Die Stiche von Bettwanzen sind rötlich und verursachen einen starken Juckreiz. Oft entwickeln sich auch Pusteln. Foto: © Otto - stock.adobe.com

Eigentlich galten sie hierzulande als ausgerottet, jetzt werden die kleinen Blutsauger mit großem Ekelfaktor aber wieder zunehmend zur Plage: Bettwanzen haben den Alltag in der Althengstetter Kita Nordstraße auf den Kopf gestellt.

Althengstett - Die winzigen Tierchen gibt es überall, im Fünf-Sterne-Luxushotel ebenso wie in der letzten Absteige. Oder eben in einer Kindertagesstätte wie in der Hengstetter Nordstraße. Leben die kleinen Plagegeister in Matratzen oder anderen Möbelstücken, finden sie schnell zu einem Menschen. Besonders in Hotelzimmern, die von zahllosen Gästen genutzt werden, ist das Risiko hoch, in Kontakt mit den Krabbeltierchen zu kommen und sich nachts heftig juckende Stiche an Armen, Beinen oder auf dem Rücken einzufangen.

Verstecke hinter der Fußbodenleiste, im Schrank oder in der Steckdose

Bettwanzen sind nachtaktiv und tagsüber kaum in Aktion zu sehen. Die noch so kleinste Ecke oder Ritze dient ihnen als Unterkunft, ebenso Bilderrahmen, die Fußbodenleiste, der Schrank, eine Steckdose oder das Buch auf dem Nachttisch. Menschlicher Geruch und Wärme locken sie in der Dunkelheit aus ihren Verstecken, wenn sie sich an menschlichem Blut sattfressen wollen. Ein Zeichen für mangelnde Hygiene und Sauberkeit? Irrtum! Die winzigen Parasiten werden meist über Reisetaschen und -koffer, Kleidung oder Möbel eingeschleppt und man bekommt sie nur schwer wieder los.

Kleine Stiche und Tage später Pusteln

Wie aber kam es zum Bettwanzen-Befall in die Althengstetter Kita? Zuerst einmal war gar nicht klar, dass die Einrichtung von den Parasiten bevölkert worden war. "Mehrere Kinder hatten kleine Stiche und Tage später Pusteln an den Backen und an den Füßen", berichtet Bürgermeister Clemens Götz im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. Man habe zuerst an Mücken oder Grasmilben als Verursacher gedacht.

Aufwendige Ursachenforschung

Der Sache auf den Grund zu gehen, war nach den Worten des Rathauschefs zum Teil nicht einfach, weil Kinderärzte und Dermatologen, bei denen die Jungen und Mädchen untersucht worden seien, sich unterschiedlich zu den Stichen geäußert hätten. Es seien sehr unklare Aussagen gemacht worden. Was ist das bloß? Das fragten sich Erzieherinnen, Eltern sowie Verwaltung also weiterhin und machten sich auf unterschiedlichste Weise schlau, tasteten sich nach und nach an die Ursache für die Stiche und Pusteln heran.

Unzählige Telefonate

"Wir haben sehr viel rumtelefoniert und sind bei dem Thema auf allgemeines Desinteresse gestoßen", wundert sich Götz in Nachhinein. Bei der Recherche sei man schließlich auf Bettwanzen gestoßen. Diese seien wieder auf dem Vormarsch, und vor allem Spanien-Urlauber würden derzeit häufig in Verdacht geraten, die Tiere eingeschleppt zu haben. Die Parasiten hatten sich offenbar in der Ganztagesgruppe der Kita Nordstraße bei den dortigen Schlafmöglichkeiten breit gemacht. "Auch Kinder, die nicht in der Ganztagsbetreuung sind, können sie von zu Hause mitgebracht haben, zum Beispiel durch Kuscheltiere", sagt Götz.

Nicht meldepflichtig

Man habe sich mit dem Gesundheitsamt in Calw in Verbindung gesetzt. Ein Bettwanzen-Befall in der Kita sei nicht meldepflichtig, so der Bürgermeister weiter. "Es kommt und geht", sei der allgemeine Tenor beim Einholen von Informationen an verschiedenen Stellen gewesen. Ein Befall mit Bettwanzen sei harmloser als der mit Läusen, habe es geheißen.

