Mit einer mehrjährigen Haftstrafe sowie mit der Einziehung der Drogengewinne endet ein Prozess vor dem Landgericht Konstanz. Foto: SecondSide – stock.adobe.com

Nach drei Verhandlungstagen endete am Landgericht Konstanz der Prozess gegen einen 34-Jährigen Familienvater aus einer Umlandgemeinde im Raum Villingen-Schwenningen mit einer mehrjährigen Haftstrafe sowie mit der Einziehung der Drogengewinne aus dem umfangreichen Drogenhandel mit 55 Kilogramm Marihuana und einem Kilogramm Kokain.

Villingen-Schwenningen - Hunderte ähnliche Verfahren des nun nicht mehr existenten Krypto-Messengers EncroChat (wir berichteten) sind derzeit bundesweit anhängig oder bereits abgeschlossen.

Trojaner platziert

So wie dieses Verfahren, dürften einige der vergleichbaren Fälle wohl in Revision gehen und beim Bundesgerichtshof überprüft werden. Strittig sind wohl die Umstände, wie die Inhalte des verschlüsselten Chats den deutschen Ermittlungsbehörden zugänglich gemacht wurden. Den französischen Ermittlungsbehörden war es gelungen, einen Trojaner auf dem Server des verschlüsselten Messenger-Dienstes zu platzieren und so die Kommunikation unter den Nutzern auszuspähen.

Schwerer Schlag gegen Kriminelle im Bundesgebiet

Diese Maßnahme sollte sich nun für die kriminellen Chat-Nutzer, sowie auch für den 34-jährigen Angeklagten, als schwerer Schlag darstellen. Denn auch Kommunikationsinhalte von im Bundesgebiet wohnenden EncroChat-Nutzern wurden durch die französischen Behörden der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sowie dem Bundeskriminalamt zur Verfügung gestellt. Und hier besteht bei den Verteidigern der betroffenen Angeklagten offensichtlich die Rechtsansicht, dass die Weitergabe sowie die folgenden Auswertungen den deutschen Rechtsvorschriften widersprechen.

Verteidigung stellt erneut Beweisanträge

Zu Beginn des letzten Prozesstags stellten, wie an den beiden Verhandlungstagen zuvor, die Rechtsanwälte Frank und Raich an die Kammer erneut mehrere Beweisanträge. Die den gesamten Prozess prägenden Anträge, mit der Zielrichtung eines Beweisverwertungsverbots, hoben insbesondere darauf ab, dass die Authentizität der Chat-Inhalte angezweifelt wird und dass die deutschen Ermittlungsbehörden die Chat-Protokolle wegen fehlender richterlicher Beschlüsse hätten nicht auswerten dürfen. Weiter forderten die Verteidiger das Einholen von diversen Aktenbestandteilen sowie das Vorladen von weiteren Zeugen der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft sowie des Bundeskriminalamtes.

Vereidigung fordert die Vorladung einer britischen Ermittlerin

Jetzt sollte auch noch eine Ermittlerin aus London zur Anhörung vorgeladen werden. Nach einer Sitzungsunterbrechung verkündete die Kammer durch den Vorsitzenden Richter Hornstein, dass die Beweisanträge der Verteidigung zur Amtsaufklärung nicht notwendig sind. "Die Kammer hat ausreichend Geduld entgegengebracht", so der Vorsitzende Richter und wies auch den prompt folgenden Antrag der Verteidigung, für eine weitere Sitzungsunterbrechung zur Prüfung dieses Kammerbeschlusses, zurück.

Anklagepunkte haben sich voll umfänglich bestätigt

Staatsanwalt Pankratz von der Staatsanwaltschaft Konstanz zeigte in seinem Plädoyer auf, dass es sich beim 34-jährigen Angeklagten nicht etwa um einen kleinen Drogenabnehmer handelt, sondern dass die erheblichen Mengen von 55 Kilogramm Marihuana und einem Kilogramm Kokain eher auf einen schwunghaften Handel mit großen Gewinnen hindeuten. Unter Zugrundelegung einer Berechnung mit den festgestellten Mengen und den daraus resultierenden Gewinnen dürfte der Angeklagte mindestens 302 500 Euro erzielt haben. Nicht nur die EncroChat-Inhalte würden den Angeklagten belasten, sondern auch die damit einhergehenden Indizien und Notizbücher sowie die Ermittlungsergebnisse untermauern eine eindeutige Übereinstimmung.

Als strafmildernd wertet der Staatsanwalt, dass der 34-jährige bislang noch nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Abschließend forderte Staatsanwalt Pankratz eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sowie die Vermögenseinziehung in Höhe des angenommenen Gewinns aus dem Drogenhandel.

Verteidiger fordern Freispruch für ihren Mandaten

Rechtsanwalt Frank beschrieb seinen Mandanten als einen bislang unbescholtenen Mann, der unberechtigt ins Visier von Ermittlern geraten sei und forderte einen Freispruch. "Die deutschen Behörden hätten für die Einleitung der Ermittlungen frühzeitig entsprechende, richterliche Beschlüsse einholen müssen", beanstandete der Verteidiger. Denn ohne die Verwertung der EncroChat-Daten wäre sein Mandant nie in dieses Verfahren gekommen. Auch hätten die Chat-Inhalte in diesem Verfahren nicht verwendet werden dürfen. "Unserer Ansicht nach ist es unterblieben, dass den noch offenen und entscheidenden Fragen nachgegangen wurde", resümierte Rechtsanwalt Raich abschließend in seinen Ausführungen.

Urteil knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft

Die Schwurgerichtskammer blieb in ihrem Strafmaß ein halbes Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. "Wir sind uns einig, dass der BGH hier das letzte Wort haben wird", so der Vorsitzende Richter Hornstein in seiner Urteilsbegründung. Wobei er auch gleich den Hinweis gab, dass erste Einschätzungen des Bundesgerichtshofes in dieser Rechtsthematik darauf hindeuten, dass die erlangten Chat-Inhalte nicht unter ein Beweisverwertungsverbot fallen dürften und die Kammer in diesem Verfahren auch keine Verwertungsproblematik gesehen hat.

Konkret zum Verfahren bewertete die Kammer in der Gesamtschau, dass die Inhalte der Beweisaufnahme gegen den Angeklagten sprechen. "Die Vorgehensweise des 34-Jährigen zeigt ein gut organisiertes, konspiratives Vorgehen mit entsprechender, krimineller Energie", so der Vorsitzende Richter und ordnete an, dass der errechnete Gewinn aus dem illegalen Drogenhandel, immerhin beachtliche 302 500 Euro, eingezogen wird. "Aus den zur Last gelegten Mengen an Rauschgift konnten letztlich tausende von Konsumeinheiten gewonnen werden", so der Vorsitzende Richter zur Berechnung des Einziehungsbetrags.

Verteidigung dürfte in Revision gehen

Rechtsanwalt Frank ließ nach der Urteilsverkündung mit entsprechenden Bemerkungen durchblicken, dass davon auszugehen ist, in Revision zu gehen. Ansonsten hätte man nicht so ausführlich die gestellten Beweisanträge in das Verfahren eingebracht.