Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos soll in Europa vorangetrieben werden. Foto: dpa-tmn/Jan Woitas

Das Netz an Ladesäulen für Elektroautos muss weiter kräftig wachsen. Autobauer und Umweltschützer fordern daher mehr Tempo bei der Errichtung zusätzlicher Ladesäulen. Dass der Umstieg auf E-Autos nur bedingt vorankommt, hat aber auch noch andere Gründe.

Auf Deutschlands Straßen klafft eine eklatante Versorgungslücke. Immer mehr E-Autos werden verkauft, doch die Zahl der benötigten Ladesäulen hinkt hinter dieser Entwicklung hinterher. 625 260 batteriegetriebene Fahrzeuge wurden allein 2021 neu zugelassen, gefördert mit bis zu 9000 Euro staatlicher Kaufprämie. Der nahende Abschied von Verbrennungsmotoren wird diesen Boom künftig beschleunigen.

Angesichts dieser Situation schlagen die Autobauer Alarm. „Die unzureichende Geschwindigkeit beim Ausbau der Ladeinfrastruktur droht zum entscheidenden Engpass für den Hochlauf der Elektromobilität zu werden“, warnte der Verband der Automobilindustrie (VDA) in diesen Tagen und präsentierte ein Positionspapier mit dem Titel „Masterplan Ladeinfrastruktur 2.0 – Empfehlungen der Automobilindustrie“. Darin enthalten sind konkrete Vorschläge für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland und Europa.

Industrie setzt auf Förderung durch den Staat

Die Industrie setzt dabei stark auf die finanzielle Förderung des Staates. So solle etwa das erfolgreiche Wallboxen-Programm zum Ausbau privater Ladepunkte zuhause weitergeführt werden. Vor allem aber müssten die öffentlichen Möglichkeiten, Strom zu tanken, vorangetrieben werden. „Eine flächendeckende und leistungsfähige Ladeinfrastruktur ist und bleibt der Schlüssel für den Erfolg der E-Mobilität“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller mit Nachdruck.

In diesem Fall bilden sich erstaunliche Allianzen. Denn die Autobauer befinden sich mit ihren Forderungen fast auf einer Linie mit den Klimaschützen. „Aufladen muss so einfach sein wie normales Tanken“, sagt Michael Bloss, Grünen-Politiker im Europaparlament. „Deshalb soll überall mit EC-Karte bezahlt werden können. Das aufwendige Suchen nach Apps an Orten ohne gutes Internet fällt damit weg.“ Auch er ist überzeugt, dass eine flächendeckende Ladeinfrastruktur der zentrale Weg beim Ausbau der E-Mobilität ist. Die EU-Abgeordneten stellten in den nächsten Monaten „die Weichen, dass von Schweden bis Bulgarien Reisen mit dem E-Auto bis 2025 ohne Probleme möglich ist“, skizziert Bloss die automobile Zukunft.

Immer mehr E-Autos auf deutschen Straßen

Dass die Forderung nach mehr Ladepunkten begründet ist, bestätigt die staatliche KfW-Bank in einer Studie. Die Zahl der öffentlichen Ladepunkte in Deutschland hinke der Entwicklung deutlich hinterher, heißt es auch dort. „In den letzten beiden Jahren ist der Bestand an Elektroautos dreimal stärker gewachsen als die Anzahl der öffentlichen Ladepunkte“, erklärt Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. Statt acht E-Autos müssten sich nun 23 einen öffentlichen Stromladepunkt teilen. Das liege deutlich unter der ursprünglichen EU-Zielgröße von einem Ladepunkt pro zehn Elektro-Autos.

Und dann mahnen die Experten der KfW-Bank an, was auch die Autohersteller einfordern: ein besser koordiniertes Vorgehen bei der Installation des Ladenetzes. Bisher sei man beim Ausbau „tendenziell gleichmäßig“ vorgegangen, was in dünn besiedelten Gebieten zu nicht kostendeckenden Angeboten führe. Künftig solle man sich auf die Ballungsräume konzentrieren, heißt es in der KfW-Untersuchung. Auf dem Land hätten schlicht mehr Autobesitzer die Möglichkeit, ihr E-Auto auf einem privaten Stellplatz zu laden. In ländlichen Regionen gaben fast 40 Prozent der Befragten an, ein Auto grundsätzlich auch auf einem privaten Stellplatz laden zu können. In Großstädten erklärten nur 19 Prozent, einen eigenen Ladeplatz organisieren zu können, steht in der Studie.

Die Realität hinkt dem Plan hinterher

Nach Ansicht aller Beteiligten müssen die Anstrengungen wesentlich verstärkt werden. Denn das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel in Sachen Ladenetz ist noch in weiter Ferne. Im Koalitionsvertrag steht, dass es bis 2030 rund 15 Millionen E-Fahrzeuge und eine Million Ladepunkte in Deutschland geben soll. Bei der Bundesnetzagentur waren zum 1. April allerdings erst knapp 59 000 Ladepunkte registriert.

In anderen Ländern Europas ist die Lage noch schlechter. Derzeit befinden sich rund 70 Prozent aller Ladesäulen für E-Autos in nur drei Mitgliedstaaten: in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Nachholbedarf gibt es vor allem in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Das soll sich nach dem Willen der EU zügig ändern. Laut einem Entwurf der EU-Kommission sollen die Staaten künftig im transeuropäischen Verkehrsnetz TEN-V mindestens alle 60 Kilometer für Autos eine Ladestation errichten. Ergänzt wird die Vorgabe durch ein flottenbasiertes Ziel: Für jedes zugelassene E-Fahrzeug muss mindestens ein Kilowatt (kW) Ladekapazität zur Verfügung stehen, für Hybridfahrzeuge sind es 0,66 kW. Nach den Schätzungen der Kommission würden die Zielvorgaben bis 2030 dazu führen, dass rund 3,5 Millionen Ladepunkte in der EU gebaut werden. Dem Europaparlament ist das zu wenig. In einem Bericht des Industrieausschusses wird gefordert, eine Zielvorgabe für öffentliche und private Ladevorgänge von sechs Kilowatt pro E-Fahrzeug einzuführen.

Laut KfW-Untersuchung kann sich weit über die Hälfte der 4000 befragten Personen im Moment nicht vorstellen, ein E-Auto zu kaufen: wegen zu geringer Reichweite, zu langen Ladezeiten und hohen Anschaffungspreisen.