Im Landtag kommen die 15 Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum umstrittenen EnBW-Deal zu ihrer ersten, nichtöffentlichen Arbeitssitzung zusammen. Ex-Ministerpräsident Mappus wird als erster aussagen. Foto: dapd

Über 100 Aktenordner, 50 Zeugen, viele Fragen: Auf EnBW-Untersuchungsausschuss kommt reichlich Arbeit zu.

Stuttgart - Die Stimmung ist so frostig wie das Wetter. Freitagmorgen, 10 Uhr: Im Landtag kommen die 15 Mitglieder des Untersuchungsausschusses zum umstrittenen EnBW-Deal zu ihrer ersten, nichtöffentlichen Arbeitssitzung zusammen. Was nach draußen dringt, entspricht den Außentemperaturen jenseits der Landtagsmauern. „Wir haben uns in die Wolle bekommen“, räumt Andreas Glück (FDP) später ein.

Es geht um die Akten zu dem Geheim-Deal, mit dem der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) im Dezember 2010 den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW im Alleingang besiegelt hatte. Seit Wochen hatten Grüne und SPD kritisiert, es gebe von damals praktisch keine Unterlagen. Mappus hatte das stets bestritten.

Nicht jeder verfügte über gleiche Informationen

Nun stellt sich heraus: Allein bei der beratenden Anwaltskanzlei Gleiss Lutz gab es 107 Aktenordner, in den Ministerien sind weitere sieben Ordner, die beteiligte Investmentbank Morgan Stanley stellte 15.000 Blatt in einen virtuellen Datenraum. Das Problem: Nicht alle Beteiligten verfügten bisher über das gleiche Informationsmaterial. Der beste Beweis: jene ominöse E-Mail, um die sich in den vergangenen Tagen ein heftiger Schlagabtausch entwickelt hatte.

In der E-Mail hatte die Kanzlei Gleiss Lutz am 30. November 2010 gegenüber Morgan Stanley versichert, der geplante, fünf Milliarden teure Aktienkauf sei ohne Zustimmung des Landtags möglich. Mappus vertraute darauf – und machte das Geschäft. Eine folgenschwere Fehleinschätzung, denn der Staatsgerichtshof verurteilte den Vorgang als verfassungswidrig. Allein, diese Mail hatten weder Gleiss Lutz noch Morgan Stanley dem Land zur Verfügung gestellt – nach eigenem Bekunden aus Versehen. Aber das glauben selbst wohlmeinende Insider nicht. „Die Kombination von beidem ist schon irre“, musste auch der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) am Freitag zugeben.

„Es gibt nichts Vertrauliches mehr“

Nun also ist die E-Mail da und gehört zu der Flut von Akten. Was die Arbeit des Ausschusses deutlich erleichtern dürfte: Alle Dokumente und Notizen können vom Untersuchungsausschuss verwendet werden. Denn Müller erreichte in Gesprächen mit den damaligen Geschäftspartnern, dass über alles geredet werden darf: „Es gibt nichts Vertrauliches mehr.“ Er habe diese Einigung sehr schnell erzielt, im Unterschied zur Landesregierung, die sich ja „außerordentlich sperrig gezeigt“ habe bei der Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtungen.

Grün-Rot hatte über Wochen hinweg geprüft, was in dem Untersuchungsgremium überhaupt öffentlich stattfinden darf. CDU und FDP hatten der Regierung deshalb den Vorwurf gemacht, den Ausschuss dazu verwenden zu wollen, die alte Regierung vorzuführen.

Doch Grünen-Obmann Ulrich Sckerl mochte solche Vorwürfe am Freitag nicht gelten lassen. Die Opposition wolle da „lauter Nebelbomben“ werfen, um „die eigentliche Aufklärungsarbeit zu unterbinden“. Auch sein SPD-Kollege Andreas Stoch warnte CDU und FDP: „Es geht jetzt darum, den kompletten Sachverhalt von damals aufzuklären.“ Andreas Glück (FDP) wollte da nicht widersprechen: „Wir stehen für eine umfassende Aufklärung zur Verfügung.“ Sein CDU-Kollege Volker Schebesta sah es genauso. Nun, nachdem alle Unterlagen öffentlich zugänglich seien, gebe es eine „gute Grundlage für Transparenz“.

Ob EdF-Chef auch aussagt, ist fraglich

Knapp 50 Zeugen will man laden. Auftakt ist am 9. März mit Mappus und seinem Freund, Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis. Am 30. März folgt die halbe ehemalige Landesregierung: Staatsminister Helmut Rau, der mit Mappus den Deal einfädelte, auch der seinerzeitige Finanzminister Willi Stächele, der qua Amt die Umgehung des Landtags unterschreiben musste. Aber auch die Ex-Minister Tanja Gönner, Ernst Pfister, Ulrich Goll, Ex-Staatssekretär Hubert Wicker sowie Mappus’ Medienberater Dirk Metz sollen sagen, was sie wussten.

Auf Antrag der Opposition werden in der Folge auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Staatsministerin Silke Krebs sowie Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) im Zeugenstand auftreten. Darüber hinaus will man die Vertreter von Gleiss Lutz über die damaligen Verhandlungen befragen. Ob es auch gelingt, EdF-Chef Henri Proglio nach Stuttgart zu bringen, scheint fraglich.

Mappus hatte mit ihm über den Abkauf der EnBW-Anteile verhandelt, und Proglio hatte – soweit bekannt – darauf bestanden, dass der Landtag nicht in die Entscheidung eingebunden werde. Ob Proglio diese Aussage in Stuttgart wiederholen und damit Mappus’ Version bestätigen würde? Das Problem: Ausländische Zeugen können nicht zu einer Aussage in Deutschland gezwungen werden. Die möglichen Alternativen: eine schriftliche Stellungnahme oder eine Reise des Ausschusses nach Paris.