Alle Menschen werden Brüder? Von der globalen Bruderschaft ist man im aktuellen Science-Fiction-Streifen „Elysium“ weit entfernt.
„Freude, schöner Götterfunken, / Tochter aus Elysium“ heißt es in Ludwig van Beethovens neunter Sinfonie respektive Friedrich Schillers Gedicht „An die Freude“. Weiter: „Alle Menschen werden Brüder, / Wo dein sanfter Flügel weilt“. Von der globalen Bruderschaft ist man im aktuellen Science-Fiction-Streifen „Elysium“ weit entfernt. Wie in Regisseur Neill Blomkamps Kinofilmdebüt „District 9“ hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt: 2154 leben die Krösusse auf einer idyllischen, 19 Minuten entfernten Raumstation im All – der Rest auf der Erde, die zu einem einzigen Slum herangewachsen zu sein scheint.
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Und ja, dieser ähnelt den Orten, die uns zwischen 20 Uhr und 20:15 Uhr ans Herz gehen, wenn in der „Tagesschau“ von den aktuellen Krisenregionen berichtet wird. Und ja, die Vorgärten auf dieser Ersatzerde namens „Elysium“ ähneln den Orten, von wo aus Promimagazine zwischen 20:15 Uhr und 22:15 Uhr über Liebe, Luxus und Laktoseintoleranz berichten.
Max (solide: Matt Damon) lebt auf dem Globus. Nach einem Unfall mit radioaktivem Material bleiben ihm noch gut fünf Tage, um illegal nach „Elysium“ zu emigrieren – die dortige Medizin meistert alles, wird den Erdlingen aber nicht zur Verfügung gestellt. Später rekonstruiert sie gar ein von Granaten gesprengtes Gesicht. Beim Zusehen verkrümmt sich die eine oder andere Mine.
Kleinere Mängel sind schnell verziehen
Griechischer Mythologie zufolge schafften es jene in die Elysischen Gefilde, denen die Götter besonders wohlgesonnen waren. Auf Blomkamps Elysium finden sich vor allem berechnende Politiker und Wirtschafter. Dystopisch: jeder ist via körperinterne Software mit der Welt vernetzt, ein Gott wäre hier wohl ein begabter Computerhacker.
Es gelingt „Elysium“, die heutigen Spannungsfelder clever in den fortgeschrittenen Kontext zu übertragen. Angenehmerweise ohne allzu drastischen Fingerzeig. Auch das Ensemble macht Laune: Jodie Foster gibt die diktatorisch veranlagte Jessica Delacourt herrlich eisig, „District 9“-Hauptdarsteller Sharlto Copley dreht als Undercoversoldat Kruger durch. Wohl dosiert man actionreiche und komödiantische Momente.
Kleinere Mängel sind daher schnell verziehen: Die rasante Charakterentwicklung egozentrischer Überlebenskünstler zu politischen Revoluzzern ist nicht ganz nachvollziehbar. Zudem packt Blomkamp sehr bis zu viel Personal in die 109 Minuten Spielfilm: hartherzige Regierungsführer. Aalglatte Business-Haie. Draufgängerische Söldner. An Leukämie leidende Mädchen. Untergrundbandenführer. Und einen verstrahlten Helden samt Sandkastenliebe – fast so, als brächte man die Themen Schiller, Fernsehlandschaft, griechische Mythologie, Beethoven und Technikdystopie in einem Text unter.
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