Elektrobusse in der Montagehalle von Daimler in Mannheim. Foto: Daimler Truck AG

Die Elektrifizierung bei Omnibussen schreitet rascher voran als bei Autos. Ein Besuch in der Daimler-Busfabrik in Mannheim zeigt, wie man dort um deutsche Arbeitsplätze kämpfen muss.

In der Halle in Mannheim-Luzenberg sieht es schon auf den ersten Blick anders aus als im Automobilwerk. Hier rollt kein Band in schnellem Takt. Die schwarz lackierten Metallrahmen der Buskarosserien stehen eine ganze Weile auf einer der Montagestationen. Roboter sind nirgends zu sehen, dafür Teams von Arbeitern, die eine komplexe Reihe von Handgriffen ausführen.

 

Acht Kilometer Kabel im Elektrobus

Bei einigen Bussen überziehen dicke, orangefarbene Hochvoltkabel das Dach, große Kabelrollen hängen in der Fahrerkabine an der Decke. „Je nach Variante sind bis zu acht Kilometer Kabel in einem Bus“, sagt Alexandre Nogueira, der Leiter der Produktionsplanung der Daimler Bussparte. An anderen Stationen liegen hingegen weiterhin Teile für Dieselmotoren bereit.

Die Antriebstechnik wechselt von Bus zu Bus – Symbol für die schwierige Übergangszeit, die Daimler erlebt. Mit maximaler Flexibilität, die im individualisierten Omnibusbau leichter ist als bei der Massenherstellung von Autos, soll das 1908 gegründete Traditionswerk den Sprung in die E-Mobilität schaffen.

„Dass wir auf ein- und derselben Montagelinie Busse aller Antriebsformen fertigen können, ist ein enormer Vorteil“, sagt Till Oberwörder, der Chef des Daimler Busbereichs. „Es geht um lebenslanges Lernen – das haben die Kolleginnen und Kollegen begriffen ,“ sagt der Betriebsratsvorsitzende Bruno Buschbacher. Die Montageteams müssen die unterschiedlichsten Abläufe beherrschen.

Bei der E-Busfertigung setzt Daimler auf den deutschen Traditionsstandort. Auch ein Werk in Frankreich kann Busse jeder Antriebsart fertigen. Mannheim ist auf Stadtbusse spezialisiert, bei denen die Elektrifizierung sehr rasch voranschreitet. 2018 lief hier der erste von inzwischen 3000 Elektrobussen vom Band. Doch genaue Zahlen dazu, wie viele der in Mannheim gefertigten Busse aktuell elektrisch sind, und wie viele Dieselfahrzeuge noch produziert werden, will Daimler nicht kommunizieren.

Noch stehen einige Dieselbusse in der Werkshalle

So bleibt der subjektive Eindruck aus der Auslieferungshalle. Diesel- und Elektrobusse sind nämlich anhand der Frontpartie klar zu unterscheiden. Und unter dutzenden von Omnibussen in vielen Farben und Designs, scheint der Anteil der Dieselfahrzeuge noch beträchtlich. Eine Momentaufnahme sei das, die keine Schlussfolgerungen erlaube, sagt der Daimler-Sprecher.

Lieber redet er davon, dass Mannheim seit 2024 in der Lage sei, komplett nur noch Elektrobusse zu fertigen. Die vom Auto bekannte Debatte um das Verbrennerverbot 2035 ist auf diesem Markt nicht das Thema, denn die EU macht bei Stadtbussen schon lange Tempo. In diesem Jahr müssen mindestens zwei Drittel der neu beschafften Linienbusse in Europa saubere Antriebe haben. Bis zum Ende des Jahrzehnt will Daimler auch elektrische Reisebusse anbieten. Ein erstes Modell für den regionalen Überlandverkehr wurde gerade vorgestellt.

