubau sei bislang der Gymnastikraum im Erdgeschoss der ABG-Halle überhaupt nicht erwähnt worden. Hier trainieren die Turner des TV Rottweil, der TGA Altstadt, der WKG Villingendorf-Rottweil, des TSV Göllsdorf und hin und wieder auch Abiturienten mit dem Leistungskurs Sport. Mit einer Zweifeldhalle in der nun beschlossenen Form werde dem Turnsport in Rottweil jegliche Perspektive genommen.
Qualifiziertes Training nur mit geeigneter Halle
In dem Brief weist der Vorstand auf das große Angebot des Turnvereins hin – vom Leistungs- und Wettkampfsport über Gesundheits-, Rehabilitations- oder Behindertensport bis zu Sport für Freizeit und Fitness. "Mit großem ehrenamtlichem Engagement betreuen unsere Übungsleiter und Übungsleiterinnen etwa 850 sportbegeisterte Vereinsmitglieder jeden Alters. Vom Ligafinale oder Landesmeister bis zum Württembergischen Meister, bei den verschiedenen Wettkämpfen erzielten die Turner des TV Rottweil durch Fleiß, Ausdauer und regelmäßiges Training in den vergangenen Jahren beachtliche Erfolge. Doch ein qualifiziertes Training ist nur möglich, wenn eine geeignete Halle mit der nötigen Ausstattung zur Verfügung steht", wird betont.
Ausbildung bis zum Niveau der zweiten Bundesliga
Weiter heißt es: "Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss der ABG-Halle ermöglichten in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Ausbildung der Turner bis zum Niveau der zweiten Bundesliga. Alle Geräte und Ausstattung, wie Reck, Barren, Tumbling-Bahn, Sprungbretter, Matten und anderes Zubehör wurden von den Vereinen entweder komplett selbst oder mit Fördergeldern des württembergischen Sportbundes angeschafft. Der Raum wird täglich für den Turnsport genutzt und ist für die Turner und Turnerinnen unbedingt nötig, um für ihren Sport zu trainieren und um sich auf Wettkämpfe vorzubereiten. Essenziell ist, dass diverse Geräte, wie die Tumbling-Bahn, nicht nach jeder Trainingseinheit abgebaut werden müssen."
Der Auf- und Abbau der Geräte, vor allem in den Schülerturngruppen, mache ein effektives Arbeiten an mehr als nur einem Gerät unmöglich. Des Weiteren reiche das Platzangebot des Gymnastikraums allein gar nicht aus, um alle Geräte, wie Übungen am Sprungtisch, die einen Anlauf von etwa 25 Metern benötigten, zu trainieren. Zusätzliche Hallenplätze waren und sind laut Turnverein auch in Zukunft für den reibungslosen Trainingsablauf notwendig.
Auch wenn die ABG-Halle sich heute marode präsentiere, ist und war sie in den letzten Jahrzehnten doch die mit Abstand wichtigste Trainingsmöglichkeit für den Turnsport in Rottweil. Der Vorstand schlägt Alarm. "Wenn diese Trainingsmöglichkeit ersatzlos entfällt, wäre das eine Katastrophe für eine der ältesten und traditionsreichsten Sportarten, die in Rottweil betrieben wird."
Potenzieller finanzieller Schaden
In der ABG-Halle seien im Gymnastikraum und in den Räumen im OG diverse Turngeräte für den Trainings- und Wettkampfbetrieb untergebracht. Die Wiederbeschaffungskosten für nur einen Gerätesatz, nur für die Männer, läge aktuell bei etwa 50 000 Euro, wobei einiges an Zubehör wie Matten, Geräte für den Schülersport und einiges mehr noch nicht berücksichtigt seien. "Fallen die Räumlichkeiten und Lagermöglichkeiten weg entsteht ein potenzieller finanzieller Schaden, der für die Vereine in Rottweil nicht zu stemmen ist", schreibt der Vorstand. Ein weiteres Problem sei der Wegfall der Wettkampfstätte für alle Turnveranstaltungen in Rottweil. "Langfristig besteht die Gefahr, dass die umliegenden Gemeinden und Landkreise wesentlich attraktiver für den Turnsport werden. Beispiele hierfür sind Gosheim, Spaichingen, Schiltach und künftig auch Villingendorf mit gut ausgestatteten Hallen und abgetrennten Bereichen für den Turnsport inklusive Schnitzelgrube."
Abwandern in die umliegenden Gemeinden ist wahrscheinlich
Ein vollständiges Abwandern des Turnsports in die umliegenden Gemeinden ist wahrscheinlich, da dort in Zukunft wesentlich bessere Trainings- und Wettkampfbedingungen geboten werden. "Ein echtes Armutszeugnis für Rottweil als Schul- und Kulturstadt und eine Katastrophe für den Turnsport in Rottweil", heißt es.
Zu Sitzung gar nicht eingeladen
Der Vorstand des Turnvereines habe im letzten Jahr und darüber hinaus immer wieder versucht, die Verantwortlichen auf diesen Missstand hinzuweisen. Seitens der Verantwortlichen wurde immer wieder betont, dass die Problematik bei den entsprechenden Sitzungen vorgebracht wurde. Umso mehr entstehe dennoch der Eindruck, dass die Bedürfnisse der Turnerinnen und Turner und der Vereine dazu nicht bekannt sind und nicht berücksichtigt werden
Der TV Rottweil wurde laut Aussage des Vorstands außerdem zu der Sitzung, in der es ursprünglich um die Anforderungen an einen Ersatz für die ABG-Halle ging, nicht eingeladen. Im Brief heißt es weiter: "In den letzten Artikeln im Schwarzwälder Boten vom 29. und 30. September wird klar, dass die Zweifeldhalle in der aktuellen Form den Ansprüchen nicht entsprechen kann."
Verfügbarer Hallenplatz verringert sich
Es sei immer wieder behauptet worden, dass durch den Bau einer Zweifeldhalle sogar ein Hallenplatz dazugewonnen wird. Der Turnverein widerspricht dem: "Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gymnastikraum ganz offensichtlich in dieser Darstellung der Dinge nicht miteinbezogen wurde, verringert sich der verfügbare Hallenplatz. Vorausgesetzt die Umstände sind in diesem Umfang und mit dieser Tragweite bekannt, wollen wir nicht glauben, dass die Stadt Rottweil einer erfolgreichen Sportart, die im Verein in Rottweil seit 1847 ausgeübt wird, die Perspektive nehmen möchte. Ein adäquater und mindestens gleichwertiger Ersatz muss gefunden und festgelegt werden bevor der Bau einer neuen Halle geplant wird."