Trainer Paul Thompson will zurück in die Erfolgsspur. Foto: Eibner

Eishockey: Trainer Paul Thompson erwartet mehr von Führungskräften. Comeback von Marcel Kurth rückt näher.

Dienstag, 9.58 Uhr, Schwenningen. Andreas Thuresson schnappt sich das Plastikkörbchen mit den Pucks, geht aufs Eis. Nach und nach kommen die weiteren Spieler. Doch einer fehlt: Jamie MacQueen. Gut eine Stunde später ist klar, dass dies so bleiben wird.

Davon wissen der noch angeschlagene Thuresson und Co. (noch) nichts. Ein ungewöhnlicher Vormittag in der Helios-Arena im Zeitraffer.

10.08 Uhr

Coach Paul Thompson versammelt seine Cracks in den Katakomben der Helios-Arena. Die Spieler erfahren, was die Geschäftsführung und die sportlich Verantwortlichen am Montag nach langen Gesprächen entschieden haben: Jamie MacQueen, mit elf Toren und acht Vorlagen der mit Abstand beste Scorer des DEL-Schlusslichts, wird "ab sofort und bis auf Weiteres", so die Wild Wings gut eine Stunde später in einer Pressemitteilung, freigestellt. "Es war eine Entscheidung – eine sehr große und durchaus ungewöhnliche – aller Verantwortlichen", sagt später dazu Paul Thompson. Es wird klar, dass der Schwenninger Trainer mit der Einstellung des Stürmers nicht einverstanden war. "Ich erwarte von Führungsspielern, dass sie auch als Führungsspieler auftreten", bezieht sich der Brite auf das Verhalten von MacQueen auf und neben dem Eis.

10.11 Uhr

Während die Spieler also in der Kabine sind, machen sich Karin Rogg und Patrick Lauer auf der Stehtribüne Gedanken über die Situation in Schwenningen. "Wir sind fast in jeder Woche bei einem Training dabei. Die Situation ist traurig", hofft die Bad Dürrheimerin aber auf eine baldige Wende. "Ich bin sein 30 Jahren Fan und stehe zu den Wild Wings", kann Rogg nicht nachvollziehen, wie andere Anhänger zum Beispiel mit Noch-Manager Jürgen Rumrich umgegangen sind. "Kritik ist wichtig, aber diese muss immer menschlich sein", wünscht sich auch Lauer, der sich stets aus Neuhausen ob Eck auf den Weg in die Helios-Arena macht, dass die Fans mehr zu ihrem Team stehen.

10.16 Uhr

Jürgen Rumrich schaut kurz vorbei. Der Manager verweist auf die bald folgende Pressemitteilung ("Klar ist aber, dass ich am Wochenende in beiden Spielen harte Arbeit über 60 Minuten erwarte"), äußert sich aber zum angeschlagenen Personal. "Marcel Kurth trainiert ja wieder mit. Er könnte am Freitag sein Comeback geben. Auch Andreas Thuresson steht auf dem Eis. Bei ihm müssen wir von Tag zu Tag schauen, wie es ihm geht", rechnet der Manager aber nicht damit, dass der Schwede am Wochenende schon wieder zum Einsatz kommt.

10.20 Uhr

Der am Knie verletzte Simon Danner begrüßt die beiden Fans. "Ich hoffe, dass ich im Dezember wieder aufs Eis kann", sagt der frühere Kapitän der Wild Wings.

10.22 Uhr

Die Schwenninger Spieler kommen aufs Eis, bereiten sich auf die Einheit vor. Es wird gescherzt, den Mitspielern auf die Schultern geklopft. Die Freistellung von Jamie MacQueen scheint sich auf jeden Fall nicht negativ auszuwirken.

10.33 Uhr

Das Trainerteam ist da. Paul Thompson hat sich bei frischen Temperaturen für eine graue Pudelmütze entschieden. Doch frostig geht es nicht zu. Klare, kurze Ansagen. Die Spieler schwitzen, kämpfen, geben bei den Übungen Vollgas. Immer wieder wird sich gegenseitig abgeklatscht. "Vor allem beim Spiel 5:5 müssen wir uns verbessern. Da erzielen wir noch zu wenig Tore. Insgesamt stimmen aber die Trainingsleistungen. Die Spieler müssen diese aber eben auch in den Partien umsetzen", weiß der Brite, dass für die Wild Wings nur Punkte zählen.

11.15 Uhr

Ein Blick auf das Handy verrät, dass die Pressemitteilung heraus aus. Es ist also offiziell, dass Jamie MacQueen freigestellt, mit Verteidiger Colby Robak ein neuer Mann verpflichtet wurde.

11.31 Uhr

Das Training ist vorbei. Paul Thompson nimmt sich viel Zeit für uns. "Das ist eine Situation, wie ich sie in meiner Karriere noch nie erlebt habe", gibt der Coach zu. Gleichzeitig stellt der Brite klar, dass er weiter an sein Team – und an sich – glaubt. "Und die Spieler und die Verantwortlichen vertrauen mir. Deshalb bin ich ja auch weiter Trainer der Wild Wings, was in so einem Fall nicht selbstverständlich ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Pre-Play-offs weiter erreichen können." Doch Thompson weiß auch, dass sich seine Schützlinge dann in vielen Bereichen verbessern müssen. "Uns fehlt die Konstanz über 60 Minuten. Wir müssen einfach konzentrierter auftreten. Dazu müssen sich alle Spieler an den Matchplan halten, dürfen nach Rückschlägen nicht einfach ihr Ding machen", erwartet Thompson, dass seine Vorgaben zu 100 Prozent umgesetzt werden. Dabei – siehe die Freistellung von Jamie MacQueen – nimmt der Coach keine Rücksicht auf Namen. "Die Zeit der Gespräche ist vorbei. Ich will Action auf dem Eis sehen", freut sich der Brite, dass mit der Verpflichtung des Kanadiers Colby Robak auch der Konkurrenzkampf in der Defensive verschärft wird. "Und auch Boaz Bassen wird wieder seine Chancen erhalten", wird Paul Thompson den Schwenninger Youngster bald aus Ravensburg zurückbeordern. Dazu soll der Abgang von MacQueen mit einem neuen Stürmer kompensiert werden, der sich mehr in den Dienst der Mannschaft stellt.

12.18 Uhr

Paul Thompson geht zurück in die Trainerkabine, bereitet das Spiel in München vor. "Eine leichtere Aufgabe gibt es in diesem Moment nicht", hat der Brite seinen typischen Humor auch in seiner bisher schwersten sportlichen Situation nicht verloren.