Der Traum vom WM-Titel in der Heimat erfüllte sich für Deutschlands Fußballfrauen nicht. Ihre Sportart hat aber von der WM in Deutschland stark profitiert. Foto: dpa

Frauen habe es in der Sportwelt schwerer. DOSB-Vizepräsidentin will das ändern.  

Stuttgart - "Wir haben heute die sportlichste Mädchengeneration" sagt Ilse Ridder-Melchers, Vizepräsidentin des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Dennoch sucht man Frauen in Führungsgremien oft vergeblich. Ridder-Melchers will das ändern. Möglichst schnell.

Frau Ridder-Melchers, Frauen haben es im Sport und in der Gesellschaft nicht immer leicht. Würden Sie manchmal gerne tauschen und ein Mann sein?
Nein. Überhaupt nicht.

Aber als Mann hätten Sie es einfacher gehabt.
Ich habe Möglichkeiten, die Frauen in der Gesellschaft haben, genutzt und möchte das nicht missen, auch wenn ich hier und da mal mehr Kraft aufwenden musste. Das hat mich weitergebracht. Es muss nicht immer ein Gegeneinander sein. Mein Ziel ist eine Gesellschaft, in der Männer und Frauen die gleichen Chancen haben.

Aber auf Ihrem Weg mussten Sie sicherlich gegen einige Klischees ankämpfen. Immerhin sind Sie Vizepräsidentin des DOSB.
Beim DOSB eigentlich nicht. Ich bin ja für Frauen und Gleichstellung zuständig. In der Politik, in der ich lange gearbeitet habe, habe ich jedoch häufig die Erfahrung machen müssen, dass man hart kämpfen muss, wenn man etwas erreichen will.

Warum müssen Frauen eigentlich selbst bei den Fans stärker um Anerkennung kämpfen als Männer?
Sport war lange ein Zusammenschluss von Männern. Aber gerade bei Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen werden die Wettkämpfe der Frauen inzwischen ebenfalls mit Spannung verfolgt. Ich glaube, es hängt auch mit den Medien zusammen. Je mehr Dinge öffentlich transportiert werden, umso populärer wird eine Sportart, und umso populärer werden die Sportler und Sportlerinnen.

So wie zum Beispiel bei der Frauenfußball-WM in Deutschland.
Genau. Dieses Sportevent wurde in einer nie da gewesenen Weise von der Öffentlichkeit zelebriert. Ich habe vom DFB erste Ergebnisse gehört, wie groß der Zuspruch für den Frauenfußball geworden ist. Das sind grandiose Zahlen. Dennoch gibt es im Sport noch erhebliche Unterschiede, insbesondere in der täglichen Berichterstattung. Außerdem werden die Männer über die Leistung definiert, die Frauen jedoch sehr stark über ihr Äußeres. Das ist schade. Sie hätten es genauso verdient, über ihre Leistung definiert zu werden.

Vor der WM haben sich Spielerinnen für den "Playboy" ausgezogen und damit ein entgegengesetztes Signal gesetzt.
Zunächst müssen die Sportlerinnen für sich selbst entscheiden, inwieweit sie diese Möglichkeiten nutzen. Es ist schade, dass sie sich ausziehen müssen, um zu sagen: "Wir sind keine Mannweiber." Mir wäre es lieber, wir könnten darauf verzichten und würden sagen: Das sind Spitzensportlerinnen, die eine Spitzenleistung bringen. Mir ist es wichtig, dass Sportlerinnen als Vorbilder über ihre Leistung transportiert werden und nicht über ihr Aussehen.

"Ich habe mit der Quote gute Erfahrungen gemacht."

Die Geschichte der Frauen ist trotzdem eine Erfolgsgeschichte. 2010 waren 40 Prozent der Mitglieder im DOSB Frauen. In den Führungsgremien sucht man sie aber oft vergeblich.
Das hängt wohl mit den traditionellen Rollenbildern zusammen. 1950 hatten wir im Sport insgesamt nur einen Frauenanteil von zehn Prozent. Frauenfußball ist zum Beispiel erst in den 70er Jahren vom DFB offiziell zugelassen worden. Was heute aus dem Frauenfußball geworden ist, ist doch grandios. Dennoch dauert der Prozess noch an, bis Frauen in die Führungsetage kommen.

