Knapp 80 Meter lang ist die neue Fischaufstiegstreppe am Eyach-Stauwehr, kurz vor der ehemaligen Makospinnerei im Karlstal. Foto: Kost/Thomas Kost

16 Jahre und fast eine Million Euro hat es gebraucht, um die Wasserkraftanlage der früheren Makospinnerei im Karlstal so zu ertüchtigen, damit sie die EU-Wasserrahmenrichtline erfüllt. Nicole Hoffmeister-Kraut ist beeindruckt von dem Projekt.

Beim Rundgang an der Eyach und auf dem Firmengelände zusammen mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut, Zollernalbkreis-Landrat Günther Martin-Pauli, dem früheren Textilfabrikanten Klaus Meyer, seiner Tochter Nicol und seinem Schwiegersohn Daniel Welte gewinnt man ein Bild davon, wie planungs- und kostenaufwändig das Projekt war.

 

Kosten lagen einmal im fünfstelligen Bereich

Vor vielen Jahren hat unsere Zeitung mit Klaus Meyer schon einmal über die von ihm betriebene Wasserkraftanlage und notwendige Umbaumaßnahmen gesprochen. „Damals“, so erinnert sich der Unternehmer zurück, „haben wir von Investitionskosten in Höhe von 40 000 bis 60 000 Euro gesprochen.“ Daraus sind jetzt satte 925 000 Euro geworden. Mehr als das Zehnfache seit der ersten Planung.

Mit 100 Bigpacks musste die Baustelle am Stauwehr abgedichtet werden, damit aus der Eyach kein Wasser in sie eindringt. Foto: Welte/Daniel Welte

Der Fischaufstieg und der unter Wasser arbeitenden Horizontalrechen direkt am Fabrikgebäude haben 290 000 Euro gekostet. Der weiter oberhalb beim Eyach-Stauwehr in Richtung WLZ-Lagerhaus gebaute Fischaufstieg schlug mit 540 000 Euro zu Buche. Den Rest machen Planungs- und Genehmigungskosten aus.

Für Fische muss eine „Umleitung“ gebaut werden

Seit fast 200 Jahren wird im Eyachtal die Kraft des Wassers zur Erzeugung von Strom genutzt (siehe Info-Rubrik). Doch die Wasserentnahme aus dem Fluss führte in trockenen Sommer öfters zu einem trockenen Bachbett. Vor etwa zehn Jahren wurde schließlich ein Durchlass im Stauwehr gebaut, der dafür sorgte, dass konstant 220 Liter Wasser pro Sekunde in das Bachbett fließen, um Fischen ihren Lebensraum zu sichern. Das Stauwehr konnten sie aber trotzdem nicht überwinden um flussaufwärts zu wandern. Also musste eine Fischtreppe her.

Viele Behörden in das Projekt involviert

Die ersten Gespräche mit dem Landratsamt und der Unteren Wasserbehörde deswegen fanden bereits 2008 statt. Seitdem bemühten sich viele Fachbehörden, der Fischereiverein Haigerloch oder auch Anrainer um eine einvernehmliche Lösung. Aber vermutlich niemand – vor allem nicht die Familie Meyer – hatte wohl damit gerechnet, dass bis zu endgültigen Umsetzung so viel Zeit ins Land geht. Erschwert wurde das Vorhaben zum Beispiel im Jahr 2014 durch eine Forderung des Regierungspräsidiums Tübingen, neben einem Fischaufstieg auch einen Fischabstieg zu bauen.

Viele Behörden in das Projekt involviert

Vier Gutachten wurden in den vergangenen 16 Jahren erstellt und vier Planungsbüros einbezogen. Die endgültige Zustimmung einer Naturschutzbehörde wurde erst eine Woche vor Baubeginn erteilt. Im April 2024 konnte es dann losgehen. Beteiligt an den Arbeiten waren die Firmen HaserBau aus Haigerloch (Generalunternehmer), GfrörerBau aus Empfingen (Erdarbeiten) und die KWT Hydro-Anlagenbau aus Pforzheim (Umbau der Rechenanlage und Fischabstieg).

Bauarbeiten dauern bis in den Herbst 2024 hinein

Die bisherige Rechenanlage am Fischabstieg wurde komplett demontiert und durch einen horizontalen, komplett unter Wasser liegenden Rechen ersetzt, über die abwanderungswillige Fische über einen Bypass und eine Schussrinne in das untere Bachbett geleitet werden.

Der Fischaufstieg hingegen wurde als „Vertical Slot“ in Beton-Trog-Bauweise hergestellt. Um dem Bauwerk ein naturnahes Erscheinungsbild zu verleihen, wurden die Querriegel aus Holz gefertigt. Im vergangenen Herbst war die Baumaßnahme dann abgeschlossen.

Stilllegung hätte den Rückbau bedeutet

Ob sich das alles rechnet, sei dahingestellt. Aber es einfach sein zu lassen und die Anlage stillzulegen, wäre mit ziemlicher Sicherheit nicht billiger geworden. Stilllegen verpflichtet nämlich zum Rückbau: Wasserrechte sind dann zurückzugeben, technische Anlagen komplett zurückzubauen und der knapp einen Kilometer langen Kanal, der unter dem Fabrikgebäude durchfließt, wäre zuzuschütten.

Baustellenbesichtigung (von links): Daniel Welte, Landrat Günther-Martin Pauli, Klaus Meyer, Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Nicol Welte am neu gebauten Horizontal-Rechen. /Thomas Kost

Ministerin und Landrat sind beeindruckt

Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut und Landrat Pauli waren nicht nur von der Technik der Anlagen und der Umsetzung der Baumaßnahmen beeindruckt, sondern auch vom finanziellen Kraftakt, der hier geleistet wurde. „Die Gesellschaft will eigentlich sauberen Strom, aber die Investoren sind dann weitgehend auf sich selbst gestellt“, so Pauli.

Auch wenn sich die Investition über die Einspeisevergütung vermutlich nie oder lange nicht amortisiert, so erfüllt die Wasserkraftanlage Karlstal 7 nun alle Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) des Europäischen Parlaments – und das ist doch auch was wert.

Info Wasserkraft

Im Jahr 1838
wurde die Makospinnerei Karlstal von Fürst Karl Anton von Hohenzollern errichtet, um den „Brotlosen und Armen im Unterland“ Arbeit zu bieten. Die Anlage nutzte zunächst ausschließlich die Wasserkraft, um über Transmissionen die Spinnereimaschinen in einem vierstöckigen Gebäude anzutreiben. Später wurde auf Dampfturbinen umgestellt und schließlich auf Strom umgebaut. In den Sommermonaten, wenn der Wasserstand niedrig war, wurde die tägliche Arbeitszeit reduziert oder ganz eingestellt.

Heute
produziert die Wasserkraftanlage im Karlstal mit zwei Francis-Turbinen etwa 400 000 Kilowattstunden Strom (kWh) pro Jahr und deckt damit einen Teil des Stromverbrauchs der sechs Wohnhäuser, des Fabrikareals sowie des landwirtschaftlichen Anwesens und der Event-Location ab.

Theoretisch
könnten über die Jahresproduktion der Anlage 100 Einfamilienhäuser mit Strom versorgt werden. Überschüssig produzierter Strom, wird über zu ca 11 Cent pro kWh verkauft.