Nach etwa zehnmal Anbieten, essen Kinder Experten zufolge fast alles Foto: Fotolia

Ernährungsexpertin Annette Sabersky weiß, wie mäkelige Kinder probierfreudiger werden - mit ein paar Tricks essen Kinder auch Rote Beete und Co.

Ernährungsexpertin Annette Sabersky weiß, wie mäkelige Kinder probierfreudiger werden.

Stuttgart - Frau Sabersky, wie reagiert man auf den beliebten Kindersatz: „Mag ich nicht!“ ?
Vor allem bei Gemüse hört man das gern. Wichtig ist, dass das Kind wenigstens von allem probiert. Wenn es dann nicht weiteressen will, lässt man es als Eltern aber auch in Ruhe – bis es das nächste Mal Paprika gibt. Denn aus Studien weiß man, dass Kinder nach etwa zehnmal Probieren plötzlich feststellen: Das mag ich doch!
Obwohl die Paprika immer gleich zubereitet wird?
Nein, am besten probiert man verschiedene Rezepte aus und stellt Gemüse wie Paprika oder Karotten auch mal roh auf den Tisch. Kinder freuen sich, wenn es beim Essen knackt. Oder man püriert Paprika mit Tomaten zu einer Soße. Da schmecken sie schön süß. Gekochte Paprika hingegen verschmähen viele Kinder, weil sie wabbelig sind. Bei Tomaten wiederum stören sie sich an den Kernen.
Und wenn Kinder trotzdem nur noch Nudeln mit Ketchup wollen?
Dann kocht man eben mal zehn Tage lang nichts anderes. Irgendwann hat das Kind keine Lust mehr darauf. Spannend sind solche Gerichte ja meist nur deshalb, weil die Kinder merken, dass die Eltern etwas gegen das Lieblingsessen haben – und genau deshalb wollen sie es dann.
Sind Kinder heute heiklere Esser als früher?
Ich kenne eine Familie mit vier Kindern, da werden regelmäßig vier verschiedene Gerichte gekocht, weil der eine dies nicht mag, die andere jenes verschmäht. Früher wären Eltern nicht so auf die Wünsche ihrer Kinder eingegangen. Da gab es eben, was auf dem Tisch stand.
War das besser?
Nein, man sollte Kindern kein Essen hineinzwängen. Aber Eltern dürfen auch nicht so sehr auf das Kind eingehen, dass es allein bestimmt, was die ganze Familie isst. Ein guter Mittelweg ist, verschiedene Zutaten einzeln auf den Tisch zu stellen – also Nudeln, Soße, Gemüse und Fisch nicht schon im Topf vermischen. Dann können sich die Kinder bedienen wie an einer Bar. Sie sollten immer von allem probieren, sich dann aber auch nur das nehmen dürfen, was sie mögen.
Um so eine Essens-Bar anzubieten, muss man selbst kochen. In vielen Familien gibt es inzwischen aber vor allem Fertiggerichte.
Auch das kann mäkelige Esser hervorbringen. Denn Kinder lernen so nicht, was in den Gerichten drin ist und wie sie zubereitet werden. Und aus einer fertigen Nudel-soßenmasse schmeckt man selten noch die Karotten heraus. So geht viel natürliches Geschmackswissen verloren.
Gibt es bei Ihnen nie eine Fertigpizza?
Doch schon, wenn es mal schnell gehen muss. Aber dann mache ich wenigstens einen frischen Salat dazu. Am Wochenende, wenn mehr Zeit ist, sollte man aber auch wieder etwas selbst kochen – am besten mit den Kindern zusammen.
Und wenn das Kind bereits so auf Fertigpizza und künstlichen Fruchtjoghurt trainiert ist, dass es die selbst gemachten Speisen nicht mehr mag?
Anders als bei Erwachsenen lässt sich das bei Kindern recht gut wieder ausschleichen. Man muss aber langsam vorgehen. Also beispielsweise den fertigen Erdbeerjoghurt mit Naturjoghurt verdünnen. So kann man das künstliche Aroma jedes Mal etwas mehr abschwächen. Oder man kauft einen fertigen Pizzaboden, lässt ihn das Kind aber selbst belegen.
Ab welchem Alter gehören Kinder mit in die Küche?
Schon im Kinderstuhl können Einjährige mit in der Küche sein, an einem Stück rohem Gemüse lutschen und die Essensgerüche wahrnehmen. Später lässt man sie mitschnippeln. Kinder sind ja stolz, wenn sie sich an etwas beteiligt haben. Dann essen sie das Gericht meist auch.
Was kann man sonst noch tun, damit Kinder möglichst offen sind für viele Geschmacksrichtungen?
Das fängt schon im Mutterleib an. Wenn eine Schwangere vielfältig isst, gelangen die Aromen übers Fruchtwasser auch zum Kind. Später beim Stillen werden viele Geschmacksstoffe über die Muttermilch übertragen. Babynahrung sollte man am besten selbst kochen, weil das einfach aromenreicher ist als gekaufte Gläschen. Und auch hier gilt: je vielfältiger, umso besser.
Solange das Kind alle Mahlzeiten zu Hause isst, kann man den Speiseplan gut bestimmen. Ab der Kita hört das aber auf.
Bei der Auswahl der Kita kann man natürlich versuchen, auf das Essensangebot zu achten. Also vor der Anmeldung fragen, woher das Essen kommt, und sich die Speisepläne zeigen lassen. Zusatzstoffe müssen darauf gekennzeichnet sein. Später kann man bei Elternabenden auch ansprechen, wenn es fünfmal in der Woche Geflügel gibt.
Immer mehr Eltern geben ihren Kindern ein Esspaket mit in die Kita oder in die Schule, weil sie das Angebot dort ablehnen.
Davon rate ich dringend ab. Das Kind wird so zum Außenseiter. Und man nimmt ihm die Chance, in der Kita Gerichte und Zubereitungsarten kennenzulernen, die es daheim vielleicht nicht gibt. Oft essen Kinder in der Gruppe mit anderen Kindern gerade die Dinge, die sie zu Hause nicht anrühren.