Beim Anpfiff des Viertelfinals gegen Spanien auf der Bank: die bisherigen VfB-Spieler Deniz Undav, Chris Führich, Waldemar Anton und Maximilian Mittelstädt (v. li.). Foto: Pressefoto Baumann/Julia Rahn

Vier Spieler des VfB Stuttgart standen im Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft bei der EM. Wir ziehen nach dem Viertelfinalaus Bilanz aus Stuttgarter Sicht – und wagen einen Ausblick. Wer ist weiter dabei? Wer erhält eine Chance?

Da saßen sie also, die deutschen Nationalspieler. Enttäuscht, ein Stück weit desillusioniert, mit teils leeren Blicken. Unter einem Baum auf dem Boden, im offenen Gepäckfach des Mannschaftsbusses – oder bereits drinnen auf einem der Sitze. Wenig später rollte der Wagen dann vom Gelände der MHP-Arena in Stuttgart. Mit dabei: die vier deutschen Nationalspieler des VfB Stuttgart.

 

Die hätten nach dem Aus im Viertelfinale der EM (1:2 nach Verlängerung gegen Spanien) eigentlich auch einfach ein paar Meter laufen können, wie sie es sonst tun, wenn sie in der Bundesliga Heimspiele haben und ihr Auto am Parkplatz der VfB-Geschäftsstelle holen. Diesmal aber ging’s zurück ins Basecamp nach Herzogenaurach. Dort verbrachte die Nationalmannschaft die Nacht, dort verabschieden sie sich an diesem Samstag voneinander – dann geht jeder seines Wegs. In die Heimat, in den Urlaub, nach rund drei Wochen Urlaub wieder in den jeweiligen Verein.

Wie viele der vier deutschen EM-Fahrer wieder im Training des VfB aufschlagen, ist noch unklar. Mit Waldemar Anton rechnet man in Stuttgart jedenfalls nicht mehr. Der Abwehrspieler hat die Verantwortlichen informiert, den Club mittels einer Ausstiegsklausel verlassen zu wollen. Borussia Dortmund heißt das Ziel des bisherigen Kapitäns – und der VfB-Trainer Sebastian Hoeneß musste sich schon schwer auf die Zunge beißen beim Trainingsstart am Donnerstag, um seine Enttäuschung darüber, auch über die Art des Abschieds, nicht noch deutlicher kundzutun.

Bei Deniz Undav steht eine Einigung mit dessen Stammverein Brighton & Hove Albion noch aus. Unklar, ob aus der Leihe eine Festverpflichtung wird. Bei Chris Führich sind die Wechselgerüchte zuletzt zwar leiser geworden, aber auch beim Flügelspieler ist die Zukunft noch nicht vollends geklärt. Einzig Maximilian Mittelstädt wird wohl sicher mindestens ein weiteres Jahr beim VfB spielen.

Maximilian Mittelstadt hat weiter gute Chancen

Der Linksverteidiger war bei der EM auch derjenige VfB-Profi im deutschen Kader mit der meisten Einsatzzeit. Die beiden ersten Partien machte er von Beginn an über die kompletten 90 Minuten plus Nachspielzeit. Im dritten Gruppenspiel wurde er nach 63 Minuten ausgewechselt, im Viertelfinale nach 61 Minuten eingewechselt. Lediglich im Achtelfinale gegen Dänemark spielte er gar nicht.

Zwar konnte der 27-Jährige seine Position als Stammspieler während der EM nicht ganz verteidigen, sein Auftritt gegen die Spanier war aber wieder stark. An insgesamt zwei Treffern war er im Turnier beteiligt – und wird sicher auch weiter eine gute Rolle im Nationalteam spielen. Ob das auch für die anderen drei gilt?

Waldemar Anton wurde auch erst kurz vor Beginn der EM Nationalspieler. Im Turnier war er klarer Ergänzungsspieler, fiel in der Rangfolge der Innenverteidiger zunächst hinter Nico Schlotterbeck zurück, mit dem er künftig beim BVB zusammenspielt. Im Achtelfinale durfte er wenige Minuten lang mithelfen, den Vorsprung über die Zeit zu retten. Im Viertelfinale wurde der 27-Jährige zu Beginn der Verlängerung eingewechselt.

Da in der deutschen EM-Innenverteidigung wohl keiner seiner Karriere im Nationalteam beenden wird, muss Anton weiter mit starken Leistungen im Verein seine Kaderzugehörigkeit bestätigen, gesetzt sein wird er vorerst nicht.

Neue Chance für Alexander Nübel wahrscheinlich

Auch die Offensivspieler Undav und Führich brauchen eine weitere gute Saison, um fester Bestandteil der Nationalmannschaft bleiben zu können. Die Rollen, die sie während des Turniers spielten, waren überraschend kleine. Noch vor Turnierbeginn schienen sie erste Offensivoptionen von der Bank zu sein. Doch bekamen sie dann lediglich im zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn – es war ihr erstes Heimspiel in Stuttgart – ein wenig Spielzeit.

Durch das wahrscheinliche Ende der Nationalmannschaftskarriere von Thomas Müller könnte zumindest für Deniz Undav weiter Platz sein im Team – als eher unkonventioneller Offensivspieler. Und als besonderer Typ. Eine Tür öffnen könnte sich auch für weitere Spieler des VfB bei den kommenden Länderspielen in der Nations League ab Anfang September.

Da auch ein Ende der DFB-Laufbahn von Manuel Neuer in Sicht ist, wird Alexander Nübel ziemlich sicher wieder Thema. Der Torhüter stand ja schon vor EM-Beginn im vorläufigen Aufgebot. Für ihn spricht neben seiner Klasse auch sein Alter. Oliver Baumann von der TSG Hoffenheim ist bereits 34, Marc-André ter Stegen 32, Kevin Trapp 33, Bern Leno 32. Nübel, der weiter auf Leihbasis beim VfB spielt und danach beim FC Bayern Manuel Neuer beerben soll, ist mit seinen 27 Jahren der jüngste der deutschen Toptorhüter.

Jeweils 23 Jahre alt sind Josha Vagnoman und Angelo Stiller – und nicht nur deshalb sind sie weitere VfB-Kandidaten für die Nationalmannschaft. Stiller könnte von Karriereende von Toni Kroos profitieren, auch die Zukunft von Ilkay Gündogan (33) ist offen. Pascal Groß, ein weiterer zentraler defensiver Mittelfeldspieler, ist auch schon 33.

VfB kassiert Abstellungsgebühren

Josha Vagnoman muss nach Verletzungspause zwar erst wieder konstant auf hohem Niveau spielen, doch auf seiner Position als Rechtsverteidiger sind Alternativen immer wieder gefragt. Bei der EM spielte hier Joshua Kimmich, der sich aber lieber im Mittelfeld sieht.

„Kopf hoch, Jungs!! Hut ab für diese unfassbare Leistung“, twitterte der VfB am Freitagabend nach dem Aus des DFB-Teams gegen Spanien. Freuen darf sich das VfB-Quartett über je 100000 Euro an DFB-Prämien für den Einzug ins Viertelfinale. Der Club dagegen erhält Abstellungsgebühren in siebenstelliger Höhe. Zu denen auch Leonidas Stergiou beiträgt. Der Schweizer hat am Samstagabend noch die Chance, gegen England ins Halbfinale der EM einzuziehen – gemeinsam mit dem künftigen Stuttgarter Fabian Rieder.