Es wirkte fast wie eine Formalie: Auf Vorschlag der Stadtverwaltung sollte sich der Gemeinderat der „Calwer Erklärung für Vielfalt, Demokratie und Menschenrechte“ anschließen. Am Ende enthielten sich sieben Räte. Die Gründe dafür waren bei allen ähnlich.
Rund einen Monat ist es her, seit ein neues Aktionsbündnis in der Hesse-Stadt entstand: „Calw bleibt bunt“.
Wie die Sprecher des Bündnisses, Thomas Allmendinger und Martina Bühler, damals erklärten, sei die Idee im Zuge der Demos gegen Rechtsextremismus aufgekommen.
Ausgelöst durch Potsdam
Letztere waren durch Rechercheergebnisse des Investigativ-Portal „Correctiv“ ausgelöst worden; dieses hatte über ein Treffen in Potsdam berichtet, bei dem der rechtsextreme Aktivist Martin Sellner unter anderem vor Politikern Pläne für die Vertreibung etlicher Menschen vorgestellt hatte.
Auch in Calw war es daraufhin zu Mahnwachen gekommen. Die wohl erste im Landkreis hatte Bühler im Januar vor einem Lokal organisiert, in dem der AfD-Kreisverband Calw/Freudenstadt eine Veranstaltung abhielt.
Allmendinger initiierte kurz darauf eine Mahnwache auf dem Calwer Marktplatz, an der sich rund 2000 Menschen beteiligten.
In diesem Rahmen fand sich das Bündnis zusammen, das im März dann eine „Calwer Erklärung“ abgab, um sich „den menschenverachtenden Plänen rechtsextremistischer Strömungen“ entgegenstellen und sich zu Menschenwürde, Demokratie, Rechts- und Sozialstaatsprinzip zu bekennen.
Dieser Erklärung schloss sich nun auch die Stadt Calw auf Beschluss des Gemeinderates an – allerdings bei sieben Enthaltungen. Und nach einer längeren Diskussion.
Gegen alle „Unarten der Gesellschaft“
Dabei sah es zunächst mehr nach einer Formalie aus. „Ich halte das für sehr, sehr unterstützenswert“, meinte etwa Oberbürgermeister Florian Kling. Es sei zu begrüßen, wenn eine solche Initiative von der Basis komme und es sei richtig, sich symbolisch an die Seite des Bündnisses zu stellen.
Christoph Perrot (Freie Wähler) stimmte grundsätzlich zu. Allerdings, so erklärte er, sei ihm das Papier in einem Punkt zu kurz geraten. Statt nur gegen Rechtsextremismus gelte es, sich gegen alle Formen des Extremismus und generell gegen alle „Unarten der Gesellschaft“ zu stellen.
Nur Lippenbekenntnisse?
Adrian Hettwer (Gemeinsam für Calw) konnte das zwar nachvollziehen, hielt aber dagegen, dass die Erklärung doch trotzdem inhaltlich jedem aus dem Herzen sprechen müsse. „Ich würde mir wünschen, dass es vom ganzen Gemeinderat kommt“, meinte er.
Hans Necker (Neue Liste Calw) pflichtete hingegen Perrot bei. Die Erklärung sei nicht weitreichend genug, die Pflichten und Aufgaben des Gremiums wesentlich umfangreicher. Und: „Ich halte auch nichts von Erklärungen, die reine Lippenbekenntnisse sind“, so Necker. Jeder Rat hätte die Erklärung online bereits unterschreiben können oder könne es noch tun.
Kling entgegnete, er halte es nicht für ein Lippenbekenntnis, die Stadt könne ein Zeichen setzen. Rechtsextremismus sei ein aktuelles Problem.
Bernhard Plappert (CDU) meinte, es handle sich doch nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern um das Ergebnis aktueller Entwicklungen, ein Dokument der Zeitgeschichte, von dem niemand erwarten dürfe, dass es alles umfasse. Das Problem sei nicht das Dokument, sondern die Frage, warum Menschen Halt in rechtsextremen Positionen suchten. Er plädierte dafür, zuzustimmen.
„Wir sollten es nicht zerreden“
Erhard Hofmann (Linke) wiederum hielt es ebenfalls für einseitig, nur auf den Rechtsextremismus im Land zu schauen.
„Wir zerreden was, wenn es nicht 100 Prozent so ist, wie wir denken“, meinte schließlich Dieter Kömpf (Freie Wähler). Aber „wir sollten es nicht zerreden, nur weil irgendwas fehlt“.
Dem schloss sich auch Florian Fuchs (Gemeinsam für Calw) an. Nur weil es nicht vollständig sei, könne man doch trotzdem dafür sein. Es sei ohnehin keine politische, sondern eine humanistische Frage, ob man der Erklärung zustimme.
Die „Calwer Erklärung“ ist im Internet unter www.change.org/p/calw-bleibt-bunt zu finden.