Die Bomben, die am 13. Februar 1945 über Ichenheim abgeworfen wurden, verwandelten Häuser der Ortsteils – hier ein ehemaliges Ökonomiegebäude – in ein einziges Trümmerfeld Foto: privat

Die Riedgemeinden wurden zum Ende des Zweiten Weltkriegs zur Zielscheibe der Alliierten. In einer Serie unserer Redaktion werden die Erlebnisse erzählt, an die sich Zeitzeugen 1985 im Gespräch erinnerten. Der Auftakt macht der 13. Februar 1945, als der Neurieder Ortsteil in Schutt und Asche gelegt worden war.

Ab der Jahreswende 1944/45 hatte Ichenheim besonders schwer unter dem Artilleriebeschuss aus dem Elsass zu leiden, das im November 1944 von den französischen Truppen zurückerobert wurde. Hauptziel war die katholische Kirche, in deren Turm ein Beobachtungsposten der deutschen Wehrmacht war. Die Jagdbomber – von den Einheimischen „Jabos“ genannt – beschossen die Starkstrom- und Telefonleitungen sowie Häuser und Ökonomiegebäude. Diejenigen, die dort noch lebten – darunter meist Frauen und ältere Männer – versuchten, die immer zahlreicher werdenden Brände mit zwei Handfeuerspritzen zu löschen.

 

Am 13. Februar 1945 traf es die Gemeinde besonders schwer: Bei einem Tieffliegerangriff wurden ein Mann und eine Frau verletzt, zwei Wohngebäude und zwei Ökonomiegebäude zerstört, 23 Wohnhäuser und 28 landwirtschaftliche Gebäude beschädigt. Einige Jugendliche aus Ichenheim und Dundenheim besuchten am Nachmittag dieses Tages den Konfirmandenunterricht im damaligen evangelischen Pfarrhaus, dem heutigen Autohaus Seebacher, in der Schopfheimer Straße.

Das Dröhnen der Flugzeuge ließ die Erde beben

Pfarrer Christian Kraft hatte Sandsäcke vor die Kellerfenster des Hauses gelegt. Als zu hören war, dass sich Jagdbomber im Anflug auf das Dorf befanden, kam die Frau des Geistlichen und rief: „Kommt in den Keller.“

Pfarrer Kraft bestand jedoch darauf, den Unterricht fortzusetzen. Wenige Augenblicke später wurde der Luftdruck so stark, dass die Fensterscheiben des Unterrichtsraumes barsten. Ein Glassplitter zerriss das Kleid eines Mädchens. Daraufhin versuchte der Pfarrer mit den Konfirmanden, den schützenden Keller zu erreichen. Dabei mussten sie mehrere Zimmer des großen Hauses durchqueren. Als sie vor der Kellertür standen, begann die Erde unter dem Dröhnen der Flugzeuge zu erzittern. Nur wenige Meter entfernt klinkte ein Jagdbomber seine tödliche Ladung aus. Eine Bombe fiel auf die Grenze zwischen zwei Häusern, die schräg gegenüber vom Pfarrhaus standen. Das Haus der Familie Henninger wurde dabei zur Hälfte zerstört. Eine weitere Bombe legte das nebenstehende Ökonomiegebäude in Schutt und Asche.

Das Wohnhaus der Familie Henniger wurde durch die Luftangriffe im Jahr 1945 stark beschädigt Foto: privat

Frieda Henninger, die gerade die Kellertreppe hinuntergehen wollte, um sich in Sicherheit zu bringen, wurde in den Keller hinabgeschleudert. Der Knecht der Familie überlebte, weil er gerade in den Garten gelaufen war. Die Scheune, in der er noch wenige Augenblicke zuvor gewesen war, wurde total zerstört. Ein Vorhang von einem Fenster des Hauses wurde von der Wucht der Detonation quer über die Straße geschleudert und blieb an einem Baum des Nachbaranwesens hängen.

Bombentrichter waren so tief, wie Häuser hoch waren

Die Konfirmanden hatten sich indes im Keller des Pfarrhauses verkrochen. Als der Angriff vorüber war, verließen sie das Haus und starrten fassungslos auf die Trümmer. „Ich bekam fürchterliche Angst und rannte so schnell ich konnte zu unserem Haus in der damaligen Kirchstraße, der heutigen Meißenheimer Straße“, erinnert sich Friedl Huser, eine der Konfirmandinnen von damals. Gegenüber von ihrem Elternhaus war das damals noch unbebaute Gewann Wiederfeld. Dort hatten die Bomben vier Trichter geschlagen, „die so tief waren wie Häuser.“ Darin wurde später das Vieh verscharrt, das auf dem Anwesen Henninger von den Bomben getötet worden war.

Auf vielen Häusern der Kirchstraße waren keine Dachziegel mehr, die Türen standen offen. Die Fenster waren durch die Druckwelle zerstört worden. Erleichtert stellte das Mädchen fest, dass niemand verletzt war, obwohl ihre Mutter und die vier Geschwister bei dem Angriff den Keller nicht erreicht hatten. Sie mussten warten, weil die Großmutter, die nur langsam gehen konnte, die Kellertreppe nicht schnell genug hinabsteigen konnte. Auch der Großvater hatte überlebt. Er war wegen einer Grippe im Bett gelegen, war aber kurz vor dem Einschlag der Bomben aufgestanden, um das Vieh zu füttern. Sein Bett war nach dem Angriff von Bombensplittern durchbohrt.

Am 4. März 1945 fand die Konfirmation im evangelischen Kindergarten statt. Man wagte es nicht mehr, den Gottesdienst in der Kirche abzuhalten, weil sie das Hauptziel des Artilleriebeschusses war.

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