Aktivisten demonstrieren gegen das Atommüll-Endlager Gorleben. Auch die niedersächsischen Grünen würden Gorleben am liebsten von vornherein aus dem Rennen nehmen. Foto: dpa

Verhandlungen über neue Endlagersuche drehen sich jetzt um Moratorium für umstrittenen Salzstock.

Stuttgart/Berlin - Bund und Länder stehen an diesem Donnerstag in ihren Verhandlungen über eine neue Endlagersuche für hoch radioaktive Abfälle vor einer einschneidenden Weichenstellung. Es geht um die Frage, ob der umstrittene Salzstock Gorleben in die Suche nach Standorten grundsätzlich einbezogen wird oder nicht. Und um die Entscheidung, ob die 2010 wieder aufgenommenen Erkundungsarbeiten ruhen sollen.

Die grün-rote Stuttgarter Landesregierung, die den erneuten Suchlauf maßgeblich angestoßen hat, hätte am liebsten eine blütenweiße Landkarte. Regionen, in denen ein Endlager von vornherein ausgeschlossen ist, sind ihrer Ansicht nach unzulässig. Vielmehr sei eine Suche „ohne Vorbedingungen“ notwendig, sagt Grünen-Umweltminister Franz Untersteller.

Allein Kriterium Sicherheit künftig maßgeblich

Deshalb hat er in einem Eckpunktepapier vom vergangenen November alle infrage kommenden Gesteinsformationen berücksichtigt: „Als potenzielle Wirtsgesteine werden Steinsalz, Ton und Granit berücksichtigt“, heißt es dort. Granit steht dabei für den Schwarzwald, Ton für den Hochrhein – und Salz für das Wendland. Allein das Kriterium der Sicherheit soll künftig maßgeblich sein. Darauf haben sich auch Bund und Länder in ihrem Endlager-Fahrplan Mitte Dezember geeinigt.

Die niedersächsischen Grünen jedoch würden Gorleben am liebsten von vornherein aus dem Rennen nehmen. „Alles, was wir von Gorleben wissen, verbietet es, dort noch einen Millimeter weiter zu erkunden und noch einen Euro mehr für sinnlose Analysen zu verschwenden“, meint Landeschefin Anja Piel. Atomkraftgegner argumentieren, Gorleben sei „verbrannt“.

Einem Bericht des NDR zufolge geben Bund und Ländern diesem Drängen allerdings nicht nach, sondern belassen den Salzstock grundsätzlich im Pool der zu prüfenden Standorte. Der Sender beruft sich dabei auf einen ihm vorliegenden Brief der SPD-geführten Bundesländer.

„Gorleben bleibt Vergleichsstandort“

Das ist auch im Interesse der grün-roten Stuttgarter Landesregierung, deren Ministerin Silke Krebs an diesem Donnerstag an den Verhandlungen in Berlin teilnimmt. Das heißt nicht, dass Grün-Rot nicht ebenfalls hofft, dass Gorleben ausscheidet – allerdings in einem geordneten Prüfverfahren. Auch im gemeinsamen Papier der Bund-Arbeitsgruppe vom Dezember heißt es: „Gorleben bleibt Vergleichsstandort.“ Es gebe aber auch keine Vorfestlegung auf Gorleben als Tiefenlagerstandort.

Eine andere Frage ist, ob man bis dahin die Erkundungsarbeiten in Gorleben stoppt oder nicht. Die frühere grün-rote Bundesregierung hatte ein solches Moratorium zwar zehn Jahre lang durchgesetzt, CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen erklärte jedoch im März 2010, er gebe dem Standort Gorleben Priorität und nehme die Erkundung des Salzstocks wieder auf. Ein erneutes Moratorium wäre also eine kleine Sensation.

Ursprünglich andere Standorte bevorzugt

Umstritten ist bei den Verhandlungen in Berlin auch die Frage, welche Rolle das Bundesamt für Strahlenschutz künftig hat. Das Bundesumweltministerium hatte vorgeschlagen, dass ein neu zu gründendes Bundesinstitut die Endlagersuche organisieren soll. Umweltschützer wollen an diesem Donnerstag dem Bundesumweltminister 60.000 Unterschriften für den vollständigen Abbruch der Erkundungen überreichen. Auch eine Menschenkette um das Ministerium ist geplant.

Seit fast zwei Jahren geht ein Untersuchungsausschuss im Bundestag der Frage nach, ob Gorleben allein durch politischen Druck als Standort für ein Endlager favorisiert wurde. Wie aus Akten der 70er Jahre hervorgeht, wurden ursprünglich nämlich ganz andere Standorte bevorzugt.

Kritik richtet sich gegen alle Regierungen, auch die Bundeskanzlerin und frühere Umweltministerin Angela Merkel (CDU) ist davon nicht ausgenommen. Die Linksfraktion im Bundestag veröffentlichte Anfang Februar mehrere Dokumente, die belegen sollen, dass Merkel die Öffentlichkeit in Bezug auf Gorleben „vorsätzlich getäuscht“ habe. Nach Einschätzung der Linksfraktion konnte es Merkel nicht verborgen geblieben sein, dass „ihr Standort“ den Anforderungen nicht genügt habe. Auch die Grünen bezeichneten Merkels Schlussfolgerungen zu Gorleben als höchst sonderbar.