Alleine gucken ist eine Option. Wer lieber gemeinsam die EM schaut, sollte ein paar Kleinigkeiten beachten. Foto: IMAGO/Pond5 Images/xJackFx

Natürlich hätten Sie den Ball eben locker barfuß, mit Bänderriss links oben reingemacht. Oder ihre Oma. Hier kommen ein paar praktische Tipps, wie Fußballschauen zu Hause trotzdem noch besser wird.

Wie fast alle schönsten Nebenbeschäftigungen der Welt macht auch Fußballschauen viel mehr Spaß, wenn man dabei nicht alleine ist. Manche üben das seit Jahren beim VfB Stuttgart, andere gerade mal alle zwei Jahre bei den großen Turnieren. Und auch bei der Europameisterschaft treffen wieder Fußballfanwelten aufeinander, die sich sonst kaum begegnen.

 

Damit die EM im eigenen Land auch zu Hause vor dem Fernseher zum Erfolg wird, gibt’s hier ein paar wertvolle Tipps, wie Sie mit größtmöglichem Spaß und Expertise durch das Turnier kommen.

Snacks

Menschen beim Hochleistungssport zuschauen und sich dabei ungesunde Snacks reinzuwuchten, mag nicht der Gipfel der Dekadenz sein, doch man kann ihn von dort aus ganz gut sehen. Sicher, Gürkchen, handgefertigte Karotten- oder Sellerieschnitze sind auch super und so. Aber sehen Sie die ungeöffnete Tüte mit den ebenfalls mutmaßlichen gesunden Lemongras-Bällchen da hinten in der Ecke?

Die liegt immer noch dort – seit dem 7:1 gegen Brasilien. Vier der Lemongras-Bällchen haben gerade ihren Schulabschluss gemacht, eines ist frisch geschieden und die anderen haben mittlerweile so viel Fußball geschaut, dass sie zum Karriereausklang allerhöchstens noch eine Saison in Paderborn dranhängen. Aber gegessen werden die in diesem Leben nicht mehr.

Vorschlag zur Güte: Wählen Sie die Snacks anhand der Begegnungen und der Nutriscore-Farbpalette aus. Irgendjemand trägt schließlich immer ein rotes Trikot, irgendwas Rotes in der Nationalflagge oder wenigstens rote Schuhe.

Kulinarik

Kulinarische Gepflogenheiten der jeweils aufspielenden Nationen aufzugreifen, ist ebenfalls eine gute Idee, den sportlichen Aspekten eines Spiels nicht zu viel Wichtigkeit beizumessen. Lassen Sie sich inspirieren. In Belgien wird beispielsweise sehr gerne frittiert, in der Schweiz kennt man sich gut mit Käse und Schokolade aus, und türkisches Baklava macht immer glücklich.

Hier kommt ein Menüvorschlag, mit dem Sie sich bei ihren Gästen unsterblich machen: „Hey Leute, Deutschland gegen Schottland! Ich habe uns lecker Kutteln und Haggis gemacht!“. Oder vielleicht doch Pizza? Pizza passt immer.

Getränke

Verzichten Sie bitte weitgehend auf extravagante Getränkekompositionen. Niemand wird in der 38. oder 76. Minute freiwillig in der Küche Obst schneiden, Eis zertrümmern, Zucker ans Glas kleben und all die andere Dinge machen, die einen Cocktail von herkömmlichen Getränken unterscheiden.

Gegen die übermäßige Nutzung alkoholischer Getränke spricht neben den üblichen Bedenken auch, dass Sie noch immer vom 7:0 der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2014 gegen Brasilien schwärmen. Noch mal: Das Spiel endete 7:1, Oscar traf für Brasilien in der 90. Minute.

80 Millionen Bundestrainer

Die Leier von den 80 Millionen Bundestrainern ist Quatsch. Denn mit ziemlicher Sicherheit gibt’s in jeder Fußballrunde zu Hause (oder Kneipe) genau einen Kerl, der ganz genau weiß, dass nur er alles weiß. Taktikfüchse sind in der freien Wildbahn für gewöhnlich trotzdem recht scheu.

