Trotz Trockenheit: Im Vergleich zu 2021 wurde mehr Getreide geerntet. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Erneut ist die Ernte in Deutschland im mehrjährigen Vergleich unterdurchschnittlich ausgefallen. Der Hauptgrund dafür: die lang anhaltende Trockenheit in vielen Regionen.

Es war eine der zentralen Botschaften: „Der Klimawandel ist da“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Er stellte am Dienstag die vorläufige Erntebilanz aus diesem Jahr vor – und damit wichtige Zahlen in Zeiten, in denen wegen des Ukraine-Krieges insbesondere die Versorgungslage mit Getreide angespannt ist. Fazit: Die Wetterextreme und die lokalen Unterschiede haben für eine insgesamt erneut unterdurchschnittliche Ernte gesorgt.

Auswirkungen des Klimawandels

Dabei gibt es durchaus positive Entwicklungen: So belief sich die Getreideernte auf etwa 43 Millionen Tonnen und damit auf zwei Prozent mehr als im vergangenen Jahr. Doch im Vergleich mit den vergangenen acht Jahren lag die Ernte immer noch deutlich unter dem Durchschnitt. Einer der Hauptgründe dafür: Während die Regenmenge mancherorts recht ordentlich war, mussten die Landwirte vielerorts mit massiver Trockenheit kämpfen. Nach Einschätzung der EU-Kommission handelt es sich bei der aktuellen Trockenperiode um die vermutlich schlimmste Dürre seit 500 Jahren.

„Die in vielen Regionen des Landes lang anhaltende Trockenheit zeigt erneut, dass die Landwirte die Auswirkungen des Klimawandels sehr direkt zu spüren bekommen“, sagte Rukwied. Das habe auch Folgen für die Tierhaltung: Wegen der Dürre verfütterten manche Landwirte bereits jetzt ihre Wintervorräte. Und auch die Herbstkulturen wie zum Beispiel der Körnermais sind noch ein Unsicherheitsfaktor: In der Alpenregion und im Norden, wo es kürzlich geregnet hat, könne die Ernte besser laufen. In trockenen Regionen, vor allem in der eigentlichen „Kornkammer Deutschlands“, Sachsen-Anhalt, drohten indes Einbußen von bis zu 50 Prozent.

Angespannte Versorgungslage

Ein Sorgenkind ist auch der Winterweizen, eigentlich die bedeutendste Getreideart in Deutschland. Auch hier lag die Ernte deutlich unter dem Schnitt – und die Qualität lasse „vielfach zu wünschen übrig“, sagte der Bauernpräsident Joachim Rukwied. Da der Krieg in der Ukraine die weltweite Getreideversorgung zusätzlich einschränkt, sei der Bedarf an Weizen größer als das Angebot, die Versorgungslage bleibe daher weiter angespannt. In Deutschland könne laut Rukwied die Versorgungssicherheit aber bis Anfang 2023 garantiert werden.

Für die Verbraucher in Deutschland bedeutet die insgesamt angespannte Lage, dass vor allem die Preise steigen. Bereits jetzt liegen sie deutlich über dem Vorjahresniveau. Dazu kämen steigende Logistikkosten und hohe Energiepreise.

Streit über Pflanzenschutzmittel

Die Situation habe sich zwar aufgrund des Ukraine-Krieges noch verschärft, der Bauernverband sieht die Problematik aber langfristig: Der Klimawandel beeinflusse die Landwirtschaft bereits enorm. Daher versuchten die Landwirte bereits, wassersparend und bodenschonend zu arbeiten. Und es bräuchte die Züchtung hitzeresilienter Getreidesorten, so Rukwied. Ein Problem: Wegen der Erderwärmung drohten in Deutschland zwar häufiger Hitzesommer, alle paar Jahre aber auch kühlere Perioden.

Für Diskussionen sorgt in diesem Zusammenhang der Vorschlag der EU-Kommission, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Als Teil des sogenannten European Green Deal will die Behörde in Brüssel den Einsatz chemischer Pestizide bis 2030 halbieren. Der Bauernverband ist strikt dagegen. Die Ziele, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren und Biodiversität zu erhalten, gehe er zwar mit. Aber wenn der EU-Vorschlag umgesetzt werde, fielen ganze Gebiete aus der Erzeugung weg. „Die von der EU-Kommission geplanten pauschalen Anwendungsverbote von Pflanzenschutzmitteln sind unverantwortlich und würden die Lebensmittelversorgung in Europa gefährden“, sagte Rukwied. Nach Meinung des Lobbyisten könnten die Pläne für Deutschland eine Ernährungskrise bedeuten.

Ministerium verspricht Unterstützung

Im Landwirtschaftsministerium sieht man die Zahlen des Bauernverbandes skeptisch. Da sie sich im Wesentlichen auf Umfragen unter den Mitgliedern stützten, seien die Ergebnisse nicht repräsentativ. Trotzdem sehe man die wechselhafte Witterung mit Extremwetterereignissen: „Die Folgen der Klimakrise zeigen sich, wie der Bauernverband auch festgestellt hat, auf den Äckern, den Gemüsefeldern, Obstplantagen oder in den Weinbergen“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums unserer Zeitung. Es sei wichtig, den Landwirten zu helfen, sich für die veränderten Klimabedingungen zu rüsten. Den amtlichen Erntebericht stellt Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) am Freitag vor. Zur Lageeinschätzung werden dabei laut dem Ministerium auch Prognosen des Bauernverbandes herangezogen.

Von diesen hatte Rukwied auch ein paar positive im Gepäck: So dürfte die Apfelernte insgesamt leicht überdurchschnittlich ausgefallen. Und auch dem Wein scheint es gut zu gehen: Hier erwarte der Verband einen „ausgezeichneten 2022er-Jahrgang“.

Details der Erntebilanz

Winterweizen
 Mit 22 Millionen Tonnen liegt die Erntemenge in diesem Jahr leicht über dem Vorjahr, aber etwa acht Prozent unter dem Schnitt der Jahre 2014 bis 2021. Winterweizen macht laut Bauernverband rund die Hälfte der deutschen Getreideernte aus.

Winterroggen
 Mit gut drei Millionen Tonnen liegt die Erntemenge des Winterroggens sowohl fünf Prozent unter dem Vorjahreswert als auch unter dem Durchschnittswert.

Wintergerste
Im Vergleich zum Vorjahr haben die Bauern mit mehr als neun Millionen Tonnen rund fünf Prozent mehr Wintergerste geerntet.

Mais
Die Maisernte ist noch nicht abgeschlossen, liegt bisher aber mit etwa 3,6 Millionen Tonnen 16 Prozent unter dem Durchschnitt.