An der Alten Kelter in Fellbach fand die Lösegeldübergabe statt Foto: Peter Petsch

Der 49 Jahre alte Mann aus Stuttgart, der im April in Fellbach einen siebenjährigen Jungen entführt hatte, hat vor dem Landgericht Stuttgart ein Geständnis abgelegt. Er sagt, er sei verzweifelt und frustriert gewesen.

STUTTGART/FELLBACH - „Ich habe dem Kind nie etwas Schlimmes antun wollen“, sagt der Mann, der am 19. April dieses Jahres einen siebenjährigen Jungen in Fellbach entführt und 150 000 Euro von den Eltern erpresst hat. Enttäuschung, Frustration, Verzweiflung und Geldnöte führt der 49-jährige Portugiese aus Stuttgart als Motiv für seine Tat an. Vor der 17. Strafkammer des Landgerichts legt er am zweiten Prozesstag ein umfassendes Geständnis ab.

Eigentlich sei der Vater schuld an der Entführung seines Sohnes – und doch nicht. „Eine Verwechslung“, so der Angeklagte. Der Vater des Jungen ist Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens im Rems-Murr-Kreis. Bei dieser Firma hatte der Portugiese immer wieder um eine Arbeitsstelle ersucht, nachdem er seinen Job bei einer Reinigungsfirma verloren hatte. Der Angeklagte hatte sich offenbar gute Chancen ausgerechnet. Schließlich war die frühere Firma, für die der 49-Jährige 22 Jahre lang im Lager geschafft hatte, in regem Kontakt mit dem Unternehmen des Vaters gestanden.

An seiner alten Arbeitsstelle habe regelmäßig ein Mitarbeiter der Firma des Vaters geschäftlich zu tun gehabt. Dieser Mann sei sehr freundlich gewesen. Und diesen Mann habe er für den Chef gehalten. Deshalb die Bewerbung, die aber abschlägig beschieden worden war. Das hat der bisher unbescholtene Portugiese nicht verkraftet. Über Monate hinweg wurde er immer wieder bei dem Unternehmen vorstellig – er wollte unbedingt ein Gespräch mit dem Mitarbeiter, den er fälschlich für den Chef hielt.

Zu allem Übel plagten den 49-Jährigen Beziehungsprobleme. Seine Freundin sei eine „Luxusfrau“, er habe ihr nicht genug bieten können. Sie habe Edelsteine und einen Jaguar gewollt – er war arbeitslos und fuhr Opel. „Ich wollte sie nicht verlieren“, so der geschiedene, zweifache Vater.

Als er wegen Krankheit seinen Reinigungsjob verloren hatte, reifte in ihm der Plan für die Entführung. Schließlich sei er von der Firma des Vaters des Jungen schlecht behandelt worden. Also folgte er der Mutter des Jungen, als sie ihn zur Schule brachte. Sechs Wochen vor der Entführung fotografierte er den Siebenjährigen heimlich an der Schule in Fellbach und begann, Erpresserbriefe zu entwerfen. Am Morgen des 19. April setzte er seinen Plan in die Tat um.

Er lockte den Buben vor der Schule in seinen Opel. Kurz darauf erreichte die Eltern der erste Anruf: „Wir haben ihren Sohn. Wenn etwas schief läuft, bekommen Sie ihren Sohn nix mehr.“ Zu dieser Zeit hatte er bereits einen Brief am Auto der Mutter deponiert. Man wolle erst 150 000, dann noch einmal 450 000 Euro. Sonst lande der Sohn in einer „Brennanlage“, so dass nur Pulver übrig bliebe.

Sechs Stunden schwebten die Eltern in Todesangst um ihren Sohn. Nach der Lösegeldübergabe an der Alten Kelter in Fellbach ließ der Mann den Jungen laufen. Am selben Abend wurde er bei seiner Freundin in Esslingen festgenommen. Die Telefonüberwachung der von Anfang an eingeschalteten Polizei hatte gefruchtet.

Er habe nicht mehr weiter gewusst, so der Angeklagte. Er habe einen „Druck im Kopf“ gehabt – keine Arbeit, 25000 Euro Schulden, eine anspruchsvolle Freundin. „Ihr Auto wollten Sie nicht verkaufen. Sie haben lieber eine Entführung gemacht“, sagt Staatsanwalt Rüdiger Fuchs, und: „Was glauben Sie, wie sich die Eltern und der Bub gefühlt haben?“ Der Prozess wird fortgesetzt.