Kommunales: Team überrascht Bürgermeister am letzten Arbeitstag / Aktenstapel als Abschiedsgeschenke

Empfingen. Nur noch wenige Stunden als Bürgermeister liegen am Freitagmorgen vor Albert Schindler, als er zwei Gästen, die sich für einen letzten Besuch angemeldet hatten, die Tür des fast verwaisten Rathauses öffnet. Roland Walter und Werner Eggenweiler von der Vereinsgemeinschaft wollen ihm noch einen letzten freundschaftlichen Besuch in der Amtsstube abstatten. "Ich bin immer gerne hergekommen", sagt Eggenweiler. "Aber heute ist mir unwohl, ich habe ein komisches Gefühl im Magen."

Schindler lässt sich Traurigkeit oder Abschiedsschmerz nicht anmerken. Er bringt Zahlen zu seiner Ära. 51 Jahre und einen Monat wird sein Arbeitsleben gedauert haben, wenn es mit Ablauf des Dezembers zu Ende geht. 46 Jahre davon hat er im Empfinger Rathaus verbracht. Am 1. Dezember 1986 ist er, wie er sagt, zum Chef aufgestiegen, also Bürgermeister geworden. Der große Abschied in der Täleseehalle sei eine "hervorragende Veranstaltung" gewesen. "Da haben alle noch mal gezeigt, dass Empfingen als Gemeinde zusammensteht." Das ist sein Stolz.

Als die Vereinsvertreter mit Schindler beim Kaffee sitzen, geht plötzlich die Tür auf und rund ein Dutzend seiner Mitarbeiter kommt hereinspaziert. Was für eine Überraschung: Viele hatten sich schon vor dem Weihnachtsurlaub offiziell von Schindler verabschiedet. "Wir wollten unseren Chef heute am letzten Tag nicht alleine lassen!", sagt Adelinde Hellstern vom Ordnungsamt zum Grund des Überraschungsbesuchs. Mit dabei ist auch die Mitarbeiterin, die am längsten mit Schindler zusammengearbeitet hat: Martina Hellstern hat 32 Dienstjahre mit Schindler im Empfinger Rathaus verbracht.

"Er wird uns fehlen", sagt Adelinde Hellstern. "Er hatte zwischendurch einen Spaß auf den Lippen und war nie abgehoben." Auch Marianne Plicht aus dem Vorzimmer von Schindler fällt der Abschied nicht leicht. "Man hat sich aneinander gewöhnt. Man ist ja mehr im Geschäft als daheim." Plicht hat die Ungewissheit in der Bewerberphase als schlimm erlebt. Sie sei froh, dass die Wahl auf Ferdinand Truffner gefallen ist. "Der weiß, wo es lang geht, egal wie alt er ist."

Die Mitarbeiter haben nicht nur Nusszopf, Brezeln und Sekt mitgebracht, sondern auch kleine Geschenke für "den Chef". Die Schokoladentafel, die in großer Zahl dabei sind, braucht Schindler jetzt nicht mehr in der Schreibtischschublade, sondern in der Satteltasche seines Fahrrads oder im Gepäck bei sonstigen sportlichen Touren.

Am ersten Werktag im neuen Jahr wird er in Bad Hindelang im Allgäu auf Langlaufski stehen, kündigt er an. Den Urlaub zu Jahresbeginn mit dem Sportverein Bad Immnau macht er schon seit Jahren, musste aber immer wegen der Feuerwehrhauptversammlung und eines darauffolgenden Seniorennachmittags früher zurückreisen. "Mein Kalender gehört ab 1. Januar mir", sagt Schindler bestimmt.

Im neuen Jahr werde er außerdem sein Haus aufräumen und die Zeit genießen, die er mit Familie, insbesondere mit den Enkeln – der Kleinste ist gerade mal drei Jahre alt – verbringen kann. Der Ruhestand wird im Französischen als "troisième âge" bezeichnet, wie Schindler von seinen französischen Freunde aus Empfingens Partnerstadt La Roche Blanche weiß. Wörtlich übersetzt bedeutet das so viel wie der dritte Lebensabschnitt. "Wie lange darf man in Rüstigkeit und Gesundheit leben?", fragt sich Schindler. Eine Antwort darauf kann ihm niemand geben.

Geschenke zum Abschied hat auch Schindler im Rathaus verteilt. Mit diebischer Freude fragt er seine Mitarbeiter am Freitag: "Hast du schon deinen Schreibtisch gesehen?" Große Aktenstapel hat er im Haus verteilt. Auf seinem Schreibtisch wird ein Aktenpaket übrig bleiben für Truffner. So aufgeräumt wie jetzt sei das Büro in den letzten Jahrzehnten kein einziges Mal gewesen, gibt Schindler zu. Viel altes Papier – manches davon mehr als 30 Jahre alt – wartet am Schredder im Erdgeschoss auf seine Vernichtung.

Am Morgen des 2. Januar gibt er den Rathausschlüssel ab. Dann ist seine Ära vorbei.

Ins Rathaus wird er zurückkehren, wenn sein Reisepass 2019 ausläuft, sagt er scherzhaft. Ob er es so lange aushält? Vielleicht wird er auch gerufen: Er habe Truffner angeboten, sich mit ihm noch ein mal über die Akten zu setzen und zu erklären, was zwischen den Zeilen steht.