Marcel Goc spielt seit 2015 wieder im Trikot der Adler Mannheim. Foto: Eibner Foto: Schwarzwälder Bote

Eishockey: Marcel Goc und den Mannheimer Adlern fehlt noch ein Sieg zum Gewinn der deutschen Meisterschaft

Ein Calwer hat am Freitag die Chance, deutscher Eishockeymeister zu werden. Marcel Goc steht mit den Mannheimer Adlern kurz vor dem Ziel und muss eigentlich nur noch hindurch gehen.

Matchball, bei eigenem Aufschlag. So würde man das, was die Adler Mannheim in der DEL an diesem Freitag haben, nennen. Doch was hat Eishockey auf einmal mit Tennis zu tun? Eigentlich ist es ja durchaus schwierig, zwei Sportarten miteinander zu vergleichen. Doch in diesem Fall ist eine Metapher durchaus angebracht. Denn Marcel Goc spielt nicht nur Eishockey sondern spielte auch Tennis – bei der SPG Gechingen/Ostelsheim. In welcher der beiden Sportarten der gebürtige Calwer besser ist, ist schnell gesagt. Der 35-Jährige gehört noch immer zu den besten Eishockeyspielern Deutschlands, zählte jahrelang vielleicht sogar zu den besten der Welt. Die 699 Spiele, die er in der National Hockey League (NHL), der besten Liga der Welt, absolviert hat, sprechen jedenfalls dafür. Genauso wie die Silbermedaille, die er vergangenes Jahr als Kapitän mit der deutschen Nationalmannschaft bei den Olympischen Winterspielen geholt hat.

Eine Hand am Pott

Nun steht das fünfte Spiel der Finalserie gegen den EHC München an. Gocs Mannheimer haben am Mittwoch das vierte Spiel der Serie, die im Modus Best of Seven ausgetragen wird, gewonnen. Es war der dritte Sieg der Adler. Einer fehlt noch, um die deutsche Meisterschaft zu feiern. In Sportlersprache könnte man sagen: Sie haben eine Hand schon am Pott. So richtig spannend gestaltet sich die Finalrunde nicht, obwohl die Münchner das erste Spiel der Serie mit 2:1 in Mannheim gewonnen haben, holten sich die Adler danach drei Siege in Folge. Ein vierter Sieg wäre gleichzeitig der Thronsturz der Münchner, die zuletzt drei Mal in Folge deutscher Meister geworden sind.

Defensivstarker Stürmer

Einer der Vorteile, den die Mannheimer haben, ist die Tiefe des Kaders. Während beim EHC in der vierten Sturmreihe die Youngster Tobias Eder, Maximilian Daubner und Jakob Mayenschein auflaufen, kann Mannheim dort Marcel Goc und Nationalspieler Nicolas Krämmer aufbieten. Goc führt die vierte Reihe an. Es sind gerade nicht mehr die Zeiten, in denen der 35-Jährige eine Show auf dem Eis abliefert. Dafür sind im Team andere zuständig. Die Kanadier Andrew Desjardins und Luke Adam oder die Amerikaner Benjamin Smith und Chad Kolarik. Im Gegensatz zu ihnen bringt der Calwer es in der aktuellen Playoff-Serie nur auf einen Scorerpunkt, der ein Assist war. Goc ist aktuell eher ein Mann fürs Grobe, nach wie vor eminent wichtig für das Team. Denn wenn der Calwer auf dem Eis steht, fallen wenig Gegentore. Das war schon immer so. Als defensivstarker Stürmer hat er sich einst in der NHL einen Namen gemacht, nachdem er von den San Jose Sharks an 20. Stelle der Draft ausgewählt wurde. In der sogenannten Plus-Minus-Statistik, die angibt wie viele Tore oder Gegentore fallen, wenn ein Spieler auf dem Eis steht, verzeichnet er schon immer gute Werte. In den Playoffs dieser Saison steht er bei +4. Heißt: Wenn er auf dem Eis steht, haben die Mannheimer vier Tore mehr erzielt als kassiert.

Einer für die Drecksarbeit

Deshalb wird er auch regelmäßig im Unterzahlspiel seiner Mannschaft eingesetzt. Da ist er eine Bank. Er weiß immer genau, was zu tun ist, wo er zu stehen hat, wo die Scheibe als nächstes hinkommt, wo der Gegner hin will. Denn so ist es manchmal im Eishockey. Vieles von dem, was ein Spieler gut macht, taucht in keiner Statistik auf. "Für vieles, was Marcel macht, gibt es keine Statistiken. Er erledigt die Drecksarbeit und gewinnt wichtige Bullys", betont Pavel Gross, der seit dieser Saison Trainer in Mannheim ist, und verweist auf eine weitere Stärke von Goc. Er weiß, wie wertvoll dieser Spieler für den Erfolg der Mannschaft ist. "In den wichtigen Momenten der Serie willst du auf dem Eis stehen", sagt er selbst dazu.

