Der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus. Foto: dpa

Als der umstrittene EnBW-Deal auf Kippe stand, drohte Land mit Einschaltung von Merkel.

Stuttgart - Wer schon einmal auf einem Basar war, der weiß: Da wird gefeilscht, geblufft, gepokert. Nun wäre es vermessen, den Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW) im Dezember 2010 mit dem Einkauf auf einem Basar zu vergleichen. Aber je länger der Untersuchungsausschuss des Landtags versucht, den fünf Milliarden Euro teuren Aktiendeal von damals aufzuklären, desto mehr wird deutlich, wie Verkäufer (also der französische Staatskonzern EdF) und Käufer (also die Regierung um Stefan Mappus) damals miteinander umgegangen sind. Der neueste Beleg ist vertraulichen Akten zu entnehmen, die die Investmentbank Morgan Stanley jetzt dem Untersuchungsausschuss übergeben hat und die unserer Zeitung vorliegen.

Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis hatte Ministerpräsident Mappus bei dem Geheimgeschäft quasi Tag und Nacht beraten und die Verhandlungen mit der EdF geführt. Irgendwann wurde es Notheis zu bunt. Also schrieb er am 3. Dezember, nur drei Tage vor dem Vertragsabschluss, eine wütende E-Mail an die EdF und seinen Bankkollegen Rene Proglio in Paris. Tenor der Depesche: Weitere Nachforderungen werde man nicht akzeptieren, notfalls lasse man den Deal eben platzen. Und damit die Herren in Paris auch spürten, wie ernst man es in Stuttgart meinte, fügte Notheis folgende Sätze in Englisch hinzu: „If the prime minister realizes that games are played here, I can quarantee for nothing. If he goes bozo he might even make this all public and you can be asured that Angela will put a call into the Elysee. Don’t underestimate the power of the guy. He controlls 30 % of the party delegates and can kill Angela with his troops.“ Frei übersetzt: Mappus sei das Spielchen jetzt leid. Er, Notheis, könne für nichts garantieren, wenn Mappus durch die Decke geht, letztendlich werde Mappus dann Bundeskanzlerin Merkel darum bitten, im Elysée-Palast in Paris anzurufen, um den Deal mit Nikolas Sarkozy abzusegnen. Und niemand solle die Autorität von Mappus unterschätzen, immerhin stehe hinter ihm die starke Südwest-CDU, die mit ihren Truppen Merkel leicht in Bedrängnis bringen könne.

Mail als weiterer Beleg, wie hart Notheis, Mappus und Co. um Aktienpaket gerungen haben

Die einen interpretieren das als klare Drohung, andere sehen darin eine Selbstüberschätzung. Auf jeden Fall ist die Mail ein weiterer Beleg dafür, wie hart Notheis, Mappus und Co. damals um das Aktienpaket gerungen haben. Überhaupt, die internen E-Mails zwischen den damals Beteiligten, die jetzt in drei Aktenordnern zusammengefasst worden sind, gewähren tiefe Einblicke in die Vorbereitung des Deals und das Verhandlungsklima. Demnach war es Notheis selbst, der bereits am 17. November in einer E-Mail an Mappus schrieb, man brauche für den Deal noch einen herausragenden Anwalt. Als Adresse schlug er pikanterweise die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz vor – also jene Anwälte, die nun behaupten, man habe Mappus und Notheis damals vor dem verfassungsrechtlichen Risiko des Geschäfts gewarnt. Mappus hat das bekanntlich inzwischen als „unwahr“ bezeichnet.

Ähnlich interessant ist eine E-Mail vom 26. November 2010. Es ist jener Tag, an dem Mappus und EdF-Chef Henri Proglio in einer Telefonschaltkonferenz offenbar den Kaufpreis absegnen, nachdem sie erstmals am 10. November darüber beraten hatten. Notheis bereitete Mappus für jenes Telefonat minuziös vor. Die zentrale Botschaft: Mappus solle Proglio einen Preis von 39,90 Euro pro Aktie vorschlagen. So kommt’s dann auch, zwei Tage später ist der Preis bei 40 Euro plus Dividende von 1,50 pro Aktie fixiert. Im Untersuchungsausschuss hatten alle Beteiligten zuletzt betont, der Kaufpreis sei erst am 6. Dezember klar gewesen.

Die Rätsel über die Abläufe in jenen Tagen halten also an. Notheis hat inzwischen dem Untersuchungsausschuss einen sechsseitigen Brief geschrieben, in dem er seine Zeugenaussage vor dem Ausschuss von Ende März „ergänzt bzw. klarstellt“ und Abläufe von einst präzisiert. Er wolle „Missverständnisse vermeiden“. Grünen-Obmann Uli Sckerl glaubt ihm nicht und hält Notheis vor, sich bei der Aussage im Ausschuss in „zahllose Widersprüche verstrickt“ zu haben. „Wir müssen davon ausgehen, dass er vor dem Ausschuss die Unwahrheit gesagt hat“, so Sckerl. So weit will man bei der CDU nicht gehen. Aber auch dort wächst das Unbehagen. „Der Brief von Herrn Notheis ist legitim. Ob er richtig ist, ist eine Bewertungsfrage“, sagt der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU). Soll heißen: Was Notheis jetzt mitgeteilt hat, hätte er schon im Zeugenstand sagen können. Oder müssen.