Die deutschen Fußballfrauen haben bei der EM mit ihrem großen Herz und der Widerstandsfähigkeit begeistert – ansonsten liegt einiges im Argen, kommentiert Autor Marco Seliger.
Die DFB-Elf war spitze bei der EM, in mancherlei Hinsicht thronte sie ganz oben. Teamgeist, Leidensfähigkeit, Mentalität – all das zeigten die deutschen Fußballerinnen vom Viertelfinale an. Wie das Team von Christian Wück da die übermächtig erscheinenden Französinnen in Unterzahl niederrang, wird als epischer Kampf in die Fußballgeschichte eingehen. Wie es dann im Halbfinale zwar nicht in Unterzahl, aber personell wieder arg dezimiert den spanischen Weltmeisterinnen den nächsten großen Kampf lieferte, war zumindest aller Ehren wert.
Die deutsche Elf eroberte damit so manches neues Herz und betrieb Eigenwerbung in Reinform. So mancher Beobachter spannte da den großen Bogen und erklärte das Team zum großen Vorbild für die Gesellschaft, was Zusammenhalt, Widerstandskraft und vor allem das Füreinander einstehen angeht. Das kann man so machen, muss man aber nicht.
Denn eine im Binnenleben funktionierende Fußballmannschaft dafür herzunehmen, um sie als Blaupause für Zusammenhalt und möglichen Lösungsansatz für Missstände und Risse innerhalb der Gesellschaft herzunehmen, ist dann im Moment des Erfolgs zwar chic – aber am Ende doch oberflächlich und zu kurz gedacht.
Also zurück zum Fußball – wo fernab der famosen Mentalität noch einiges im Argen liegt bei den deutschen Fußballfrauen. Bundestrainer Christian Wück war nach dem Halbfinal-Aus am Mittwochabend in Zürich wohltuend reflektiert und selbstkritisch unterwegs. Er prangerte die spielerischen und technischen Mängel im Vergleich zur Weltspitze an, die wie bei den Männern Spanien heißt. Wück meinte damit nicht nur seine Spielerinnen, sondern auch den Auswahlbereich bei den Juniorinnen, wo der DFB-Nachwuchs im Gegensatz zum Männerbereich der internationalen Spitze hinterherhinkt - spielerisch und was Titel angeht.
Kein Titel seit neun Jahren
Wück, der mit den männlichen Junioren große Titel gewann und für bedingungslosen, spielerisch starken Offensivfußball steht, ist vor einem knappen Jahr genau deshalb der oberste Fußballlehrer bei den Frauen geworden. Um sie auf Sicht wieder an die Spitze zu führen und die Richtung auch nach unten, also auch zu den Juniorinnen, vorzugeben. Spielerisch – und auf der Jagd nach Trophäen. Die DFB-Frauen etwa, der achtfache Europameister, warten jetzt nach dem EM-Aus von Zürich seit neun Jahren auf einen großen Titel.
Zeit, dass sich was dreht.