Überzeugte in Empfingen: Max Giesinger. Foto: Maria Hopp

Festival für jede Geschmacksrichtung. Max Giesinger und The BossHoss stellen Gemeinde auf den Kopf.

Empfingen - Wer das komplette Programm auf dem Antenne-1-Festival in Empfingen erleben wollte, der brauchte eine gute Ausdauer. Dafür wurde er mit einer musikalischen Mischung belohnt, die es in dieser Konstellation wohl nicht so oft gibt.

"Normalerweise spielen wir gar nicht auf solchen Festivals, mit Musikern wie Max Giesinger und BossHoss, die ständig im Radio rauf und runter zu hören sind. Aber das hier ist der Waaaaahnsinn", schreit Antiheld-Sänger Luca in die Menge und trifft es damit auf den Punkt.

Rotziger handgemachter Pop-Rock von Antiheld, herzerwärmender Familien-Pop von Max Giesinger und knalliger, lauter Cowboy-Rock von BossHoss, angereichert mit schwäbischer Comedy von Dodokay, der fetzigen Antenne-1-Band, dem zünftigen Musikverein Empfingen und dem Nachwuchsmusiker Michael Eb – dieser Gewinn in doppelter Hinsicht für die Gemeinde Empfingen hat es an diesem Samstag wirklich in sich.

Bürgermeister Ferdinand Truffner läuft über das Festivalgelände in der Nähe des Tälesees und kann seine Freude nicht verbergen. Er war es, der sich beim Radiosender Antenne 1 mit seiner Gemeinde beworben und zusammen mit vielen rührigen Empfingern das Großevent an Land gezogen hatte.

Das Geburtstagsfestival von Antenne 1 wird zum musikalischen Familienspektakel. Den Start macht um 14 Uhr die Musikkapelle Empfingen. Ganz große Bühne für den Verein aus der Heimat. Sogar im Webradio von Antenne 1 sind sie zu hören. Der Zeitplan ist aber eng getaktet, sodass bereits eine halbe Stunde später Michael Eb auf der Bühne steht. Schon da haben sich zahlreiche Festivalbesucher eingefunden und genießen die sanfte Popmusik des Nachwuchsmannes aus Heilbronn mit einer Mischung aus eigenen und gecoverten Liedern. Die Antenne-1-Band reizt den vollen Sound, den die Maschinen bieten, schon ein bisschen mehr aus. Sie schmettern Klassiker der Pop-Geschichte von der Bühne – von Spice Girls bis zu den Backstreet Boys.

Max Giesinger plaudert mit dem Publikum und sorgt für Lacher

Das Warm-Up funktioniert. Und der schwäbische Comedian Dodokay macht die Besucher auch noch einmal ein bisschen locker, obwohl er sich in einer halben Stunde gar nicht so richtig entfalten kann.

Doch für mehr bleibt keine Zeit, denn mit Antiheld steht bereits der erste der drei großen Musik-Acts in den Startlöchern. Und die Jungs aus Stuttgart und mit Lokalmatador Matthias "Matze" Brendle aus Sulz-Renfrizhausen zeigen, dass sie das erreichen können, was Bassist "Matze" im Gespräch mit unserer Zeitung als Ziel angegeben hatte: von der Musik leben zu können. "Von uns gibt es keine typische Radiomusik", verspricht Bandleader Luca dem jetzt schon stattlichem Publikum. Aber besonders ihr Song "Berlin am Meer" hat durchaus Hit-Potenzial – mit markanter Akkordeon-Sequenz und eingängigem Uuuuuh-Uuuuh-Uuuh als Mitgrölfaktor. Beim Lied "Ficken für den Weltfrieden" halten einige Eltern ihren Kindern aber lieber die Ohren zu.

Starke Stimme, starke Band

Dann kommt das, was man vor einem halben Jahr noch als guten Witz bezeichnet hätte. Max Giesinger in Empfingen? Nein, das ist doch völlig unrealistisch. Doch jetzt steht er da: Allein am Mikro vor einem weißen Vorhang singt er, dass nun "die Reise beginnt". "Reise" heißt sein Album, so heißt der Song, den er auch singt. Und auch alle, die Giesinger gerne mal als Schmusesänger abstempeln, müssen eingestehen: Der Kerl da auf der Bühne hat es auf dem Kasten. Starke Stimme und starke Band, dazu eingängige Songs, die die meisten zumindest irgendwann mal gehört haben.

"Das ist mein letztes Festival in diesem Jahr", erzählt der Mann aus Busenbach im Landkreis Karlsruhe. Und er liefert, zeigt keine Ermüdungserscheinungen. Er mischt Charterfolge ("Legenden", "Zuhause" oder "Wenn sie tanzt") mit Liedern aus seinem neuen Album (zum Beispiel "Australien"). Er sorgt für Lacher, wenn er fragt "Wie viele Leute sind heute zum ersten Mal auf einem Konzert von mir?" und sich fast alle melden. "Ja, wo seid ihr denn die ganzen Jahre geblieben. Wart ihr bei Roland Kaiser oder Andrea Berg?" Und am Ende kommt das große Finale: "80 Millionen." Das Lied, das in Deutschland zum Hit der Fußball-EM 2016 wurde. Fast alle Besucher singen laut mit. Aus Kanonen werden lange Papierschnipsel gefeuert, die auf das Publikum herunterregnen.

Puh, halbe Stunde Pause. Nicht viel, um sich auf eine ganz neue Musikrichtung einzustellen. Doch dann donnert es gewaltig von der Bühne, von der ersten Minute an. The BossHoss bieten vor allem erst einmal für ihre eingefleischten Fans knallharten Countryrock. Die Meinung geht da ein wenig auseinander. Während die einen Musikfans genau darauf gewartet haben, warten die anderen ungeduldig auf die bekannten Chart-Hits der beiden Cowboys aus Berlin. Doch Alec "Boss Burns" Völkel und Sascha "Hoss Power" Vollmer machen ihr eigenes Ding. Der "Boss" entledigt sich oben rum aller Klamotten und schmeißt sich in die jubelnde Menge. Doch mit ihrem Programm in der ersten Stunde können sie nicht alle überzeugen. Einige Festivalgäste entschließen sich, dass der lange Tag ein Ende finden kann. Natürlich kommen aber für die vielen, die bleiben, noch die bekannten Hits wie "Jolene" oder "Don’t Gimme That".

Letztendlich haben aber wohl alle Festivalgäste das bekommen, was sie sich erträumt haben. Und das in Empfingen und auch noch kostenlos! Kaum zu glauben. Aber wahr!