Interview: Der Pfarrer spricht darüber, was ihn am Thema der Bibelwoche – dem Buch Hohelied – fasziniert

Empfingen. Ausführliche Beschreibungen von Liebe und Erotik kennzeichnen das Hohelied in der Bibel. In Empfingen ist das Buch ab Sonntag Thema der ökumenischen Bibelwoche. Im Gespräch mit unserer Zeitung fragt sich Pfarrer Christoph Gruber, ob das Buch in der heutigen Zeit anders verstanden wird als noch vor einigen Jahren.

Warum haben Sie sich dazu entschlossen, für das Thema der Bibelwoche das Hohelied zu wählen?

Solche ökumenischen Bibelwochen werden bundesweit veranstaltet. Die Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste arbeitet hier mit der Deutschen Bibelgesellschaft und dem Katholischen Bibelwerk eng zusammen. Dort wird über das Thema entschieden. Wir übernehmen das dann zusammen mit dem umfangreichen Arbeitsmaterial, das alle Referenten von uns zur Verfügung gestellt bekommen. Es ist immer wieder wunderbar zu sehen, wie durch diese Bibelwochen Christen unterschiedlicher Konfessionen zusammenkommen und sich von der Bibel ansprechen lassen.

Was verbirgt sich hinter der Überschrift der Bibelwoche "Zwischen dir und mir"?

Es geht ja um die Liebe. Und die steht zwischen Liebenden. Das deutet das Motto an. Aber es geht auch um die Liebe zwischen Gott und mir. Und angestiftet davon auch um die Nächstenliebe. Dieses Motto kann alle diese Aspekte aufnehmen. Ich finde das sehr gelungen.

Auf welche Teile des Hohelieds konzentriert sich die Bibelwoche inhaltlich?

Die Bibelwoche folgt nicht fortlaufend der Dichtung des Hoheliedes. Fängt also nicht vorne an und hört hinten auf, sondern greift einzelne Liebesgedichte heraus und stellt sie thematisch neu zusammen. Damit soll es den Teilnehmenden leichter gemacht werden, sich auf einzelne Aspekte der Liebe zu konzentrieren. Beim Eröffnungsgottesdienst geht es um ein Kennenlernen des Buches. In der zweiten Einheit geht es um Verständnis und Auslegungsvielfalt. An einem anderen Abend tritt König Salomo in den Blick. Beim Abschlussgottesdienst wird der Bogen bis ins Neue Testament gespannt und das Hohelied der Liebe von Apostel Paulus im Mittelpunkt stehen. Dabei spielt ein Spiegel eine ganz besondere Rolle.

Was fasziniert Sie persönlich am Hohelied?

Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich vor dieser Bibelwoche nie so wirklich ausführlich mit diesem Buch beschäftigt. Die Bilder und Worte dort sind speziell, reden über Erotik manchmal erstaunlich deutlich, so dass man denkt: Steht das da wirklich? Oft aber auch sind sie sehr poetisch und umschreiben, wie deutlich hier auch die körperliche Liebe zum Thema wird, das erwartet man in der Bibel so nicht. Ich frage mich, ob dieses Buch in unserer Zeit, in der der Begriff Liebe so vielfältig und so oft verwendet wird und Nacktheit und Erotik sichtbar viel alltäglicher geworden sind, anders verstanden wird, als vor Jahren, wo man über solche Dinge nur hinter vorgehaltener Hand oder gar nicht gesprochen hat.

Das Hohelied wirkt zunächst einmal wie eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau. Wo findet sich in dem Buch die Liebe Gottes zu den Menschen?

Diese Liebe Gottes zu den Menschen findet sich im Buch zunächst gar nicht. Gott kommt darin nicht vor. Und doch lassen sich viele Textpassagen auch auf die Liebesbeziehung Gottes zu den Menschen übertragen. Es geht um das Suchen und Finden und das finden wir ja auch im neuen Testament, wo von Jesus die Rede ist, der gekommen ist, zu suchen und zu retten, was verloren ist. Es geht auch um die Abwesenheit des Anderen, und darum, Grenzen zu überschreiten. Das kann man durchaus auch auf den christlichen Glauben übertragen. Diese Übertragungsarbeit wird eine Herausforderung der Bibelwoche sein. Ich bin da sehr gespannt, was die Referenten dazu zu sagen haben und was die Besucher der Bibelwoche mit einbringen.