Charlotte Gutzeit und Rainer Munz präsentierten sich als ein romantisches Tanzpaar. Foto: Scharnowski

Viele Vorführungen verleihen Veranstaltung eine herausragende Note. Der gesunde Menschenverstand leitet.

Empfingen - Knapp 200 Personen konnte Edgar Schwind, der Vorsitzende des Vereins "Von Mensch zu Mensch" zur Feier des zehnjährigen Bestehens begrüßen. Ein solcher Anlass kann etwas ganz Besonderes sein, wenn er von einem ganz besonderen Verein gefeiert wird, dessen Motto lautet: "Von Mensch zu Mensch – von mir zu dir". Das ist so zu verstehen: hilfsbedürftigen Menschen wird mit Leid, Schmerz und Wunden, ob psychischer oder physischer Natur, geholfen. Es soll nicht nur ein Traum oder eine Vision sein, dass Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder Behinderungen selbstbestimmt, würdig und geachtet inmitten der Gesellschaft leben.

Mittlerweile gibt es157 Mitglieder

Vor zehn Jahren wurde der Verein mit 26 Mitgliedern gegründet, die Vorstandschaft besteht bis heute noch aus den gleichen Personen. Zwischenzeitlich sind es 157 Mitglieder, die sich rege für den Verein einsetzen. Mit einem Jahresbeitrag von 25 Euro kommt niemand zu Schaden.

Ein Mitglied erzählt, dass es bei der Gymnastik mit anderen Vertretern des Vereins gesprochen hat und so dazu gekommen ist. Es ist die Mund-zu-Mund-Propaganda, die den Verein bekannt macht.

Es macht Sinn, sich für soziale Projekte einzusetzen; allerdings besteht ein gewisses Misstrauen der Menschen gegenüber großen sozialen Angeboten. Zu oft kommen die Gelder nicht da an, für was sie gedacht sind. Diese Lücke schließt der Verein "Von Mensch zu Mensch". Jeder, der spendet, kann den Zweck und die Ausgaben quasi vor Ort verfolgen.

Vielfach ist die Not bei körperlich oder geistig Behinderten anzutreffen. Oft wiehert der "Amtsschimmel", bis die Behörden in Bewegung kommen, kann viel wertvolle Zeit verloren gehen. Der Verein fühlt sich verantwortlich, da einzuspringen, wo die Hilfe von staatlichen Stellen oder die von sozialen Institutionen und Einrichtungen endet.

Eine der größten Anschaffungen ist die Finanzierung eines telemetrischen EKG-Moduls in elf Notarztfahrzeugen. Mit diesen Geräten kann bei einer akuten Herzerkrankung bereits auf dem Weg in die Klinik eine Diagnose erstellt und diese weiter geleitet werden, so dass im Krankenhaus sofort mit der Therapie begonnen werden kann. Auf diesem Weg können 30 Minuten Zeit eingespart werden, die über Leben und Tod entscheiden können.

Vielfach sind die Hilfen: Delphin- oder Musik-Therapie, Spritzenkur, spezielle Nahrung, Umbau von Wohnungen oder Autos und die Auflockerung des Tagesablaufes in Alten- oder Seniorenheimen. Der Verein ist unkonventionell und arbeitet mit gesundem Menschenverstand.

Dieser Ansicht war auch Bürgermeister Albert Schoner, der ebenfalls Mitglied ist. Es sei der jüngste Verein in der Gemeinde. Er rage durch sein soziales Engagement heraus. Dass sich in einer Gemeinde mit rund 4000 Einwohnern solch ein soziales Netzwerk bilden konnte, erfüllt ihn mit Hochachtung, Respekt und Stolz. Seine Bitte: "Die Gemeinde ist dankbar für die Arbeit im Stillen. Macht bitte weiter so, mindestens noch für zehn Jahre".