Großes Verletzungspech

Dass er aktuell in der vierten Reihe spielt und auch nicht so viel Eiszeit bekommt, wie er es sich manchmal wünschen würde, liegt daran, dass die Jahre, seit Goc 2015 von Amerika zurück nach Deutschland gekommen ist und wieder in Mannheim spielt, von Verletzungen geprägt waren. Es war auch in dieser Saison lange fraglich, ob er überhaupt rechtzeitig fit wird für die Playoffs. Doch er gab in der Reha ordentlich Gas. Zunächst setzte ihn eine Verletzung an der Brust außer Gefecht, dann brach er sich bei seinem Comeback im Oktober die Kniescheibe. 2017 hatte er sich zudem das Kreuz- sowie Außenband gerissen. "Der Hauptgrund dafür, dass die drei Jahre bisher nicht so gut gelaufen sind, wie ich mir das vorgestellt hatte, waren mehrere Verletzungen."

Eishockey-Familie

2001 war es, so erzählt man sich, dass ein Jugendlicher aus dem Schwarzwald mit 17 Jahren und Junioren-Gitter vor dem Helm die Gegner mit seinem Talent erschreckte und die Scouts beeindruckte. Sie versprachen ihm eine große internationale Karriere und sollten recht behalten. Die Gocs sind eine echte Eishockey-Familie Vater Josef Goc spielte in Esslingen, war dort und in Schwenningen Trainer zudem baden-württembergischer Landestrainer. Die drei Söhne Sascha (40), Marcel (35) und Nikolai (32) sind allesamt Profis geworden. In Esslingen haben sie angefangen, dann landeten irgendwann alle mal in Schwenningen bei den Wild Wings. Für die Marcel Goc mit 16 Jahren sein Debüt in der DEL gab. Später spielten er und Sascha in Amerika, Niki blieb in Deutschland. Die Sommer verbrachten die Brüder trotzdem oft gemeinsam in Calw, hielten sich gemeinsam fit. Eine Sache haben seine Brüder ihm jedenfalls (noch) voraus: Einen Titel in der DEL.

Er vermisst die Brezeln

In den USA musste sich Marcel Goc erst durchbeißen, bis er im Team der San Jose Sharks einen festen Platz bekam. 2009 wechselte er dann zu den Nashville Predators. "Das war für meine Entwicklung sehr wichtig", sagte er einmal. Dort wurde er offensiver eingesetzt, musste mehr Verantwortung übernehmen. Zwei Jahre später spielte er für die Florida Panthers, von denen er zu den Pittsburgh Penguins weitergeschickt wurde und von dort zu den St. Louis Blues. So ist das Geschäft im Profisport, vor allem in Amerika. 2015 kehrte er nach zwölf Jahren dann nach Deutschland zurück – auch der Familie wegen. Seither lebt und spielt er in Mannheim. Calw bezeichnet er jedoch noch immer als seine Heimat. Er vermisst in der Kurpfalz vor allem die "g‘scheiten" Brezeln. Seinen schwäbischen Dialekt versteckt er bis heute nicht.

Karten neu gemischt

Jetzt – ein Jahr, nachdem Marcel Goc mit der deutschen Nationalmannschaft historisches Silber bei den olympischen Spielen gewonnen hat –, könnte für ihn auch der erste Vereinstitel einen Platz neben der Medaille bekommen. Die Chancen stehen gut, es fehlt noch ein Sieg. Im Halbfinale haben die Adler die Kölner Haie mit 4:0 vom Eis gefegt, im Viertelfinale die Nürnberg Ice Tigers mit 4:1. In der Hauptrunde haben die Adler ebenfalls dominiert und 116 Punkte in 52 Spielen geholt und dabei 194 Tore geschossen. Der Weg ins Finale war "schwerer als es aussieht", sagt Goc. Denn in den Playoffs werden die Karten vor jedem Spiel neu gemischt.

Marcel Goc wurde am 24. August 1983 in Calw geboren. Er spielt auf der Position des Centers und steht seit 2015 bei den Adler Mannheim in der DEL unter Vertrag (bis 2020). Sein bisher größter Erfolg ist der Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 als Kapitän des deutschen Teams. Danach trat er aus der Nationalmannschaft zurück. In der Nordamerikanischen Hockeyliga NHL bringt er es auf insgesamt 699 Spiele für die San Jose Sharks, die Nashville Predators, Flroida Panthers, die Pittsburgh Penguins und die St. Louis Blues. Das Eishockeyspielen begann er bei der ESG Esslingen, wechselte dann in den Nachwuchs des Schwenninger ERC. Für die Wild Wings gab er mit 16 Jahren sein Debüt in der DEL. In seiner zweiten Saison erzielte er 41 Scorerpunkte und wurde anschließend an 20. Stelle der NHL-Draft von den San Jose Sharks ausgewählt. Er hat mehr als 100 Länderspiele bestritten und mehrfach an Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen teilgenommen. Seine beiden Brüder Sascha (40; Karriere beendet) und Nikolai (32; Bietigheim Steelers) sind/waren ebenfalls Eishockey-Profis. Marcel Goc ist verheiratet, hat zwei Kinder.