Impfungen helfen nach den Erkenntnissen südafrikanischer Forscher gegen schwere Verläufe einer Omikron-Infektion. Sie schützen jedoch nicht hundertprozentig. Sieben Deutsche haben das nun trotz Booster-Impfungen erlebt.
Johannesburg - Die neue Coronavirus-Variante Omikron treibt in Südafrika die Infektionszahlen in die Höhe. Im nationalen Epizentrum des Infektionsgeschehens - dem Großraum um Johannesburg und Pretoria (Gauteng-Provinz) - sei die Zahl der Neuinfektionen im Wochenvergleich um 400 Prozent gestiegen, teilte am Freitag Gesundheitsminister Joe Phaahla mit. Tests zeigten, dass hinter rund 70 Prozent der Fälle die Omikron-Variante steckte. Allerdings scheinen sich nach Ansicht der Wissenschaftlerin Glenda Gray und ihrer Kollegin Michelle Groome vom Nationalen Institut für übertragbare Krankheiten NICD erste Beobachtungen von eher milden Krankheitsverläufen und kürzeren Krankenhausaufenthalten zu bestätigen.
Forschungen des südafrikanischen Professors Alex Sigal zeigten zudem, dass Omikron zwar den Impfschutz reduziert, der aber je nach Zahl der entwickelten Antikörper eine Wirksamkeit von bis zu 70 Prozent habe. „Wir sehen keinen Grund zu glauben, dass Impfungen nicht vor schweren Omikron-Erkrankungen schützt“, sagte er. Sigal gilt mit seinem Team vom Afrikanischen Gesundheits-Forschungsinstitut AHRI als weltweit erster Wissenschaftler, der das Virus künstlich gezüchtet hat. Dabei stand die Forschung nach dem Schutz durch Antikörper im Vordergrund. „Das Virus nutzt die gleichen Rezeptoren wie die anderen Varianten“, sagte er. Zwar habe es seine DNA geändert, aber kaum sein Verhalten.
Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht
Totalen Schutz vor Infektionen geben jedoch selbst die Auffrischimpfungen nicht. Trotz Booster-Impfung haben sich sieben Deutsche in Südafrika mit Omikron infiziert. Wolfgang Preiser, Mitglied des Forschungskonsortiums, das Omikron entdeckt hat, sagte dem „Tagesspiegel“: „Durchbruchsinfektionen gibt es sehr viele. Was wir nicht wussten ist, dass auch eine Booster-Impfung mit Biontech/Pfizer das nicht verhindert.“ Er mahnte: „Das darf man natürlich nicht falsch verstehen, dass die Impfung nicht helfe. Im Gegenteil: Das zeigt nur, dass auch die bestmögliche Impfung offensichtlich nicht ausreicht, um eine Infektion zu verhindern.“ Man müsse die Vorsichtsmaßnahmen weiterhin einhalten.
Die Studie von Preiser und Kollegen ist noch nicht in einem Fachjournal veröffentlicht. Keiner der sieben Deutschen im Alter von 25 bis 39 Jahren hatte einen schweren Verlauf der Infektion. „Man kann jetzt natürlich sagen: Das sind doch ohnehin junge Leute. Aber man kann schon davon ausgehen, dass zumindest ein schwerer Verlauf verhindert wird“, sagte Preiser von der südafrikanischen Stellenbosch-Universität. Auch das Forscherteam zieht das Fazit: Obwohl die Ergebnisse die Notwendigkeit einer Impfstoff-Anpassung unterstreichen, ist der Schutz vor schwerer Erkrankung nach einer Booster-Impfung wahrscheinlich weiter intakt. Biontech und Pfizer arbeiten an einem an Omikron angepassten Impfstoff. Es ist aber noch unklar, ob er tatsächlich benötigt wird.
Alle sieben Personen waren geimpft
Bei der neuen Untersuchung hatten nach Forscherangaben alle sieben Menschen mindestens zwei ihrer drei Impfungen mit einem mRNA-Vakzin erhalten. Sechs Personen von ihnen erhielten bei ihrer Auffrischungsimpfung das Vakzin von Biontech, eine das von Moderna. Die Booster-Impfungen lagen mindestens einen Monat zurück. Vier von ihnen machten ein Praktikum in südafrikanischen Krankenhäusern, die drei anderen Urlaub.
Der Kap-Staat befindet sich in einer von der Omikron-Variante getriebenen vierten Infektionswelle und hat gerade Booster-Impfungen erlaubt. Laut der Afrikanischen Union haben mittlerweile elf Länder auf Europas Nachbarkontinent Omikron-Infizierungen nachgewiesen.
Ist ein früherer Booster sinnvoll?
Biontech-Gründer Ugur Sahin hatte sich angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante für eine frühere dritte Impfung ausgesprochen. „Mit Blick auf Omikron sind zwei Dosen noch keine abgeschlossene Impfung mit ausreichendem Schutz. Wenn sich Omikron, wie es aussieht, weiter ausbreitet, wäre es wissenschaftlich sinnvoll, bereits nach drei Monaten einen Booster anzubieten“, sagte Sahin dem „Spiegel“ (Donnerstag). In Großbritannien werde dies bereits so gehandhabt.
Nach Einschätzung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA können Booster-Impfungen durchaus nach drei Monaten erfolgen. Ungeachtet der geltenden Empfehlungen, die Auffrischung nach sechs Monaten zu verabreichen, „sprechen die derzeit verfügbaren Daten für eine sichere und wirksame Auffrischungsdosis bereits drei Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung“, sagte der EMA-Direktor für Impfstrategie Marco Cavaleri am Donnerstag.