Kammerjäger erledigt den Rest

Als klar war, dass sich die ungebetenen Gäste in der Kita Nordstraße breit gemacht hatten, wurde diese komplett geräumt. Die Kinder und die Erzieherinnen kamen in der Betreuungseinrichtung in Neuhengstett unter. "Dort bleiben sie, bis die neue Kita in der Poststraße fertig ist, die Wanzen sollen schließlich nicht mit in die neue Einrichtung umziehen. In Neuhengstett gab es Kapazitäten für eine Ganztagsgruppe", gibt der Bürgermeister an. Den Rest hat der Kammerjäger erledigt – die Räume in der Nordstraße sind ausgeräuchert, die anschließend aufgestellten Kontrollfallen blieben leer.

Dramatische Ausbreitung in ganz Europa

Das Umweltbundesamt beobachtet die dramatische Ausbreitung der Bettwanzen in ganz Europa mit Sorge. Wissenschaftler haben festgestellt, dass immer mehr der Tierchen Resistenzen gegen gängige Insektizide entwickelt haben.

Mitbringsel im Reisegepäck

Da die Tierchen sehr häufig über Reisegepäck in die heimische Wohnung gelangen, sollte laut Experten das Hotelzimmer nach Kotspuren oder Häutungshüllen untersucht und der Koffer im Zweifelsfall im Auto, der Badewanne oder der Dusche des Hotelzimmers gelassen werden.

Koffer in der Badewanne oder Dusche auspacken

Ist man wieder zu Hause, sollte man Koffer am besten in der Badewanne oder der Dusche auspacken, um fliehende Exemplare zu erkennen und direkt zu töten. Im Anschluss sollten alle Klamotten auf der heißesten Stufe, die sie vertragen, gewaschen und nach Möglichkeit in den Trockner gegeben werden. Andere Gegenstände wie Bücher können in eine verschließbare Plastiktüte gelegt und für drei Tage ins Gefrierfach gelegt werden. Das sollte laut Experten sowohl lebende Tiere als auch Eier abtöten.

Info: Drei Irrtümer über Bettwanzen

Allein der Gedanke an Bettwanzen ekelt viele Menschen und löst bei ihnen den Drang aus, das Schlafzimmer auseinander zu nehmen und Matratzen zu lüften. Vieles, was über die Parasiten verbreitet wird, trifft aber nicht zu.

Irrtum Nummer 1: Mangelnde Hygiene als Ursache für Bettwanzenbefall

Bettwanzen sind dort zu finden sind, wo es dreckig und keimig ist – das denken vor allem Betroffene und schämen sich, wenn sie Exemplare der kleinen Parasiten in den eigenen vier Wänden haben. Stimmt nicht! In sehr gepflegten Haushalten sind die Tierchen ebenso zu finden wie in Wohnungen, wo das Putzen etwas laxer gehandhabt wird. Bettwanzenforscher Klaus Reinhardt aus Dresden geht davon aus, dass dichtere Besiedlung in den Städten, Haustiere und das wärmere Klima zu einem größeren Risiko führen, Bettwanzen zu bekommen.

Irrtum Nummer 2: Bettwanzen sind Krankheitsüberträger

Anders als etwa Zecken übertragen Bettwanzen laut Reinhardt keine Krankheiten. "Es gibt verschiedene Viren, die überleben eine Weile im Darm der Bettwanze. Aber die können sich nicht vermehren und dadurch sind sie auch nicht infektiös. Hinweise, dass Bettwanzen Krankheiten übertragen, gibt es Null", sagte er in einem Beitrag des Magazins "MDR Wissen".

Irrtum Nummer 3: Am besten Matratzen lüften und Chemikalien sprühen

Hilft laut Bettwanzenforscher Reinhardt nicht viel. Wenn man den Tieren mit einer Chemikalie zu Leibe rücke, würden sie im ganzen Zimmer herumrennen und sich im Nachbarraum einnisten. Oder wenn man die Matratze auf den Flur stelle, würden sie vielleicht in die Nachbarwohnung ausweichen und irgendwann zurückkommen. Der Forscher rät, besonnen zu bleiben: "Ganz in Ruhe Schädlingsbekämpfer rufen, die machen das schon. Die verstehen ihr Handwerk."