Die linke Bundestagsfraktion wird in der kommenden Woche ihre Liquidation beschließen. Wir beschreiben, welche Folgen das hat.
Die Linke hat auf ihrer Fraktionssitzung am Dienstag nach vierstündiger Diskussion eine etwas seltsam anmutende Entscheidung getroffen: Sie hat beschlossen, erst in der kommenden Sitzung in der nächsten Woche ihre Auflösung definitiv zu beschließen. Und erst dann soll für die Liquidation ein festes Datum festgelegt werden. Das Ende der linken Bundesfraktion ist unvermeidlich, da sie aufgrund der zehn Parteiaustritte der Mitglieder des Wagenknecht-Lagers ihren Fraktionsstatus verliert. Dafür wären 37 Abgeordnete notwendig. Nach den Austritten besteht die Rest-Linke im Bundestag aber nur noch aus 28 Parlamentariern. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Stand der Dinge bei den Linken:
Wie lief die Sitzung ab?
Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte die Abtrünnigen gebeten, gar nicht erst zur Sitzung zu erscheinen. Vier kamen dennoch. Klaus Ernst war der Prominenteste, Sahra Wagenknecht ersparte sich den Showdown. Die Gruppe um Wagenknecht hatte beantragt, trotz ihres Austritts noch eine Weile der Fraktion angehören zu können. Offizielle Begründung war, dass damit die notwendige Entlassung der Fraktionsmitarbeiter, das sind etwa hundert, herausgezögert werden könnte.
Nach einem knappen Wortwechsel folgten die Vier dann der Bitte des Fraktionschefs zu gehen. Zur Debatte stand dann die Frage des Zeitpunkts der Liquidation. Es herrschte Einigkeit, wenigstens die nächste Haushaltswoche im Bundestag noch abzuwarten, um der Fraktion Rederechte und volle Handlungsfähigkeit zu sichern. Unter Wahrung aller Fristen zeichnet sich ab, dass die Kündigungen der Mitarbeiter wohl erst zum 31. März wirksam werden.
Was bedeutet der kommende Gruppen-Status der Linken?
Da die Rest-Linke nicht mehr genug Abgeordnete für den Fraktionsstatus hat, kann sie eine Gruppe bilden. Das gilt natürlich auch für das Wagenknecht-Lager. Solche Gruppen hat es in der Geschichte des Bundestags immer wieder gegeben. Sie müssen beantragt werden und dann entscheidet der Bundestag über die Ausgestaltung ihrer Rechte und ihre Ausstattung. Die bisherigen Gruppen hatten ähnliche Rechte und Ressourcen wie eine Fraktion, allerdings nicht im vollen Umfang. Sie konnten Mitglieder in den Ältestenrat und die Ausschüsse entsenden, hatten Initiativrechte vergleichbar denen der Fraktionen, entsprechend ihrer Größe Redezeiten in Debatten und erhielten Mittel für Mitarbeiter und die Büroinfrastruktur. Gruppen konnten bislang jedoch keine namentlichen Abstimmungen verlangen oder beantragen und ein Regierungsmitglied herbeirufen. Deutliche Abstufungen wird es in der finanziellen Ausstattung geben. Die Linksfraktion erhielt 2022 rund 11,5 Millionen Euro staatliche Zuwendungen.
Wie sind die Reaktionen bei Mitgliedern und in Umfragen?
Die Umfragen sehen die Linkspartei zwischen vier und fünf Prozent, also etwa auf dem Stand der Bundestagswahlen. Dass die Ankündigung einer Wagenknecht-Partei der Linken den Todesstoß gegeben hätte, lässt sich also keineswegs sagen. Die Wähler scheinen den Abgang bereits „eingepreist“ zu haben. Parteichefin Janine Wissler sagte unserer Zeitung, es habe „trotz der lange geplanten und medienwirksam inszenierten Austritte deutlich mehr Eintritte“ in die Linkspartei gegeben. Das sei wichtig, „um die Linke zu erneuern und Vertrauen zurückzugewinnen“.
Auch ihr Amtsvorgänger, der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger, berichtet von „wenigen Austritten, die Neueintritte überwiegen“. Die Erwartung an der Basis sei es, „dass wir die Thematik schnell abschließen, in der kommenden Woche einen guten Parteitag machen und dann kraftvoll ins neue Jahr starten“.
Wie ist die Strategie der Parteiführung?
„Die Partei wird sich in Zukunft wieder stärker den politischen Inhalten widmen und ihrer Verantwortung nachkommen können – das ist der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit in diesem Land“, sagte Janine Wissler unserer Zeitung. Aufgabe der Linken sei es, „zu zeigen, es ist genug da, es muss nur anders verteilt werden.“