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Die Narren im Südwesten haben in diesem Jahr entgegen der Tradition auf die vorübergehende Machtübernahme in der Stuttgarter Regierungszentrale verzichtet.

Stuttgart - Marode Banken und Haushalte, Kurzarbeit und Entlassungen: Vielen ist derzeit trotz Fastnacht nicht zum Lachen zumute. Angesichts dessen wird in diesem Jahr sogar mit uralten Traditionen gebrochen; die rund 160 Teilnehmer am Närrischen Staatsempfang von Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) am Dienstag waren nicht gekommen, um die Regierungsgeschäfte vorübergehend zu übernehmen - sie verzichteten ausdrücklich darauf.

"Diesen Job wollen wir zurzeit auch nicht haben", sagte Hans-Peter Jehle von der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, der den Zug anführte. Es klang, als hätten die Narren fast Mitleid mit dem von der Krise gebeutelten Regierungschef. Eine bunte Schar im Hexen- und Hühner-Kostüm oder im traditionellen Fransen-Häs war zuvor die Anhöhe zur Villa Reitzenstein hinaufgezogen, begleitet von Musik und Schellen-Gerassel.

Normalerweise findet der Närrische Staatsempfang einen Tag vor dem "Schmotzigen Dunschdig" im Staatsministerium statt. In diesem Jahr erschienen die schwäbischen und alemannischen Vereine bereits am Dienstag. "Wir sind für heute bestellt, damit der Ministerpräsident morgen da ist", sagte Obernarr Jehle mit Blick auf Oettingers Neigung, zu Terminen verspätet zu erscheinen. Und er hatte in diesem Moment schon recht bekommen.

Denn fünf Minuten später als geplant konnte sich der Zug auf dem Hof in Bewegung setzen. "Für alle Protokolle, bitte: Herr Oettinger ist fünf Minuten zu spät - nur", sagte Jehle. Der Regierungschef im blauen Narrenhemd mit rotem Halstuch bat die bunte Schar hinein, nachdem ihm ein Narr im Hexenkostüm die Haare zerwuschelt hatte. Er begegnete der Kritik mit einem gereimten Grußwort, in dem er dazu aufrief, sich keine "Sorgen" zu machen - und Themen wie "Enteignung und Bürgschaften" besser auf "morgen" zu verschieben. Im Empfangssaal riefen die Delegationen von sechs Vereinen die Fasnet aus.

Bier und Maultaschen mit Kartoffelsalat nahmen die Narren gerne an. Die Verantwortung lehnten sie ab - auch für Vergangenes: "Wir lehnen auch jegliche Verantwortung für das schwache Erscheinungsbild der Opposition ab", sagte Jehle in seiner Rede. "Und für die vorzeitige Bekanntgabe von Mitarbeiter-Entlassungszahlen durch den Ministerpräsidenten - und sei es im Überschwang der Gefühle, mehr zu wissen als andere und dieses Wissen andere auch wissen zu lassen." Oettinger stand Ende Januar in der Kritik, weil er einen massiven Jobabbau beim Software-Unternehmen SAP vorzeitig öffentlich angekündigt hatte.