Entführungen sind in Deutschland selten, trotzdem ist eine Frau in Tübingen mitten am Tag auf einem Supermarktparkplatz in ihrem eigenen Auto entführt worden. Der Weiße Ring in Freudenstadt hilft Opfern, er gibt aber auch Tipps für einen solchen Notfall.
Was eine 68-jährige Frau am Ostersamstag in Tübingen erleben musste, klingt wie ein surrealer Alptraum: Mitten am Tag wird sie von einem bis heute unbekannten Täter auf einem belebten Supermarktparkplatz entführt – in ihrem eigenen Auto.
Als lokaler Ansprechpartner in Sachen Kriminalitätsprävention und Opferhilfe gibt es in Freudenstadt eine Außenstelle der Organisation Weißer Ring. Über den Tübinger Entführungsfall hat unsere Redaktion mit Günther Bubenitscheck, Präventionsbeauftragter des Weißen Rings Baden-Württemberg, gesprochen.
Er sagt, was Betroffene in einer bedrohlichen Situation versuchen können: „Man kann versuchen, die Öffentlichkeit herzustellen und somit auf die Situation aufmerksam machen.“ Keine leichte Aufgabe in einer bedrohlichen Lage.
Regeln für Zivilcourage beachten
Werden andere Menschen jedoch tatsächlich auf die Bedrohung aufmerksam, können sie entscheidend helfen. Bubenitscheck appelliert, die Regeln zur Zivilcourage zu berücksichtigen. Sie sind beispielsweise im Internet auf der Seite von „Aktion-tu-was“, einer Initiative der Polizei für mehr Zivilcourage, erklärt.
Er sagt: „Wichtig ist es, Verantwortung zu übernehmen.“ Zeugen sollten beobachten, was passiert, sich Merkmale einprägen und die 110 rufen. Bei all dem sollten sie sich allerdings nicht selbst in Gefahr begeben.
Sechs Regeln
Die Aktion-tu-was nennt insgesamt sechs Zivilcourage-Regeln und erklärt, wie sich Zeugen verhalten können, wenn ein Verbrechen geschieht: Regel eins beschreibt das richtige „Acht geben“: „Misch dich ein, wenn dir eine Situation merkwürdig vorkommt. Aber: Bring dich nicht selbst in Gefahr. Manchmal reicht es schon, wenn du laut sprichst oder dich bewegst, um einen Täter einzuschüchtern oder von der Tat abzuhalten. Mach klar, dass Gewalt keine Privatangelegenheit ist. Manchmal sind die Täter offensichtlich stärker und zu jeder Art von Gewalt bereit. Achte auf räumliche Distanz zum Täter und sprich das Opfer an: „Kommen Sie her zu uns, wir helfen Ihnen!““
Regel zwei erinnert daran, den Notruf 110 zu wählen. Regel drei lautet „Hilfe holen“. Die Präventionsspezialisten erklären dazu: „Häufig passiert es am helllichten Tag und unter aller Augen. Mitten in der Fußgängerzone. Beim Einkaufen. Oder in einer belebten Straßenbahn: Ein Mensch wird bestohlen, beraubt, bedroht oder gar geschlagen. Viele haben es gesehen, doch die meisten wenden sich einfach ab. Dabei hätte Schlimmeres so einfach verhindert werden können – indem nämlich alle gemeinsam eingeschritten wären.“ Der Ratschlag lautet: „Warte nicht darauf, dass „schon irgendjemand irgendetwas unternehmen“ wird. Reagiere als Erster – und mache andere gezielt auf die Situation aufmerksam.“
Merkmale einprägen
Regel Nummer vier besagt, dass Zeugen sich Tätermerkmale wie Größe, Haarfarbe, Kleidung, eventuell Autokennzeichen einprägen sollen.
Regel Nummer 5 bezieht sich auf eine eventuelle Erste Hilfe. „Kümmere dich unverzüglich um verletzte Personen und alarmiere den Rettungsdienst“, heißt es dazu.
Regel Nummer sechs ermutigt Zeugen dazu, bei der Polizei auszusagen, denn: „Viele Täter kommen ohne Strafe davon, weil sich Zeugen nicht bei der Polizei melden. Sei es aus Angst, Zeitmangel oder einfach aus Bequemlichkeit.“
Außenstelle des Weissen Rings
Wer bereits von Gewalt betroffen gewesen ist, kann sich beispielsweise im Kreis Freudenstadt an die Außenstelle des Weißen Rings wenden. Bubenitscheck sagt: „Wir begleiten Opfer von Gewalt, hören sie an, geben Soforthilfen wie etwa anwaltliche Beratung, die Begleitung beim der Aufgabe von Anzeigen und zu Gerichtsverfahren.“ Der Weiße Ring sei gut vernetzt. „Wir verstehen uns als Lotsen“, sagt der Präventionsbeauftragte.