Die Strombranche ist in den vergangenen Jahren kräftig durcheinander gewirbelt worden. Jetzt tut sich eine neue Chance auf – die Elektromobilität. Aber sind die lokalen Verteilnetze tatsächlich auf den Umbruch vorbereitet?
Berlin - Wenn Vertreter der deutschen Stromwirtschaft über den Straßenverkehr der Zukunft sprechen, bekommen sie mitunter glänzende Augen. Denn der Umstieg vom Verbrennungs- zum Elektromotor bietet für die Branche enorme Chancen. Tanken die Kunden künftig verstärkt Strom statt Sprit, ist das schlecht für die Ölkonzerne, aber gut für die Stromfirmen. Außerdem lassen sich rund um die Elektromobilität zahlreiche Dienstleistungen verkaufen, zum Beispiel die Installation und der Betrieb von Ladesäulen oder das intelligente, kostenoptimierte Laden der Autos.
Die Strom-Branche sitzt in Sachen Elektromobilität folglich in den Startlöchern. Das gilt auch für die Betreiber der lokalen Verteilnetze. Sie seien bereit für den zu erwartenden Boom der Elektromobilität, hieß es beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). In den kommenden drei bis vier Jahren dürften die Verteilnetze voraussichtlich ohne weiteres mit einer steigenden Zahl von E-Autos klarkommen, sagte BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer in Berlin. Auf mittlere Sicht seien aber erhebliche Anpassungen erforderlich, etwa im Hinblick auf die Steuerung der Netze und des Verbrauchs. Andernfalls drohe eine Überlastung der Netze. Kapferer schätzt, dass all das mit Investitionen im zweistelligen Milliarden-Bereich einhergehen wird. „Die Strom-Menge ist nicht das Problem“, sagte der Branchenvertreter. Wenn bereits heute zehn Millionen Elektro-Autos auf den hiesigen Straßen unterwegs wären, würde dies den gegenwärtigen Stromverbrauch des Landes nur um vier bis fünf Prozent erhöhen.
Nur geringer Mehrverbrauch
Zehn Millionen Elektro-Pkw – das ist eine Zahl, die Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) unlängst ins Spiel gebracht hatte. Er geht davon aus, dass bis 2030 hierzulande so viele E-Autos im Einsatz sein müssen, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Darüber hinaus brauche es 500 000 Elektro-Nutzfahrzeuge.
Von solchen Werten ist das Land freilich noch weit entfernt. Der Markt für E-Autos wächst zwar mit Riesenschritten, aber immer noch auf sehr niedrigem Niveau. Eigentlich hatte die Bundesregierung bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen wollen. Doch daraus wurde bekanntlich nichts. Anfang des Jahres gab es hierzulande erst 83 200 reine Stromer und 341 400 Hybrid-Pkw. Es fehlt unter anderem an Lade-Einrichtungen.
Unabhängig davon gehen die Autohersteller und die Elektrizitätsbranche davon aus, dass die Elektromobilität in den kommenden Jahren deutlich Fahrt aufnehmen wird. Daimler, VW und BMW wollen Milliarden in diese Technologie investieren und zahlreiche neue Modelle auf den Markt bringen. Wegen strenger Klima- und Umweltschutzgesetze in Europa und China stehen die Autohersteller unter Druck, den Abschied von Benzin und Diesel einzuläuten.
Neue Pilotprojekte geplant
Die lokalen Stromnetz-Betreiber versuchen bereits jetzt, den erwarteten E-Auto-Boom in ihre Geschäftsstrategie zu integrieren. Um Erfahrungen in diesem Feld zu sammeln, hat die EnBW-Tochter NetzeBW in Ostfildern bei Stuttgart das Pilotprojekt „E-Mobility-Allee“ aufgesetzt. In einer Straße mit Einfamilienhäusern wurden mehrere Haushalte mit Elektrofahrzeugen und Ladestationen ausgestattet. Es geht darum, das Kundenverhalten zu untersuchen, Hardware und Ladeverfahren zu testen und Zustand des Netzes zu analysieren.
Dabei habe sich bereits gezeigt, dass die Herausforderungen und Investitionen „beherrschbar“ seien, sagte der technische Geschäftsführer der NetzeBW, Martin Konermann, in Berlin. Um das Stromnetz für die Elektromobilität zu ertüchtigen, wolle das Unternehmen bis zum Jahr 2025 rund 500 Millionen Euro zusätzlich investieren. In den kommenden Monaten sollen bei NetzeBW weitere Vor-Ort-Projekte starten – eines in einem Mehrparteienhaus mit Tiefgarage und eines im ländlichen Raum. Darüber hinaus soll ein Neubaugebiet für die Elektromobilität vorbereitet werden.