Oft wollen Frauen auch gar nicht. Familie und Beruf sind ja schon ohne Ehrenamt schwer genug zu vereinbaren.
Es gibt viele Dinge, die sie daran hindern, Karriere zu machen. Die Rahmenbedingungen sind für die heutige Frauengeneration unwahrscheinlich wichtig. Aber auch für junge Familienväter werden sie wichtiger. Es gibt ganz simple Methoden, Familie und Beruf vereinbar zu machen: Wir machen zum Beispiel häufig Telefonkonferenzen, um den Frauen die weiten Anfahrtswege zu ersparen, es geht um bessere Rahmenbedingungen insgesamt. Vor allem aber versuchen wir gezielt, Frauen für die Arbeit auf Verbandsebene aufzubauen: Frauen in Führungspositionen, Frauen an die Spitze, Mentoring - im DOSB und in den Verbänden laufen zahlreiche Programme mit diesem Ziel.

Würde eine Quote nicht schneller Abhilfe schaffen?
Ich habe mit der Quote in anderen Bereichen gute Erfahrungen gemacht. Trotzdem ist die Situation in den 98 Mitgliedsverbänden sehr unterschiedlich. Bei den Turnern sind es beispielsweise 70 Prozent Frauen, im Präsidium mehr als 50 Prozent, andere sind noch nicht so weit. Wir müssen dafür werben, dass alle Verbände sagen: Wir brauchen die Frauen, wir brauchen ihre Erfahrungen und Qualifikationen. Im DOSB funktioniert es bereits: Im zehnköpfigen DOSB-Präsidium arbeiten sechs Männer und vier Frauen.

Und wie bekommen Sie die Mädchen dazu, mehr Sport zu machen? Es sind ja immer noch eher die Jungs, die Sport treiben.
Bei den unter Sechsjährigen haben wir schon heute einen Gleichklang. Erst danach gibt es Unterschiede. Bei den Mädchen gibt es aber regelmäßige Steigerungsraten. Wir hatten noch nie so viele Mädchen, die in einem Verein aktiv waren. Wir können sagen, dass wir heute die sportlichste Mädchengeneration haben. Wir haben in den letzten zehn Jahren einen Mitgliederzuwachs von rund zwei Prozent, trotz des demografischen Wandels. Das liegt fast nur an den Frauen. Wir haben auch immer mehr Frauen als Übungsleiterinnen. Nur bei den Führungspositionen ist noch Nachholbedarf.

Und was erwarten Sie von der Frauen-Vollversammlung in Stuttgart?
Wir haben exzellente Gastrednerinnen, wir werden die Gleichstellungspreise vergeben. Mit dem Schwerpunktthema "Frauen, Sport und Medien" wollen wir ausloten, wie die Realität aussieht, wo Chancen liegen und was wir in der Zukunft beachten müssen.

Wird es bei der Veranstaltung auch konkrete Ergebnisse geben?
Wir wollen einen Leitfaden erstellen, wie Verbände es schaffen, sich wirklich allen zu öffnen. Also auch Gruppen, die wir heute noch nicht im Sport haben, Frauen mit Migrationshintergrund zum Beispiel.

Sie haben die Chance, die Sportentwicklung maßgeblich zu beeinflussen. Wohin geht die Reise und wie schnell?
Sport ist keine Insel, wir sind immer auch vom Fortschritt in der Gesellschaft insgesamt abhängig. Für uns ist ganz klar die gleichberechtigte Teilhabe von Mädchen und Frauen das Ziel - sie sollen gleichberechtigt Sport treiben, gleichberechtigt Sport organisieren und gleichberechtigt über Sport entscheiden. Und das möglichst bald.