Das ist Familie Essig im Jahr 1937. (Archivbild) Foto: Erika Albert Essig

Im Museum Appeleshof in Gechingen sind diesmal zu Weihnachten auch Modelle der Württembergischen Schwarzwaldbahn ausgestellt, die einst von Calw nach Stuttgart verkehrte, über Althengstett, Ostelsheim und Weil der Stadt. Das weckt Erinnerungen bei den älteren Gechingern.

Gechingen - "Bei diesem Anblick überfluteten mich die Erinnerungen, ich wurde wieder zum kleinen Mädchen, das, viel beneidet von den Spielkameraden, mit dieser Bahn von Althengstett aus, wo wir wohnten, mit unserer Mutter zum Großvater nach Stuttgart fahren durfte", schreibt Erika Albert Essig, Mitglied des Arbeitskreises Heimatgeschichte, zur aktuellen Schau. Und weiter: "Das galt damals als große Reise, und wir blieben auch immer ein paar Tage lang. Schon die Vorbereitungen waren umständlich. Die Großmutter musste aus Gechingen kommen, um den Haushalt mit den zwei jüngeren Brüdern zu besorgen, solange die Mutter in Stuttgart war.

Faszinierendes Lichtermeer

Am Tag vor der Reise brachte man das große Gepäck mit dem Leiterwägele zum Bahnhof, um es aufzugeben. Wenn es viel war, spannte wohl auch der Nachbar sein Fuhrwerk ein. Besonders erinnere ich mich an eine Reise zur Winterzeit 1938. Ich war stolze fünf Jahre alt und durfte deshalb mit zu Mutters Weihnachtseinkäufen. 1938 ist deshalb wohl das richtige Jahr, weil Großvater mich abends auf den Arm nahm und aus dem Fenster auf die große Stadt zeigte. Sein Haus lag auf der Höhe, das Lichtermeer im Tal war ein unvergessliches Erlebnis für das Dorfkind.

1938 noch ahnungslos

Wer hätte auch damals gedacht, dass es diesen herrlichen Ausblick dann viele Jahre lang nimmer geben würde – 1939 war schon Krieg und alle Kinder aus dieser Zeit denken an die Dunkelheit der Nächte in der folgenden Zeit. Kein Lichtblitz durfte durch die Verdunkelung nach außen dringen. Davon ahnte man 1938 noch nichts.

Der Zug kracht und faucht

Vater begleitete uns am Reisetag auf dem erwartungsvollen Fußmarsch zum Bahnhof. Er musste eine Bahnsteigkarte lösen, dass er mit uns durch die Sperre auf den Bahnsteig durfte. Zwischen Calw und Weil der Stadt verkehrte noch der alte Dampfzug, der bei der Einfahrt mächtige Dampfwolken ausstieß, krachte und fauchte und mit viel Klirren und Scheppern schließlich zum Stillstand kam. Eiserne Stufen führten zur Plattform vor der Wagentür – sie waren sehr hoch und ich war klein und alles war wackelig und bebte unter den Füßen. Aber der Vater half uns hinauf, noch ein kurzer Abschiedsgruß von der wackeligen Plattform, dann ging’s ins Wageninnere. Sobald wir Platz gefunden hatten, kurbelten wir das Fenster herunter, nahmen noch mal Abschied vom Vater, und als der Zug sich in einer gewaltigen Dampfwolke geräuschvoll in Bewegung setzte, zückten wir unsere Taschentücher und winkten, bis Vater nimmer zu sehen war.

Gelb lackierte Holzbänke

Die Fahrt ging zunächst bloß bis Weil der Stadt, da mussten wir umsteigen, ab dort war die Strecke schon elektrifiziert. Der Zug war nun leiser und stieß auch keinen Dampf mehr aus, aber die alten Holzbänke, gelb lackiert, waren gleich. Der Zug fuhr unter gewaltigem Pfeifen in jede Station ein, kam zum Stillstand, und wenn der Mann mit der roten Mütze die Kelle hob, ging die Reise weiter. Ich schaute während der Fahrt aus dem Fenster und sah Telegrafenmasten, Wiesen, Wälder und Häuser vorüberfliegen – es war ein großes Abenteuer. Der Schaffner kam und zwickte Löcher in unsere Fahrkarten. Großvater hatte Mutter einen Brief geschickt mit genauen Anweisungen für die Reise – wenn wir Feuerbach passiert hatten, sollten wir uns fertig machen zum Aussteigen. Dann kam auch schon der Stuttgarter Bahnhofsturm in Sicht, der Zug hielt – und auf dem Bahnhof wartete der Großvater."