Manfred Zach prangert Missstände in der Gesellschaft an

Manfred Zach, ehemaliger Leiter der Verwaltungsabteilung des baden-württembergischen Arbeits- und Sozialministeriums und heutiger Buchautor, umfasste das bürgerschaftliche Engagement und prangerte fehlendes soziales Gewissen an. Allein für Kinder in Syrien werden für Nahrung, Schule, Kleidung und Unterkunft etwa 150 Millionen Euro benötigt, davon wurden bisher 20 Prozent durch soziale Fonds eingebracht. Zum Vergleich: Ein Fußballstar wird mit bis zu 90 Millionen Euro gehandelt. Würden alle Missstände im Hinblick auf die Behindertenrechtskonvention behoben, wäre der Staat bankrott. Die vielfachen Handicaps seien immer noch Gehsteige, Straßen, Busse, Bahnen, öffentliche Gebäude oder Toiletten. Das bürgerschaftliche Engagement sei näher als gedacht: Jeder Dritte spende ein- oder mehrfach, beziehungsweise arbeite an sozialen Projekten mit.

Frisch und doch beklemmend erzählte die Buch-Autorin Petra Levator von ihren Problemen. Sie leidet seit ihrer Jugend an einer schmerzhaften Wirbelsäulenverkrümmung und war lange Zeit "Schmerzpatientin". Wie eng Schmerzen und Depressionen miteinander verbunden sind, schilderte sie aus Erfahrung. Die Odyssee der Therapievorschläge, die häufigen Wechsel der Kliniken und das Unverständnis der Menschen um sie herum schilderte sie eindrucksvoll. Sport hat ihr geholfen. Sie rät jedem Schmerzgeplagten, nach Rücksprache mit dem Arzt, sich einer Sportart zuzuwenden. Sie kennt die vielen "Ausreden", sich zurück zu ziehen, die Angehörigen nicht in die Probleme mit ein zu beziehen, "sich gehen lassen". In ihrem Buch "Tarnkappe" behandelt sie diese Themen eindrucksvoll.

Umrahmt wurde die Veranstaltung von der Band "Handicap"; sie kommt aus der Schwarzwaldwerkstatt Dornstetten. Die Mitarbeiter und Betreuer arbeiten regelmäßig mit den Behinderten, einmal pro Woche ist Probe. Die 15-köpfige Band mit sieben Heimbewohnern spielte locker Schlager und bekam verdienten Applaus.

Dass man mit Behinderung, beispielsweise im Rollstuhl, sehr aktiv sein kann, bewiesen Roland Lörcher und Gudrun Högemann vom VfL Sindelfingen, Abteilung Tischtennis. Gudrun Högemann ist vielfache deutsche Meisterin und aktive deutsche Vizemeisterin im Doppel, Roland Lörcher ist Sportwart und Trainer im VfL. Dann wurde es romantisch mit einem Rollstuhl-Tanz. Das Tanzpaar Charlotte Gutzeit und Rainer Munz vom TC Ludwigsburg zeigte eindrucksvoll, wie harmonisch "Fußgänger" und Rollstuhlfahrer sich zur Musik bewegen können. 13 gemischte Tanzpaare gibt es beim TC Ludwigsburg, alle lieben Musik und Geselligkeit, die Behinderung ist nebensächlich.

Es war eine gelungene, harmonische Veranstaltung. Ganz im Sinne des Vereines war alles dabei: Information, Sport, Geselligkeit, Musik und viel gute Laune.

Info: Gründungsmitglieder

Den Verein "Von Mensch zu Mensch" aus der Taufe hoben die folgenden Personen: Artur und Karin Brendle, Edith Brendle, Elmar und Claudia Brendle, Klaus Brendle, Hans und Helena Deuringer, Gebhard und Ilse Gfrörer, Uwe und Bettina Gfrörer, Waltraud Kämpf, Wolfgang und Doris Kronenbitter, Josef und Ute Pfeffer, Renate Pieckert, Alfred und Christa Schäfer, Edgar, Edelgard, Matthias und Thilo Schwind, Heike Spohn und Ingeborg Weil.

Vorstandsmitglieder seit der Gründung sind Wolfgang Kronenbitter (zweiter Vorstand), Edith Brendle (Kassenwart) und Hans Deuringer (Schriftführer).