Neun- und Zehntklässler der Erhard-Junghans-Schule hörten jüngst den Erzählungen der Zeitzeugin Eva Erben zu. Sie überlebte das Ghetto Theresienstadt und das Vernichtungslager Auschwitz sowie die Todesmärsche am Ende des Krieges.
In einer Veranstaltung in der Messehalle Schwenningen berichtete die heute 94-jährige Holocaust-Überlebende Eva Erben zahlreichen Schulklassen verschiedener Schulen von ihrem Martyrium, das ihr die Nationalsozialisten aufzwangen.
Geboren wurde sie als Eva Löwidtova 1930 in der Tschechoslowakei nahe der deutschen Grenze. Nach einem Umzug nach Prag änderte sich ihr Leben und das ihrer jüdischen Eltern Marta Löwidtova und Jindrich Löwidt, nachdem ein Teil der Tschechoslowakei 1938 dem deutschen Machtbereich einverleibt wurde. Sie erinnere sich noch gut daran, wie sie an einem Sonntag im Jahr 1938 eine Konditorei in Prag betreten wollte, ihr allerdings der Zutritt auf einem Schild untersagt wurde auf dem stand, dass Juden und Hunde draußen bleiben müssten.
Ankunft in Theresienstadt
Von da an nahm das Leben von Eva Erben einen Verlauf, den sie niemals für möglich gehalten hätte. Sie erzählte, wie sie als Kind zusammen mit ihren Eltern 1941 gezwungen worden sei, ins Ghetto Theresienstadt umzusiedeln. Als Sammel- und Durchgangslager war Theresienstadt Teil des nationalsozialistischen Zwangslagersystems.
Im Oktober 1944 wurden dann zuerst Evas Vater und anschließend auch sie und ihre Mutter ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Ihren Vater sah sie nie mehr wieder. Nach drei Tag zusammengepfercht in einem Personenzug kamen sie in Auschwitz an. Unter Hundegebell, Brüllen und Prügeln trieben die SS-Männer die Frauen aus den Waggons. Eine hier wiedergefundene Freundin der Mutter rettete Eva Erben das Leben: „Wenn sie dich nach dem Alter fragen, sag, dass du 18 bist!“. So tat sie es. Denn Kinder wurden in Auschwitz zusammen mit ihren Müttern sofort in den Gaskammern ermordet. Stattdessen wurden ihr die Haare abrasiert, sie bekam nasse Häftlingskleidung übergezogen und in den folgenden Wochen grub sie mit den anderen Häftlingen Panzergräben nur mit Schaufeln und Hacken aus.
Gestank der Krematorien
Ununterbrochen quoll Rauch aus den Schornsteinen der Krematorien. Eva erben erinnerte sich: „Der Gestank erinnerte mich an verbrannte Hühnerfedern.“ Gegenüber den SS-Offizieren habe sie gelernt, ihnen niemals direkt ins Gesicht zu sehen – zu groß sei die Gefahr, dass das als Frechheit angesehen werde. Aber nicht immer konnte sie sich der Brutalität der SS-Aufseher entziehen. Der mittlerweile 14-jährigen Eva wurden beispielsweise zwei Schneidezähne ausgeschlagen, nachdem sie bei einer Kleiderausgabe zwei linke Schuhe bekam und beim nahe gelegenen Schuhhaufen einen Schuh tauschen wollte. Ihre Mutter Marta, sagt Erben, habe ihr immer wieder Mut gemacht und sie nach solchen Erfahrungen wieder aufgebaut. Nachdem die beiden in ein Außenlager des KZ Groß-Rosen in Niederschlesien verlegt worden waren, rückte Anfang des Jahres 1945 die Rote Armee immer weiter Richtung Westen vor und die SS räumte das Lager. Eva und ihre Mutter wurden auf den Todesmarsch getrieben. Der Tod von Häftlingen wurde hier von der SS billigend in Kauf genommen. Wer bei Eiseskälte nicht mehr weiter gehen konnte, wer wegen Unterernährung, Erschöpfung oder wegen Verletzungen zusammenbrach, wurde sofort erschossen oder einfach zurückgelassen.
Eva muss miterleben, wie ihre Mutter im April 1945 in einem Durchgangslager an den Folgen einer Entzündung am Bein starb. Doch für Trauer blieb keine Zeit. Die Häftlingskolonne ging weiter, übernachtete in der darauffolgenden Nacht in einem Stall. Eva berichtete, wie sie sich wegen der Kälte nahe einer Kuh ins dreckige, stinkende Stroh legte und am nächsten Tag aufwachte und allein zurückgeblieben war. Längst hatten die SS-Männer aufgehört beim Weitermarsch die Zahl ihrer Gefangen zu kontrollieren. „Zum Glück gab es diese Kuh“, sagt Eva Erben heute. Sie beschloss in einem nahe gelegenen Dorf in Possigkau (Tschechien) um Hilfe zu bitten, brach aber aus Erschöpfung zusammen und wurde bewusstlos von einem Bauern in einem Feld gefunden. Ludmila und Krystof Jahn kümmerten sich um sie, bis sie nach dem Ende des Weltkriegs im Juni 1945 von ihrer Tante abgeholt wurde. Bald darauf ging sie wieder nach Prag zurück, verliebte sich und wanderte 1949 in den neu gegründeten Staat Israel aus.
Appell an die Schüler
Die Erlebnisse in ihrer Kindheit und Jugend seien ein Teil von ihr, schilderte Erben. Das könne sie nicht mehr ändern. Sie habe aber die Kraft gefunden, das Leben, das noch vor ihr gestanden habe, selbst zu gestalten. Diese Kraft wünschte sie auch den anwesenden Schülern. Das, und dazu beizutragen, dass sich so etwas wie der Holocaust nie wiederholt.