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Die Stadt Stuttgart muss für einen früheren Chefarzt am Krankenhaus Bad Cannstatt tief in die Tasche greifen.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart muss für einen früheren Chefarzt am Krankenhaus Bad Cannstatt tief in die Tasche greifen. Für zwei Patientenschadensfälle aus dessen Verantwortungsbereich müssen insgesamt 1,42 Millionen Euro bezahlt werden. Der Arzt selbst bekam eine Abfindung in Höhe von einer Million.

Die beiden Einzelschicksale von Anna Köck und Christian Fiedler, die in getrennten Verhandlungen das Landgericht Stuttgart beschäftigt haben, sind nicht nur für medizinische Laien erschütternd. Nach der Behandlung im Krankenhaus Bad Cannstatt sind beide Patienten schwer geschädigt und für ihr Leben gezeichnet.

Professor Claude Krier, Klinischer Direktor des städtischen Klinikums, spricht im Zusammenhang mit den beiden Schadensfällen von einer "ungewöhnlichen Schwere des Verlaufs" und drückt sein "tiefes Bedauern" aus.

Anna Köck, die sich eigentlich nur ihren Magen verkleinern lassen wollte, ist heute, nach 38 Folgeoperationen und dem Verlust von Speiseröhre, Milz und großen Teilen des Dick- und Dünndarms, körperlich am Ende und auf schwerste Schmerzmedikamente angewiesen. Ihr zahlt die Stadt Stuttgart jetzt im Wege eines Vergleichs "eine Million Euro zur Abgeltung aller Ansprüche aus ihrer Behandlung im Klinikum Stuttgart". Einem entsprechenden Vorschlag des Landgerichts hat nach der Versicherung der 54-jährigen Klägerin am Montag auch der Krankenhausausschuss des Gemeinderats zugestimmt.

Ähnlich stellt sich das Schicksal von Christian Fiedler dar. Dem 45-jährigen aus Fellbach sind kürzlich ebenfalls auf Vorschlag des Landgerichts 420.000 Euro zugesprochen worden. Der seit Jahren an Morbus Crohn leidende Fiedler war 2004 mit extremen Schmerzen als Notfall ins Krankenhaus Bad Cannstatt eingeliefert worden. Dort wurde die Schwere der Erkrankung zu spät erkannt. Als der Patient nach drei Tagen schließlich operiert wurde, war es zu spät. Fast der gesamte Dünndarm war abgestorben. Nach zahlreichen weiteren Operationen, darunter einer Transplantation von Dünndarm und zwei Nieren, ist Fiedler inzwischen ein Pflegefall.

Professor Krier, oberster Chefarzt des Klinikums, weist in beiden Schadensfällen darauf hin, dass vom Landesgericht kein schweres schuldhaftes Verhalten des behandelndes Arztes festgestellt wurde. "Das Gericht geht von einer Verkettung von Komplikationen aus", betont Krier.

Die außergewöhnliche Höhe der Entschädigungssummen - es sind die größten, die je im Klinikum Stuttgart gezahlt wurden - erklärt Krier mit mehreren Teilbeträgen wie Schmerzensgeld, entgangenem Arbeitslohn und Pflegemehrbedarf. Nach Angaben von Krier sind im Zusammenhang mit dem inzwischen am Krankenhaus Bad Cannstatt ausgeschiedenen Chirurgen Uwe-Jörg Hesse keine weiteren Schadensfälle anhängig. Der verantwortliche Chefarzt hat das Klinikum Stuttgart im vergangenen Juni mit einer Abfindung in Höhe von einer Million Euro verlassen.

Das Geld für die Entschädigung der beiden Patienten stammt aus Rücklagen des Klinikums, die nach dem Eigenversicherungsprinzip speziell für Medizinschäden gebildet wurden. Wie viel Euro auf diesem Konto inzwischen liegen, teilen die Verantwortlichen im Rathaus und im Klinikum auch auf Nachfrage nicht mit. "Die jetzt bezahlten Beträge gehören aber zu den größten, die je auf einmal bezahlt wurden", sagt Markus Schubert, der Sprecher des Oberbürgermeisters. In der jüngeren Vergangenheit lag die Auszahlungssumme des Klinikums für Entschädigungen pro Jahr zwischen 700.000 und 900.000 Euro.