Aktuell brütet die Bürgermeisterin von Enzklösterle, Petra Nych, über dem Haushaltsplan ihrer Gemeinde für 2015. Alles steht auf dem Prüfstand - auch die Hebesätze für die kommunalen Steuern, bei denen Enzklösterle allerdings bereits "Deutscher Meister" ist. Foto: Kunert

Bundesweit erhebt Gemeinde höchsten Hebesatz für kommunale Steuern. Beleg für große Bedeutung einer intakten Natur.

Enzklösterle - Gäbe es ein Guinessbuch der Deutschlandrekorde, der Schwarzwald-Gemeinde Enzklösterle wäre zumindest ein Eintrag sicher: Der idyllische Ort an der Quelle des Neckar-Zuflusses Enz weißt bundesweit den höchsten sogenannten Hebesatz aus zur Berechnung seiner kommunalen Steuern.

Exakt 1800 Prozent werden angelegt, wenn in Enzklösterle die so genannte Grundsteuer A berechnet wird. Das sei einsame Spitze, sagt zumindest die Internet-Enzyklopädie Wikipedia.

Der amtierenden Bürgermeisterin von Enzklösterle, Petra Nych, ist dieser einmalige Deutschlandrekord allerdings kein bisschen unangenehm oder gar peinlich. Ganz im Gegenteil, hätten sich doch die "Altvorderen" etwas besonderes dabei gedacht, als sie bereits in den 1990er-Jahren den Hebesatz für die Grundsteuer A in diese nur scheinbar "schwindelerregende Dimension" schraubten.

"Die Grundsteuer A wird auf Grundbesitz in der Land- und Forstwirtschaft erhoben", erläutert Nych. Die Gemeinde Enzklösterle aber liegt geradezu eingezwängt zwischen gewaltigen Waldflächen, die ein Wachsen der Ortsteile oder gar die Neuansiedlung von Gewerbegebieten weitgehend unmöglich mache.  Das einzige große Vermögen der Gemeinde ist die Natur und vor allem der Forst." Und damit auch die Gemeindefinanzen angemessen von dessen Wirtschaftskraft mit profitieren könnten, müssten die Waldbesitzer diesen "zugegeben sehr hohen" Hebesatz dulden.

Allerdings: Da Grundsteuern auf Basis eines theoretischen, relativ niedrigen Einheitswertes berechnet würden, addiert sich auch mit einem Hebesatz von 1800 Prozent die finale Steuerlast für die Grundeigentümer auf absolut "immer noch moderate Beträge". Aber, so die Bürgermeisterin, bei der Grundsteuer sei man in Enzklösterle schon irgendwie das genaue Gegenteil eines Steuerparadieses. Auf einen Betrag von knapp unter einer Viertelmillion Euro summierten sich jährlich insgesamt die Einnahmen aus der Grundsteuer A. Eine verlässliche Säule auf der Einnahmeseite, die Planungssicherheit bedeute.

Nych: "Enzlösterle war nie reich."

Gerade aktuell brütet man in der Enztalgemeinde wieder einmal über dem Finanzhaushalt für das bereits laufende Jahr. "Enzklösterle war nie reich", beschreibt Petra Nych die Herausforderungen, die es dabei zu bewältigen gibt. Zwei kleine Gewerbegebiete und vor allem der Tourismus für das Gewerbesteueraufkommen. Ansonsten müssen es die Einwohner über die Zuweisungen aus der Einkommenssteuer und eben die Grundsteuer B (die Eigentümer von Gebäuden zahlen müssen) bringen. Auf über 2,6 Millionen Euro Schulden kommt der kleine Ort aktuell mit seinen nicht einmal 1200 Einwohnern. Dabei habe man sich nie "Fußwege aus Marmor" oder andere Luxus-Investitionen geleistet. "Nur das Pflichtprogramm." Personalkosten und andere fixe Ausgaben seien die größten Posten im Haushalt. Viel Spielraum sei da nie.

Anfang Februar werde der Gemeinderat deshalb in Klausur gehen, um den Haushalt von Enzklösterle "in jeden einzelnen Posten" auf den Prüfstand zu nehmen – von der Hundesteuer bis zum Kindergartenbeitrag. Vielleicht auch die Hebesätze für die kommunalen Steuern, die die Gemeinde direkt bei ihren Bürgern erheben darf. Denn die Einnahmesituation müsse dringend verbessert werden.

Die Gewerbesteuer, deren Hebesatz aktuell bei 360 Prozent liege, böte noch etwas Spielraum. Andere Städte und Gemeinden im Kreis Calw kratzten mittlerweile die 400-Prozent-Marke. Ansonsten lägen die Hoffnungen bei der Einnahmeentwicklung auf dem Interkommunalen Gewerbegebiet, das man mit der Nachbargemeinde Simmersfeld auf deren Gemarkung betreibe. Und "auf dem Zuzug neuer Mitbürger," wie Nych erläutert, um dadurch dauerhaft höhere Zuweisungen aus der Einkommenssteuer zu erlangen.

Und genau da werde auch die tiefere Bedeutung des Rekord-Hebesatzes für Enzklösterle deutlich, ist sich Nych sicher. Denn "er belegt die übergroße Bedeutung, die intakte Naturflächen für den Ort haben". Und genau das – "weite Wälder, saubere Luft, klares Wasser und sehr viel Ruhe" – sei ja das, was heute immer mehr echte Lebensqualität für die Menschen ausmache. Entschleunigung sei das Alleinstellungsmerkmal der Gemeinde. Gelänge dann noch der von Kreis, Land und Bund so vollmundig propagierte Ausbau der digitalen Infrastruktur auch für Enzklösterle, kämen vielleicht genau jene Berufsgruppen als Neubürger hierher, "die vom Heimarbeitsplatz aus arbeiten, und gleichzeitig die tolle Natur hier genießen" könnten. Erfülle sich diese Zukunftsvision, dann könnte vielleicht eines Tages ein anderer Ort den Spitzenplatz im Steuersatz gerne von Enzklösterle übernehmen.