Die Frauen mögen das Treffen in der Wiesenstetter Backküche. Fotos: Müssigmann Foto: Schwarzwälder Bote

Tradition: In Wiesenstetten wird jeden zweiten Freitag der Ofen angeschaltet / Frauen bringen ihren Brotteig

Früher hatten viele Dörfer Backhäuser, doch die Tradition, gemeinsam Brot zu backen, ist selten geworden. In Wiesenstetten wird sie noch gepflegt. Die Frauen, die heute ihr Brot ins Backhaus bringen, waren schon mit ihren Müttern hier.

Empfingen-Wiesenstetten. Immer der Nase nach – so findet man in Wiesenstetten das Backhaus. Der köstliche Duft frisch gebackenen Brotes zieht an jedem zweiten Freitag in Wiesenstetten um die Ecke des Rathauses auf die Hauptstraße. In der Backküche sitzen ein Dutzend Frauen auf der Eckbank und warten darauf, dass der Ofen die richtige Temperatur hat. Ihren Brotteig haben sie in Tupperschüsseln und Backformen mitgebracht. Die Temperaturen am Ofen hat Backfrau Maria Dietz – seit 1999 im Amt und von den Frauen geschätzt – unter Kontrolle.

Sie ist von der Gemeinde angestellt, um den großen Elektroofen in der Backküche zu bedienen und die Brote für die Frauen zu backen. Je Kilo Brot fallen für die Frauen 90 Cent Gebühren an.

"Es schmeckt besser und sättigt anders", sagt Elisabeth Pfister (58) über ihr selbst gebackenes Brot, das sie seit 15 Jahren in die Backküche bringt. Schon als Kind hat sie hier das Brot ihrer Mutter zum Backen hergebracht und wieder abgeholt. Sie backt Bauernbrot und Körnerbrot, benutzt Biomehl dafür und für die Feuchtigkeit Buttermilch und Quark oder Joghurt. 6,5 bis 7 Kilo bringt sie jede zweite Woche in die Backküche. Bei der Frage, ob sie größere Küchenmaschinen besitzen, lachen die Frauen: Sie kneten den Teig von Hand.

Jede Frau hat ihre eigenen Rezepte – an diesem Freitag kommt unter anderem ein Bärlauchbrot und eines mit Sonnenblumenkerne in den Ofen, außerdem viele Bauernbrotlaibe. Auf frischgemahlene Körner schwört Adelinde Hellstern für ihr Brot. Jede zweite Woche mahlt sie donnerstagabends ihre Körner, freitagmorgens knetet sie den Teig, am Nachmittag bringt sie die Laibe ins Backhaus. "Man fragt sich schon manchmal, warum tu ich das?", sagt sie. Aber ihr sei das Brot viel Wert, inzwischen vertrage und möge sie nur noch ihr eigenes.

Aroma entwickelt sich

Die Frauen verwenden alle wenig Hefe für ihren Teig und gönnen ihm mehr Ruhezeit, so könne sich mehr Aroma entwickeln, sagen sie. Und: "Brot braucht Gesellschaft", sagt Hellstern. Im großen Ofen werden mehr als ein Dutzend Brote auf einmal eingeschoben. Das Treffen in der Backküche mögen die Frauen. Da wird nebenbei auch mal Organisatorisches für den Orgelbauförderverein oder die Frauengruppe besprochen, sagen sie.

Früher, als die Familien noch größer und die Backröhren in den heimischen Küchen noch kleiner waren, wurde jede Woche gebacken. Das lohnt sich heute offenbar nicht mehr. Damit der Brotvorrat über zwei Wochen frisch bleibt, frieren die meisten Frauen die Laibe ein.

Seit 50 Jahren backt Marianne Döring (78) im Backhaus – mit einigen Jahren Unterbrechung, als die Kinder das selbst gebackene Brot nicht mehr essen wollten. Inzwischen ist ihre Tochter Jutta Döring (51) wieder "Mitesser und Genießer", wie sie sagt. "Für mich war es ein Muss", sagt Döring übers Brotbacken. "Da hat niemand gefragt, kannst du’s oder kannst du’s nicht?" Sie erinnert sich, dass früher auch viele Frauen von Dommelsberg mit ihren Laiben auf dem Leiterwagen zur Backküche gelaufen sind. Heute kommen wenige junge Familien zum Brot backen – Neulinge seien aber immer willkommen. Am späten Vormittag und nachmittags wird der Ofen je einmal gefüllt.

Als der Ofen die richte Temperatur hat, werden rasch alle Brote hineingeschoben. Dann leert sich die Backküche. Die Frauen nutzen die Zeit für Erledigungen. Maria Dietz ist alleine mit den Broten. Nach 20 Minuten öffnet sie den Backofen, schiebt die Laibe an einen anderen Ort und wirft einen prüfenden Blick darauf. Auf Regalen legt sie aus, was fertig ist.

Die Kostprobe: Außen knusprig, die Kruste schön fest, innen luftig und weich. Ein Genuss.