Wenn Sie in regelmäßigen Abständen „Aha!“ oder „Ach!“ sagen, dann dürften die überhaupt nicht mitbekommen, dass Sie a) anwesend sind oder sich b) weder für Trapeze, falsche Neuner noch für hohes Pressing interessieren.

Falls Sie auf Krawall gebürstet sind und alte Traditionen wie die Fuchsjagd weit mehr schätzen als modernen Fußball, einfach mal zwanglos in die Runde werfen: „Mei, da rennen 22 Leute einem Ball hinterher, warum geben die nicht einfach jedem einen Ball und fertig?!“

Im Falle einer Konfrontation, lassen Sie sich bitte die aktuellen Regularien für Handspiel erklären. Selbst Schiedsrichter sind bei dieser Aufgabe am Limit.

Fluchen

Klar, heutzutage darf man gar nix mehr sagen. Immer super, wenn es jemand dann auch tatsächlich macht. Die Zeiten haben sich schließlich in vielerlei Hinsicht geändert, und einiges ist tatsächlich nicht mehr sagbar. „Junge! Der Béla Réthy labert aber wieder einen Blödsinn zusammen“ zum Beispiel.

Das konnte man jahrelang sagen und irgendwie stimmte es auch oft. Die Sache ist die: der legendäre TV-Kommentator ist mittlerweile in Rente. Romantiker stellen sich derweil vor, wie auch Réthy gerade irgendwo einen Fernseher anbrüllt, weil die Kommentatoren Quatsch reden.

Einen Klassiker können Sie heuer vermutlich zum letzten Mal sagen: „Hoffentlich bringt Pepe seinen Gegenspieler nicht um!“ – der knuffige portugiesische Abwehrspieler ist mittlerweile 41 Jahre alt und noch immer die beste Werbung dafür, eine solide Krankenversicherung abzuschließen. Pepe ist vermutlich ein letztes Mal Teil des portugiesischen Kaders. Ah, Cristiano Ronaldo wahrscheinlich auch.

Expertise

Wenn Sie beim Fußballgucken durch geistreiche Einwürfe glänzen wollen, werfen Sie einfach mal folgenden Satz ins Spiel: „In den USA versteht man unter Public Viewing die öffentliche Aufbahrung eines Leichnams.“ Oder wie sehr Sie es nach all den Jahren bedauern, dass „Fußball ist wie Schach, nur ohne Würfel“ gar kein Zitat von Lukas Podolski ist. Jan Böhmermann hat ihm das in den Mund gelegt.

Auch gut: „In England hätte das kein Schiedsrichter gepfiffen“, „Wenn die hier noch was mitnehmen wollen, müssen sie später aber die Eckfahnen klauen!“ oder „Hahaha – Florian Wirtz war mal beim 1. FC Köln!“

Variabel bleiben

Eventuell kommen während des Spiels spontan Fragen auf: „Was macht der Schlotterbeck eigentlich beruflich?“, „Warum hat der Nagelsmann den Guirassy nicht mitgenommen?“ oder „Bei welchem Verein spielt eigentlich Cristiano Ronaldo?“. Damit nicht alle zeitgleich am Smartphone rumwursteln, bietet es sich an, eine Person vorab als Second-Screen-Content-Management-Experten einzusetzen. Im Idealfall: Die Person, die schon wieder Lemongrass-Bällchen als Snacks mitgebracht hat.

Durchdrehen

Wir alle kennen diese Leute, die beim Fußballgucken nur vorbeischauen, weil alle anderen auch da sind und denen das Spiel sehr egal ist. Manchmal beneiden wir sie auch darum. Für hitzköpfige Fans gilt: Ja, Bierdusche ist super. Fragen Sie aber bitte Ihren Gastgeber, ob irgendetwas zum Thema in der Hausordnung festgehalten ist.

Verzichten Sie bitte auch auf das Abbrennen von Bengalos oder Feuerwerksraketen in fremden Wohnzimmern. Sonst wird Sie der Kommentator im Fernsehen „sogenannte Fans“ nennen. Und das will niemand.

Ah, Autocorso bitte nur mit dem eigenen Auto, und bitte nicht vergessen: „Siege, aber triumphiere nicht“. Das hat die Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach gesagt. Keine Ahnung, ob Sie sich für Fußball interessiert hat. Ist lange her.