Der Ball bleibt sein Freund: Bundestrainer Joachim Löw startet seine Abschiedstour. Foto: Pressefoto Baumann

Die DFB-Elf startet mit drei Länderspielen ins Jahr der EM, nach der der Bundestrainer aufhört. Wird Joachim Löw zum „Lame Löw“ – oder startet der Weltmeistercoach auf seiner Abschiedstour durch?

Düsseldorf - Oliver Bierhoff kennt sich aus mit Doppelfunktionen. Als Stürmer aß er früher in der TV-Werbung erst Schokopudding und schmierte sich im nächsten Spot Shampoo in die Locken. Jetzt verantwortet er als Direktor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) sowohl die Nationalmannschaften als auch die in Frankfurt entstehende Akademie – und ist im Verlauf der nächsten Monate noch auf zwei weiteren Feldern parallel aktiv: Er will nicht nur seinen Nochbundestrainer Joachim Löw bis zu dessen Rückzug nach der EM im Sommer unterstützen – er muss auch die dauernden Fragen nach dem Nachfolger beantworten. Die der Manager am Montagmittag in Düsseldorf, wie erwartet und angekündigt, mit der Kunst des Nichtssagens wegmoderierte.

 

Die Führungsspitze des DFB um den Präsidenten Fritz Keller und den Generalsekretär Friedrich Curtius sei im Düsseldorfer Teamhotel eingetroffen, das sagte Bierhoff immerhin. Und: man werde sich austauschen in der Trainerfrage. Ob das so zielführend ist in den Zeiten des immer weiter tobenden Machtkampfes an der DFB-Spitze, in dem Keller und Curtius wohl lieber über den Nachfolger des jeweiligen Gegenspielers als über den Nachfolger Löws sprechen würden? Das ist ein anderes Thema.

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Auch zum Streit an der DFB-Spitze wurde Bierhoff bei der Pressekonferenz in Düsseldorf befragt. Ob er als Schlichter oder Mediator einspringe, wollte jemand wissen. Doch schnell wurde klar, dass der Moderator Bierhoff am liebsten den Fall Löw moderiert. Und dass er damit auch genug zu tun hat.

Der Länderspiel-Dreierpack

Die ersten Länderspiele des Jahres stehen nun an – in der WM-Qualifikation geht es für die DFB-Elf an diesem Donnerstag in Duisburg gegen Island (20.45 Uhr/RTL), am Sonntag in Bukarest gegen Rumänien und dann am Mittwoch wieder in Duisburg gegen Nordmazedonien. Und die Frage, die sich viele Beteiligte und Fans mit Blick auf die EM stellen: Kann das gutgehen mit Joachim Löw, dem Bundestrainer, der aufhören wird im Sommer? Mit dem Mann, der nach dem 0:6 gegen Spanien Ende November massiv unter Druck geraten ist? Und der nun mit seiner Rücktrittsankündigung von vor zwei Wochen immerhin für ein bisschen Ruhe sorgte, auch in eigener Sache?

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Zugespitzt formuliert aber steht diese eine große Frage im Raum: Beendet der ewige Löw seine Zeit als Bundestrainer im Sommer als „Lame Duck“, oder ist er das in den Monaten vor der EM sogar schon? Der Begriff der lahmen Ente kommt aus der Politik, als Lame Duck wird ein Politiker bezeichnet, der noch im Amt ist, aber nicht zu einer Wiederwahl antritt oder eine Wahl verloren hat. Er gilt dann als handlungsunfähig. Also als das, was Löw nicht ist – zumindest in den Augen Bierhoffs, den man in der Politik wohl einen Löw-Lobbyisten nennen dürfte.

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Nein, der Jogi sei immer gleich drauf, sagte Bierhoff am Montag und sprach von einer „unglaublichen Vorfreude“ beim Bundestrainer. Und überhaupt: „Jogi ist sehr entspannt, für ihn ist das Hier und Jetzt wichtig. Über die Zeit nach der EM denkt er noch nicht nach.“

Klare und unabhängige Entscheidungen, das meinte Bierhoff, kann Löw also treffen – dass er genau das schon immer getan hat, von Tag eins an als Bundestrainer im Sommer 2006, das sagte Bierhoff nicht. Löw ließ sich noch nie reinreden und macht das nun mit Blick auf sein letztes großes Turnier erst recht nicht. Ob das gut oder schlecht ist, wird sich wie immer erst beim Turnier weisen.

Lame Löw?

Aber besteht nun die Gefahr, dass Löw zum „Lame Löw“ wird? Klar scheint eines zu sein: Wohl kein Nationalspieler wird bei der EM weniger motiviert sein, weil der Bundestrainer danach aufhört – dafür ist das Turnier und dessen Wichtigkeit zu groß. Keiner will eine Blamage erleben, jeder strebt nach dem Höchsten.

Auch Oliver Bierhoff, der davon berichtete, dass er zuletzt mit vielen Nationalspielern und mit einigen Managerkollegen aus der Bundesliga gesprochen habe. Der Tenor sei einhellig gewesen: „Da wird teilweise ein bisschen überinterpretiert in die Richtung, was die Spieler empfinden – denn du kommst zur Nationalmannschaft und willst erfolgreich sein.“ Und überhaupt, so Bierhoff weiter: „Man spürt die Verbundenheit der Spieler mit ihrem Trainer.“

Was soll Bierhoff sonst sagen?

Irgendwie erwartbar waren diese Aussagen Bierhoffs, denn was soll er auch sonst sagen? Der Löw erreicht die Spieler nicht mehr, er ist ein Auslaufmodell? Das sind die Argumente der Kritiker und nicht jene des inneren Zirkels beim DFB, zumindest jenem, dem Bierhoff angehört.

Wie auch immer – es werden weitere Fragen bleiben bis zur EM. Die wohl größte lautet: Warum sollte jetzt, da der Bundestrainer seinen Rücktritt angekündigt hat, plötzlich wieder mehr oder sogar alles funktionieren, wo doch zuletzt wenig bis nichts mehr geklappt hat? Der Druck bleibt hoch, Löw in der öffentlichen Wahrnehmung angezählt. Auch beim DFB gibt es Menschen, die ihn kritisch beäugen.

Löws Zeichen

Der Bundestrainer selbst setzte bereits ein paar erste Zeichen: Er erhöhte den Druck auf die Mannschaft und erklärte Siege gegen Island, Rumänien und Nordmazedonien zur Pflicht. Und er nominierte die kriselnden Julian Brandt und Julian Draxler nicht mehr, dafür aber die Talente Jamal Musiala (18) und Florian Wirtz (17). Löw also beginnt seine Abschiedstour mit der Zukunft. Vielleicht ist das nicht das schlechteste Zeichen.