Die Nagolder "Omas gegen rechts", verstärkt durch einige Opas, nahmen den Holocaust-Gedenktag zum Anlass, um an das Schicksal geistig oder körperlich behinderter Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern.
Nagold - Die Nagolder "Omas gegen rechts", verstärkt durch einige Opas, nahmen den Holocaust-Gedenktag zum Anlass, um an das Schicksal geistig oder körperlich behinderter Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus zu erinnern. Mindestens sieben inzwischen namentlich bekannte Nagolder Bürgerinnen und Bürger wurden damals auf Grund ihrer Behinderung als "lebensunwertes Leben" eingestuft und nach etlichen Umwegen 1940 in die zur Tötungsanstalt umfunktionierte Heilanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb gebracht. Dort wurden sie in der Regel noch am Tag ihrer Ankunft durch Vergasung ermordet.
Die Omas legten vor jedem der Häuser, in dem die Opfer einst gewohnt hatten, eine weiße Rose sowie eine Karte mit den Daten der Ermordeten nieder. Einige der Häuser stehen heute noch fast unverändert, etwa die Turmstraße 2 (heute Bäckerei "Ziegler") oder Haiterbacher Str. 2. Andere wurden durch neue Gebäude ersetzt, wie die Hirschstraße 6 (heute Modehaus "Finkenbeiner") oder Freudenstädter Str. 12 (heute "H&M"). An anderen Stellen sind heute freie Flächen.
Haupttäter war ehemaliger Nagolder Arzt Stähle
Die Omas konnten bei ihrer Aktion auch mit jungen Menschen ins Gespräch kommen, die sich sehr betroffen und interessiert zeigten. Besonders bedrückend war die Feststellung, dass einer der hauptverantwortlichen Täter der Euthanasie in Württemberg, der ehemalige Nagolder Arzt Eugen Stähle, in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem der Opfer wohnte. 10 654 Menschen, die meisten aus Württemberg stammend, wurden in den Jahren 1939 und 1940 in Grafeneck ermordet. Ab 1941 wurde die Tötungsaktion unter dem Decknamen "T4" eingestellt, nicht zuletzt auf Grund des Protestes durch den damaligen Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Theophil Wurm.
"Stolpersteine" sind das Ziel
Die Omas gegen Rechts verstehen ihre Aktion als weiteren Schritt auf dem Weg, zum Gedenken an die Opfer so genannte "Stolpersteine" zu errichten. Kleine quadratische metallene Steine sollen vor den Häusern, in denen die Opfer einst gewohnt hatten, in den Boden eingelassen werden. Erfreulich, dass dieses Anliegen inzwischen auch von Oberbürgermeister Großmann sowie vom Heimatgeschichtsverein aufgegriffen wurde. Der erste Anstoß dazu kam von Schülerinnen der Christiane-Herzog-Realschule. Diese hatten unter Leitung ihres Geschichtslehrers Gabriel Stängle bereits 2019 eine umfangreiche Dokumentation "Nagold im Nationalsozialismus" angefertigt und eine Stadtführung "Auf den Spuren von Opfern und Tätern der NS-Euthanasie" entwickelt und mehrfach durchgeführt. Ihrer gründlichen Recherche ist es zu verdanken, dass die Daten und Lebensumstände der damaligen Opfer und Täter inzwischen bekannt und dokumentiert sind.