Wirtschafts- und Sozialpfarrer Karl-Ulrich Gscheidle referiert im evangelischen Gemeindehaus in Empfingen. Foto: privat Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Der Wirtschaftspfarrer spricht über Digitalisierung und Arbeit / Referent beim Empfinger Frühstück

Empfingen. "Digitalisierung – Arbeit 4.0" lautet das Thema beim Empfinger Frühstück der evangelischen Kirchengemeinde Empfingen am Dienstag, 23. Juli, um 9 Uhr im Gemeindehaus. Referent ist der Wirtschafts- und Sozialpfarrer Karl-Ulrich Gscheidle. Über seine Arbeit und das Vortragsthema spricht er im Interview mit unserer Zeitung.

Einem Wirtschafts- und Sozialpfarrer begegnet man nicht jeden Tag. Was sind Ihre alltäglichen Aufgaben und wo kann man Sie antreffen?

Der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt ist ein Fachdienst der Evangelischen Akademie Bad Boll und meine Arbeit richtet sich an Verantwortliche in der Arbeitswelt. Ich besuche mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer und Betriebsrätinnen und Betriebsräte der Unternehmen. Wir tauschen uns aus über aktuelle Herausforderungen in ihrer Branche. Das Reisegebiet umfasst den Südwesten der württembergischen Landeskirche von Tuttlingen bis Freudenstadt, Böblingen, Tübingen, Balingen bis Sigmaringen. Ich kooperiere mit Kolleginnen und Kollegen der badischen Landeskirche und der Diözese Rottenburg-Stuttgart und vielen anderen Institutionen und Akteuren der Arbeitswelt, Gewerkschaften, Kammern, Ministerien und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Meine Arbeit vernetzt Menschen und fördert eine gerechte und nachhaltige Wirtschafts- und Sozialordnung durch Besuche und Tagungen, Seminare und Vorträge die evangelische Landeskirche und die Arbeitswelt.

Warum beschäftigen Sie sich als Pfarrer mit Wirtschaftsthemen?

Wir haben als Kirche den biblischen Auftrag, uns für Recht und Gerechtigkeit einzusetzen. Meine Landeskirche fördert durch ihre Evangelische Akademie in Bad Boll gesellschaftliche Diskurse, bringt Menschen zusammen, baut Brücken bei unterschiedlichen Standpunkten und will bei der Transformation zu einer gerechten und solidarischen Gesellschaft mitwirken. Die Wirtschaft soll dabei den Menschen dienen, ihnen Sinn und Einkommen ermöglichen durch eine qualitativ und rechtlich wohlgeordnete Arbeitswelt.

Welches Thema, mit dem Sie sich zur Zeit beschäftigen, finden Sie besonders brisant?

Die größten Herausforderungen ergeben sich durch die Notwendigkeit, dem Klimawandel in globaler Hinsicht zu begegnen. Das bedeutet eine umfassende Energie- und Mobilitätswende und damit vor allem eine Veränderung der Automobilindustrie und der Produkte. Wir brauchen viel mehr öffentlichen Nahverkehr, weniger umweltschädliche Abgase. Durch die Globalisierung sind die Lieferketten unserer Betriebe von größter Bedeutung. Es geht darum, dass wir menschenrechtliche Sorgfaltspflicht in allen Unternehmen verankern müssen. Umwelt- und Klimaschutz und Einhaltung von menschenwürdigen Arbeitsnormen sind nur global einzuhalten.

Worum geht es bei Ihrem Thema in Empfingen Digitalisierung und Arbeit 4.0?

Ich möchte die digitale Veränderung im Rahmen meiner Möglichkeiten aktiv mitgestalten und andere Menschen dazu ermutigen, dass sie die rasanten technischen Veränderungen auch als Chance für soziale Partizipation in der Berufs- und Arbeitswelt und der gesamten Lebenswelt ansehen. Ich will beim Empfinger Frühstück interaktiv einsteigen und mir und den Teilnehmern ein Bild vermitteln, wie sehr sie schon digital unterwegs sind. Ich gebe dann einen Impuls zum Thema "Digitalisierung 4.0 – Wie verändert sich unser Leben?". Ich will zur Teilnahme und Teilhabe an den technischen Innovationen ermutigen. Aber auch die Technik muss Menschen dienen und darf nicht den gesellschaftlichen Zusammenhalt sprengen. Ich bin daher auch für einen digitalen Humanismus. Das betrifft auch Forschungen und Entwicklungen der künstlichen Intelligenz und der Robotik. Ich will generell nicht nur vortragen, sondern mich austauschen mit den Teilnehmern des Empfinger Frühstücks. Ich bin zwar informiert, aber kein Informatiker. Ich bin ein wacher evangelischer Mensch, der sich mit anderen über seinen Glauben im Horizont der gemeinsamen Lebens- und Arbeitswelt austauscht.

Worin sehen Sie die aktuell größten Herausforderungen in der Arbeitswelt?

Die größte Herausforderung für die Lebens- und Arbeitswelt besteht darin, dass wir alle, ob im Beruf oder im sonstigen Lebensalltag, im Rahmen unserer Möglichkeiten den technologischem, digitalen, globalen und sozialem Wandel aktiv mitgestalten. Deshalb müssen wir uns austauschen, miteinander und voneinander lernen. Das heißt auch, dass alles mit allem zusammenhängt. Die Welt ist schön komplex.

Haben Sie Lösungsansätze?

Gute Schritte sind alle gemeinsamen Schritte, die den digitalen Wandel nicht in erster Linie als Ausbau des individuellen Nutzens oder Profits ansehen, sondern sich einem großen sozialen Menschheitsziel verpflichtet weiß, das heißt die Bewahrung des Klimas und der Natur für die Menschheit fördert, wie sie die Nachhaltigkeitsziele und Klimaziele der Vereinten Nationen vorgeben. Die Technik und die Wirtschaft soll den Menschen dienen, indem sie dazu helfen die Schutzbestimmungen der Menschenwürde und der Menschenrechte in weltweiten und demokratischen Gesellschaften auszubauen und nicht abzubauen, indem sie die Teilhabe und Teilnahme der Einzelnen an diesen Veränderungsprozessen überall auf der Welt voranbringen.   Die Fragen stellte Daniel Begemann.