Im Mai 1945 kehrte Familie Trotter aus Sulz in ihre Heimat zurück. Aufgenommen wurde das Bild vor dem Gasthaus Ochsen in Grafenhausen. Foto: Arbeitskreis Historie

Französische Truppen marschierten im April 1945 in Kappel-Grafenhausen ein. In der Bevölkerung herrschte zu dieser Zeit große Angst.

Es war ein heißer Frühlingstag, als am 19. April 1945 die französischen Truppen mit ihren Panzern in Kappel-Grafenhausen einrollten. Pfarrer Wilhelm Keller hatte zum Zeichen der Kapitulation eine weiße Flagge am Pfarrhaus gehisst und mit den Soldaten Verhandlungen geführt. Weil sich viele der zurückgebliebenen Bürger in Kellern aufhielten, wurden sie aufgefordert, ihr Versteck zu verlassen. Einige bekamen es dabei mit der Angst zu tun, als man aus den Panzerlucken die Marokkaner, die Teil der französischen Truppen waren, sah. Für viele die Deutschen war es nämlich das erste Mal, dunkelhäutige Menschen zu sehen. Viele der französischen Soldaten kamen jedoch auch aus dem benachbarten Elsass und sprachen deutsch. Sie alle waren sehr durstig und verlangten zu trinken. Man reichte Wasser und im Mostkrug wurde Apfelwein aus dem Kellerfass angeboten.

 

Unter den Dorfbewohnern herrschte während der Besatzung große Angst. Dass diese nicht unbegründet war, macht eine Überlieferung des Zeitzeugen Norbert Ibach deutlich. So hatte eine Frau das Motorrad ihres Mannes in einer Räucherkammer bei Bekannten versteckt. Irgendwie kamen die Franzosen dahinter und holten das Motorrad heraus. Ein Soldat fuhr damit durch das Dorf und ließ die Frau unter gezogener Waffe nebenher rennen.

Frauen verkleideten sich als Nonnen, um nicht vergewaltigt zu werden

Vor allem die weibliche Jugend hatte Angst vor Vergewaltigungen. So ging ein Vater zu den Nonnen in das Schwesternhaus und bat um Hilfe für seine Tochter. Diese erhielt infolgedessen ein Gewand, um sich zum Schein als Glaubensschwester zu verkleiden. Zu Fuß ging man anschließend ins Schwesternhaus und sah, wie einige der Marokkaner ihre Füße im Bach baumeln ließen. Als die Soldaten die beiden Frauen in Nonnengewändern entdeckten, sprangen sie aus dem Wasser. Ängstlich gingen die beiden Frauen weiter und staunten, als die Soldaten plötzlich auf die Knie fielen und ehrfurchtsvoll das Kreuzzeichen machten. Erleichtert und mit schnellen Schritten erreichten die beiden „Nonnen“ das Schwesternhaus. Drei bis vier junge Frauen versteckten die Nonnen dort während der einwöchigen Besatzung, erinnert sich eine weitere Zeitzeugin Hilda Andlauer.

Zahlreiche Wohnhäuser der Gemeinde wurden zerstört. Foto: Arbeitskreis Historie

Im Laufe der Zeit kehrten einzelne Familien aus ihren Einquartierungen bei den Gastfamilien wieder in das Dorf zurück. Auch die ersten Soldaten kamen oft auf abenteuerlichen Wegen nach Hause. Doch von den idyllischen Dörfern, die sie einst verließen, war nicht viel übrig: Damals machte die ländliche Heimat mit seinen prächtigen Fachwerkhäusern und seinen behäbigen Höfen einen so freundlichen Eindruck. Bei der Rückkehr der Soldaten lagen de Straßen jedoch voller Trümmer. Besonders die Kappeler Kirchstraße (heute Rathausstraße) war gezeichnet von lange Reihen von Ruinen und Brandplätzen. Und in der Mitte des Dorfes sowie um den Adlerplatz waren große Lücken entstanden. Auch das Pfarrhaus und die Kirche wurden völlig zerstört.

Über das Schicksal der meisten Soldaten herrschte noch lange Zeit Ungewissheit. Da Bahn- und Postverbindungen bis in den Herbst fehlten, vergingen Monate, bis die ersten Nachrichten aus der Gefangenschaft eintrafen. Noch lange nach Kriegsende erhielten wartende Frauen Trauerbotschaften über den Tod ihrer Männer. Erst am 4. Januar 1950, also beinahe fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, kehrte der letzte Soldat aus Grafenhausen, Andreas Anselm, aus der russischen Gefangenschaft nach Hause zurück.

Info – Befehle an die Bevölkerung

Am 21. April 1945 stellten die französischen Besatzer folgende Regeln für die Einwohnerschaft auf: Von 8 Uhr abends bis 7 Uhr morgens darf sich niemand auf der Straße oder außer Hauses begeben. Wer zuwiderhandelt, wird erschossen. In der Zeit von 8 Uhr abends bis 7 Uhr morgens sind alle Fensterläden geschlossen zu halten. Wer deutsche Soldaten versteckt hält, wird erschossen. Alle Partei- oder Militäruniformsstücke und Ausrüstungsgegenstände, Radiogeräte, Fotoapparate, Ferngläser, Waffen und Munition sind sofort im Rathaus abzugeben. Wer bei Kontrollen mit diesen Gegenständen erfasst wird, wird erschossen.

Wer gegen die Besatzungsmacht Verrat übt, wird erschossen. Niemand darf den Ort verlassen. Die Verrichtung landwirtschaftlicher Arbeiten innerhalb der Gemarkung sind von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends gestattet.