Beim Empfinger Nachtcafé ist das katholische Gemeindehaus gut gefüllt. Fotos: Baiker Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Pavel Hoffmann erzählt als Überlebender des KZ Theresienstadt in Empfingen über sein Leben

Wie wird sich die erste Begegnung von Pavel Hoffmann, Überlebender des KZ Theresienstadt, mit Rainer Höß, Enkel des Kommandanten von Auschwitz, gestalten? Das wird für die Besucher des Empfinger Nachtcafés ein Geheimnis bleiben, denn Höß konnte wegen einer Norovirus-Erkrankung nicht kommen.

Empfingen. Unter den Besuchern waren auch viele Schüler aus verschiedenen Schulen. Höß konnte wegen einer Norovirus-Erkrankung nicht kommen. Gern wäre er gekommen, hatte er doch diesen Abend in Absprache mit Margarete Schon konzipiert und es war sogar seine Bedingung für die Zusage, dass ein Zeitzeuge dabei sein sollte. Doch trotz dem, dass Höß nicht da sein konnte, wurde es ein interessanter Abend.

Als weiterer Gast war David Lüllemann dabei, der das bundesweite Projekt "Zeugen der Zeitzeugen" betreut. Dabei geht es um Begegnungen zwischen Shoah-Überlebenden und der jungen Generation, um den Erhalt des Gedenkens an die Shoah. Außerdem geht es darum, dem Antisemitismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen entgegenzuwirken, die Deutsch-Israelischen Beziehungen durch Austausch und Projekte zu stärken. Interviews der jungen Generation mit Überlebenden der Shoah sind dabei ein wichtiges Element dieses Projekts, denn gerade die junge Generation sind die letzten Zeugen, die die Zeitzeugen erleben und sollen so Zeugen der Zeitzeugen werden. Bisher gab es 40 Interviews, wovon die Hälfte auf YouTube veröffentlicht ist. Die Überlebenden sind alle über 70 Jahre alt.

Die Zeit der aktiven Zeitzeugen neigt sich dem Ende zu. Daher geht es auch um die Frage, wie man Erlebtes in die nächste Generation tragen kann. "Die Vergangenheit hat mit Gegenwart und Zukunft zu tun", so Lüllemann. "Es ist kein Thema der Vergangenheit, es betrifft uns auch heute."

Zeitzeuge Pavel Hoffmann stellte sich kurz vor: 1939 in Prag Protektorat Böhmen und Mähren geboren, kam er bereits 1943, also mit vier Jahren, ins KZ Theresienstadt. Er hat die Nazi-Diktatur und die sich anschließende kommunistische Diktatur erlebt, bevor er 1968 nach Deutschland kam. Seit 2004 engagiert er sich als Zeitzeuge.

Vater in Prag erschossen

Hoffmann berichtete sehr eindrucksvoll über sein Leben in den ersten Jahren, über das seiner Familie: der Vater 1942 erschossen in Prag, die Mutter starb 1943, 34 Jahre alt, im KZ Theresienstadt, Die Oma wurde 1944 mit einem zweijährigen Enkel in Auschwitz ermordet. Die Familie – vier Generationen – wurde fast vollständig in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. "1944 waren alle tot, bis auf mich", so Hoffmann. Er kommt in ein sogenanntes Kinderheim. Mit Essensrationen der Älteren wurde versucht, das Überleben der Kinder zu sichern.

Hoffmann in seinen weiteren Ausführungen: "Nachdem ich fast zwei Jahre allein im KZ und Getto Theresienstadt überlebt hatte, ohne dass ich mit einem der 63 Transporte nach Auschwitz deportiert wurde, hat im Februar 1945 nur drei Monate vor Kriegsende Heinrich Himmler eine Deportation von 1200 jüdischen Häftlingen aus Theresienstadt in die Schweiz angeordnet, dies auf der Grundlage einer Verhandlung von Himmler mit dem früheren schweizerischen Bundespräsidenten Jean-Marie Musy in Bad Wildbad 1944. Dabei ging es um finanzielle Gegenleistungen in Höhe von fünf Millionen Schweizer Franken, die als Gegenleistung auf einer Schweizer Bank hinterlegt werden sollten."

Weiter erzählt er: "Inmitten dieser 1200 jüdischen Häftlinge war ich der einzige Vollwaise – trotz der Anordnung des letzten Lagerkommandanten Karl Rahms, dass kein Häftling, dessen Verwandte in Auschwitz ermordet worden waren, in diesen Transport eingegliedert werden darf. Ich kam am 7. Februar mit diesem Transport nach St. Gallen und obwohl – laut Unterlagen der Schweizer Behörden – todkrank, war ich praktisch befreit und kam im Juli 1945 nach Kriegsende nach Prag zurück."

Von 15 000 Kindern, die vor dem Krieg in Prag gelebt hatten, kamen nur 28 zurück. Einen Blick gab es in die Totenlisten von 1941, die Erschütterndes zeigen. Als Hoffmanns Onkel in Auschwitz die Selektionsrampe betritt, steht dort ein gewisser Mengele, der mit ihm studiert hat. Und so gab es noch viele sehr bedrückende ins Detail gehende Informationen.

Seit 2010 reist Pavel Hoffmann von Veranstaltung zu Veranstaltung. Allein in diesem Jahr waren es schon 35. Hoffmann zitierte am Ende des Vortrages noch die Frage einer Frau: Es wird doch viel getan für die Drogenprävention, warum nicht für eine Hassprävention?

Zunächst tiefe Betroffenheit, gab es am Ende noch Fragen der Besucher, so etwa "Was ist Ursache des heutigen Antisemitismus?", "Wie kommen sie zu den Fotos?", "Gab es für die Kinder im KZ Repressionen?"