Anja Koch betreibt mit der „Spielzeugkiste“ das letzte Fachgeschäft seiner Art in der Lörracher Innenstadt. Sie kämpft mit Leidenschaft gegen die große Ketten. Wie lange noch?
Eintauchen in ein Stück unbeschwerte Kindheit: Kaum öffnet sich die Tür der „Spielzeugkiste“, schon möchte man – egal welchen Alters – anfangen zu stöbern. Plüschige Knopfaugen-Bärchen, glitzernde Flummis, eine wertige Holzküche, Tierfiguren, bunte Bilderbücher... Hier scheint die Welt noch in Ordnung.
In diesem freundlich-bunten Ambiente zu arbeiten, muss eine Freude sein. Ist es auch, findet Inhaberin Anja Koch. Mit Herzblut hat die gelernte Bauzeichnerin das Geschäft von ihrer Mutter 2008 übernommen, arbeitete aber schon lange vorher mit.
Gegründet wurde das Geschäft – damals fokussiert auf Holzspielzeug – von ihrer Mutter Ute Koch gemeinsam mit einer Freundin 1979. Dass sich zwei Frauen selbstständig machen, war damals wahrlich keine Selbstverständlichkeit, erinnert sich die Tochter lachend. Doch die Ehemänner hätten ihre Frauen voll unterstützt.
Wer übrigens glaubt, sie und ihre Schwester seien als Kinder quasi mit Kinderspielzeug überschüttet worden, der irrt. „Wir wohnten in Grenzach-Wyhlen, Beruf und Privatleben hat meine Mutter strikt getrennt. Außerdem waren wir damals eher die Generation Lego, das aber gab es im Laden gar nicht.“
Seit 44 Jahren am Standort
Vor 44 Jahren, zwei Jahre nach der Gründung, zog das Geschäft an den heutigen Standort in die Lörracher Passage. Ein Domizil, das inzwischen leider nicht mehr ideal sei. „Es kommt keine Laufkundschaft mehr, zu viele Geschäfte haben inzwischen geschlossen. Früher war das hier eine 1A-Lage, heute leider nicht mehr.“ Daher ist Anja Koch froh, dass sie auf viel Stammkundschaft bauen kann, die auch die persönliche Beratung schätzt.
Wie lange geht das noch gut?
Wie lange das noch gut geht, weiß sie nicht. Corona habe einen deutlichen Knick hinterlassen, den sie nicht wieder auffangen konnte. Die Gründe lägen auf der Hand, beträfen ja den gesamten Einzelhandel: Online-Bestellungen und große Handelsketten. Dass die Ware in einem Fachgeschäft immer teurer sei, stimme übrigens nicht. „Das glauben aber leider viele.“ Allerdings gebe es immer wieder Rabattaktionen der großen „Riesen“, mit denen ein einzelner Laden natürlich nicht Schritt halten könne.
Die Öffnungszeiten der „Spielzeugkiste“ musste Koch reduzieren, über Mittag ist zu: „Wir finden gar keine Mitarbeiter.“ Unterstützt wird sie inzwischen nur noch von zwei Minijobberinnen. Ein weiteres Problem seien die allgemein gestiegenen Kosten. „Mieten und vor allem die Energiekosten. Wir sind hier in einer dunklen Ecke und brauchen den ganzen Tag über Licht“, erklärt sie.
Viele machen dicht
Und das Thema Diebstähle? Anja Koch winkt ab. Nach 47 Jahren hat sie sich nun Kameras angeschafft.
Entlang der Rheinschiene habe es vor Corona rund 50 Spielzeugläden gegeben, weiß Koch. Heute seien es nur noch zehn. In der Lörracher Innenstadt ist sie mittlerweile das einzige reine Spielzeugfachgeschäft.
Anja Koch liebt ihre Arbeit. Regelmäßig ist die Mutter zweier erwachsener Kinder am Umdekorieren der vielen Schaufenster ringsum. „Das ist mein Steckenpferd.“ Und natürlich der Kundenkontakt. Nach Beratung suchten inzwischen meist ältere Kunden. „Die jungen Eltern wissen meist genau, was sie wollen.“ Und auch das erlebt sie oft: „Die Oma, die ein Geschenk für ihren zweijährigen Enkel sucht und stöhnt: „Der hat doch schon alles!“
Verwöhnte Kinder?
Ob viele Kinder heute zu sehr verwöhnt würden? Nicht unbedingt, findet sie. Das sei ein Phänomen, das es eigentlich schon immer gegeben habe. Auf der anderen Seite sei es natürlich traurig, dass sich manche Familien kaum etwas leisten könnten. Auch deshalb macht sie immer wieder bei Spendenaktionen mit.
Nicht mitziehen will sie indes bei allen Modetrends in Sachen Spielzeug. „Ich muss schon dahinterstehen.“ Aber: „Ohne Plastik geht auch in meinem Geschäft schon lange nichts mehr. Und ehrlich gesagt: Nicht alles, was aus China kommt, ist automatisch schlecht.“
Dennoch legt sie viel Wert auf Hochwertiges im Sortiment. Das komme oft aus Osteuropa, zuweilen sogar noch aus Deutschland.
Und die Zukunft?
Anja Koch ist Realistin. „Auf lange Sicht hat das hier wohl keine Zukunft“. Dennoch ist sie nach wie vor voller Energie in ihrem Geschäft. „Ich lass’ mich nicht so schnell aus der Bahn werfen.“ Auch nicht von einem Wasserschaden im Laden, der vor zwei Wochen große Probleme bereitete.
Jetzt steht das Weihnachtsgeschäft vor der Tür. Da wird auch über die Mittagszeit geöffnet. „Es ist die wichtigste Zeit im Jahr.“ Und ganz schön anstrengend. Zum Spaß hat sie sich mal einen Schrittzähler angelegt. „Da kommen so viele Kilometer zusammen, dass ich mir das Sportstudio sparen kann.“