Landesverkehrsminister blickt auf die Arbeitsplätze

An diesem Tag verschafft sich der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann einen Eindruck von der Busfabrik mit ihren 3000 Mitarbeitern. „Es geht um sehr viele Arbeitsplätze, es geht um die Zukunft unseres Wohlstandes“, sagt er. Er glaubt, dass bei Elektro-Omnibussen der Durchbruch geschafft ist. „Obwohl es formell unsere Dieselförderung noch gibt, wird sie gar nicht mehr genutzt.“

Im aktuellen Jahr fließen 96 Prozent der Busförderung des Landes in emissionsfreie Fahrzeuge, fast ausschließlich Elektrobusse. Dieselfahrzeuge finden demnach nur noch eine Nische in ländlichen Gegenden mit schwacher Ladeinfrastruktur. Man höre aktuell zu viel, was nicht gehe, sagt Hermann: „Sie zeigen hier, was geht.“

Busunternehmen beklagen knappe Förderung

Die Busunternehmer im Land widersprechen allerdings dem Bild von der Elektrifizierung als Selbstläufer. „Das Interesse der Unternehmen an einer Dieselbusförderung ist nach wie vor vorhanden. Tatsache ist: Diese wurde massiv reduziert“, heißt es beim Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO). Im übrigen sei die Elektro-Förderung klar überbucht und damit weiterhin zu knapp.

Bei der Busproduktion gibt es noch viel Handarbeit. Foto: Daimler Truck AG

Noch sind die Kunden in Deutschland und Europa bereit, für die angesichts des handwerklichen Aufwands teuren deutschen Facharbeiterlöhne zu bezahlen. Aktuell kommen die Hälfte der neuen E-Busse in Deutschland von Daimler. Die Auftragsbücher seien voll, sagt Bus-Chef Oberwörder in Mannheim.

Chinesen drängen auf den Markt

Der Elektrobus verändert aber das Spielfeld. Der Daimler-Manager weicht der Antwort auf die Frage aus, ob bei Elektrobussen die Konkurrenz aus China den deutschen Standort unter Druck setze. Dort ist der Expansionsdrang noch aggressiver als bei den Autos. „Auf dem Markt für Stadtbusse gab es immer starke Konkurrenz“, sagt Oberwörder.

Mit Fahrzeugen sei es nicht getan. „Wir haben gelernt, dass wir die Kunden bei der ganzen Antriebswende begleiten“, sagt er. Daimler kümmere sich bei ihnen inzwischen auch um die Ladeinfrastruktur: „Das unterscheidet uns.“

Der Preisdruck wächst

Die personalintensive Produktion in Deutschland wird aber langfristig nur eine Chance haben, wenn es im meist öffentlich ausgeschriebenen Busverkehr nicht nur um den Preis geht. Elektrobusse seien noch eineinhalbmal bis zweimal so teuer wie ein Diesel, sagt der Bus-Chef von Daimler.

Mit chinesischen E-Bussen lassen sich beim Kauf aktuell pro Fahrzeug rund 150 000 Euro sparen, etwa ein Viertel des üblichen Preises. In Europa insgesamt liegt ein chinesischer Hersteller bei E-Bussen aktuell schon auf Platz eins, in Deutschland ist ein anderer Anbieter aus China erstmals auf Platz drei – allerdings noch mit weitem Abstand zum Marktführer Daimler.

Der Preis wiegt bei kommunalen Betrieben bisher noch etwas weniger schwer als bei den um jeden Euro ringenden, privaten Busfirmen. „Vergabe muss – gerade wenn es um E-Busse geht – so gestaltet sein, dass nicht das günstigste Fahrzeug den Vorzug bekommt, sondern das qualitativ beste Fahrzeuggesamtpaket“, sagt der Busunternehmerverband WBO.

Wenn im Nahverkehr weiter gespart wird und sich die Vergabekriterien nicht ändern, dürften bald so einige chinesische Busse auf baden-württembergischen Betriebshöfen stehen.

Wie unterstützt das Land Elektrobusse?

Fördermittel
In den vergangenen beiden Jahren hat Baden-Württemberg die Gelder für emissionsfreie Busse im Vergleich zu 2023 mehr als verdoppelt – auch um weggefallene Gelder des Bundes auszugleichen. In diesem Jahr gibt man dafür 36 Millionen Euro aus.

Fahrzeuge
Nur noch 1,5 Millionen Euro, also vier Prozent, fließen 2025 in Dieselfahrzeuge. Deren Anteil hat sich damit gegenüber dem Vorjahr noch einmal halbiert. Vor zwei Jahren floss die Förderung noch zu 53 Prozent in Dieselbusse. Bei den alternativen Antrieben dominiert der Elektrobus. In den vergangenen beiden Jahren wurden nur 20 Busse mit Brennstoffzellenantrieb gefördert – darunter Gelenkbusse der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB).