Industriedenkmale wie das Werk II der Altensteiger Stadtwerke sind selten geworden. Foto: Fritsch

Der Vergleich zwischen 1922 und heute: Günther Garbe, Technischer Werkleiter der Altensteiger Stadtwerke, hat uns das Werk II geöffnet und Einblicke in die Energiegewinnung aus Wasserkraft gegeben.

Altensteig - "Wir haben kaum Industriedenkmäler aus dieser Zeit", sagt Garbe. So etwas sehe man heutzutage nur noch selten. Das Gebäude stehe daher seit 20 Jahren unter Denkmalschutz.

 

Der Komplex bestehe aus zwei Teilen. Dem originalen Altbau, der 1922 errichtet wurde, und dem Anbau, wo die Stromerzeugung stattfinde. Indem man den alten Teil für den musealen Betrieb erhalten habe, könne man nun das alte direkt mit dem neuen Wasserkraftwerk vergleichen. Der jetzige Altbau sei damals während der Weltwirtschaftskrise errichtet worden, um den steigenden Strombedarf zu decken. Das Gebäude stamme aus einer Zeit, in der die benötigte Energie noch vor Ort erzeugt werden musste. Erst 1926 habe der "Überlandbetrieb" angefangen.

Anstatt, die alte Turbinen-Anlage dann zu sanieren, habe man 1998 schließlich die neue Wasserkraftanlage in Betrieb genommen. Das bedeutete vor allem eine Verdopplung der Jahres-Leistung auf rund 900 000 Kilowattstunden. Dies mache der Wechsel von der Francis auf die Kaplan-Turbine – beide benannt nach ihren Erfindern – möglich. Letztere arbeite, physikalisch gesehen, einfach geschickter.

Doch wie wird beim Werk II mittels Wasserkraft Strom gewonnen? – Am Stausee beim Campingplatz werde das Wasser zunächst "ausgeleitet" und fließe in den Oberwasserkanal, erklärt der technische Leiter. Nach einem Kilometer verschwinde dieser für 200 Meter im Berg und gelange schließlich zum Wasserschloss – einem Bauwerk, das Bestandteil der Wasserkraftanlage ist. Dort komme das Wasser der Nagold in Druckrohre, die zur Turbine führten. Diese hänge an einem 1,5 Tonnen schweren Generator, der durch die Drehung der Turbinen Strom erzeuge. Bewegungsenergie werde also in elektrische Energie umgewandelt, aus der Kraft des Wasser Strom produziert, der dann ins Netz eingespeist werde. 2500 Liter pro Sekunde flössen durch die Turbine, die Strömungsgeschwindigkeit betrage zehn Meter pro Sekunde.

"Je höher nun die Strömungsgeschwindigkeit der Maschine ist, desto tiefer muss man bauen", sagt Garbe. Aber warum? – Das habe mit dem Dampfdruck des Wassers zu tun. Je schneller eine Flüssigkeit ströme, desto niedriger sei ihr Innendruck. Das Wasser bewege sich immer schneller und werde in Bewegungsenergie umgewandelt und damit nehme auch der Innendruck ab. Irgendwann verdampfe dann das Wasser, weil es unterhalb des Dampfdrucks liege. Daher sitze die Kaplan-Turbine auch tief, denn je tiefer sie sitze, desto mehr Lageenergie habe man, um den Druck höher zu halten. Schließlich wolle man ja nicht, dass das Wasser verdampfe.

Was bis in die 50er Jahre noch ein Maschinenmeister leistete, der in dem Werk wohnte, erledigt nun eine Maschinensteuerung und -überwachungseinheit. "Wenn die Anlage eine Störung hat, meldet sie sich automatisch bei unserem Bereitschaftsdienst", sagt der technische Leiter. Mit der Abwärme des Generators würde zudem noch das Gebäude beheizt.

Wasserkraft deckt fünfbis sechs Prozent des Bedarfs

Derzeit betrieben die Stadtwerke sechs Wasserkraftanlagen. Im Moment laufe die öffentliche Ausschreibung zum Bau einer weiteren Wasserkraftanlage an der Monhardter Wasserstube. Das wird dann allerdings ein Wasserrad, erklärt Garbe, weil es zur historischen Anlage besser passe. Der Durchmesser betrage acht Meter und die Breite 3,6 Meter. Die Leistung: 1200 Kilowattstunden am Tag.

Fünf bis sechs Prozent des Gesamtbedarfs der Stadt könne durch die Wasserkraftanlagen gedeckt werden. In guten Jahren könne 60 Prozent durch alle eigenen Anlagen erzeugt werden, sagt Garbe. 20 Photovoltaik-Anlagen gebe es mittlerweile. Neben Wasserkraft und Photovoltaik sei man obendrein noch an drei Windparks beteiligt. Altensteig brauche 55 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr.

Die Nachfrage nach zertifiziertem Ökostrom steige, sagt Garbe. Auf dem Land habe man die nötige Fläche, um diesen zu erzeugen und dann auch zu verkaufen. Was eine Chance für die Zukunft sei, die man nicht vertun solle.

In unserer mehrteiligen Serie schauen wir hinter die Kulissen von Betrieben und Einrichtungen und gewähren Ihnen, liebe Leser, exklusive Einblicke. Wie wird gearbeitet, welche Prozesse laufen ab, was wird künftig möglich sein, aber auch, welche Probleme es gerade in der Branche gibt. Von Abwasser zu Chlorwasser, von Muschelkalk über Abfall zu Wasserkraft – und welche Rolle spielt eigentlich eine forstliche Saatgut-Bank beim Umbau der Wälder? Der Schwarzwälder Bote hat sich umfassend kundig gemacht.