Dank der Holzkonstruktionen sind Fachwerkhäuser vergleichsweise erdbebensicher. Foto: imago/Wilfried Wirth

Erdbeben gab es in Deutschland schon immer. Dennoch wurde hierzulande erst relativ spät im vergangenen Jahrhundert mit dem Bau vergleichsweise sicherer Gebäude begonnen. Was erdbebensichere Gebäude auszeichnet.

Bei einem Erdbeben sterben die meisten Menschen durch einstürzende Häuser und Bauwerke. Erdbebensicheres Bauen ist daher gerade in Regionen, in denen Erdbeben besonders häufig auftreten, zum Schutz der Bevölkerung elementar.

Die Richtlinien für erdbebensicheres Bauen sind in diesen Ländern folglich meist genau so streng wie in Deutschland – wenngleich sich wie in der Türkei aus Kostengründen, fehlender Kontrolle und aus Mangel an Baufachkräften nicht immer an die Vorschriften gehalten wird, wie Professor Hamid Sadegh-Azar von der Technischen Universität Kaiserslautern weiß. Er ist Leiter des Fachgebiets Statik/Dynamik.

Gebäude muss bei Erdbeben entweder mitschwingen oder fest genug sein

Für die Bemessung im Bauwesen gelten in Deutschland zivilrechtlich die Regeln des Eurocodes 8. Im Jahr 2021 ist zudem ein nationaler Anhang erschienen, der deutschlandeigene Regeln beinhaltet. Baurechtlich gilt die DIN 4149 „Bauten in deutschen Erdbebengebieten“.

Das Ziel der Vorschriften ist, dass die Gebäude auch nach einem Erdbeben eine ausreichende Resttragfähigkeit besitzen und so widerstandsfähig sind, dass häufiger auftretende schwächere Beben ohne beziehungsweise mit nur geringem Schaden überstanden werden. Erdbebensicheres Bauen bedeutet, Gebäude gegen horizontale Trägheitskräfte abzusichern. Um einem Erdbeben standzuhalten, muss ein Gebäude entweder mitschwingen oder fest genug gebaut sein.

Elastizität macht Holz zu erdbebensicherem Baustoff

Laut Balthasar Novák vom Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart gibt es vier Grundsätze für erdbebengerechtes Bauen. Diese beziehen sich auf die Bauwerksform, das Material, die Aussteifung und die Zähigkeit.

Für die Bauwerksform gilt, dass das Gebäude möglichst kompakt gebaut sein sollte. Das heißt, dass die Massen möglichst gleich verteilt sein sollten. Zudem sollte der Schwerpunkt des Gebäudes möglichst tief liegen. Das Material sollte Druck- und Zugkräfte aufnehmen können. Diese Eigenschaft ist bei Stahl besonders ausgeprägt.

Daher gelten mit Baustahl und Stahlbeton errichtete Häuser auch als die stabilsten. Doch auch Fachwerkhäuser sind relativ erdbebensicher. Denn das darin verbaute Holz kann Erdbebenwellen ausgleichen, weil es elastisch ist und nicht bricht wie etwa eine Steinmauer.

Knotenpunkte von Stahlbetonrahmen als Schwachstellen bei alten Häusern

Die Zähigkeit, das heißt, die Widerstandsfähigkeit des Baustoffes gegen Rissausbreitung oder Bruch, ist ein weiterer Punkt, den es bei der Auswahl des Materials zu berücksichtigen gilt.

Die Aussteifung erfolgt oftmals durch steife Stahlbetonkerne, in denen Treppenhäuser, Aufzugs- und Installationsschächte zusammengefasst werden. Sie dient der Weiterleitung von vertikalen und horizontalen Lasten in den Boden.

Schwachstellen älterer Gebäude sind meist die Knotenpunkte in den Stahlbetonrahmen, also dort, wo senkrechte Säulen und waagerechte Balken aufeinandertreffen.

Ist der Rahmenknoten nicht ausreichend mit einbetonierten Bewehrungsstäben aus Stahl verstärkt, fällt er zusammen. Die empfindlichen Rahmenknoten in älteren Gebäuden können Bauingenieure auch nachträglich noch erdbebensicher machen – beispielsweise indem man Stahldiagonalen in die Innenecken des Rahmenknotens montiert.

Baden-Württemberg beheimatet mehrere Erdbebenregionen

Eine nachträgliche Sicherung gegen Erdbeben ist besonders bei Gebäuden sinnvoll, die vor 1980 gebaut wurden. Damals hatten die Bauingenieure die Gebäude noch nicht darauf ausgelegt, den horizontalen Kräften standzuhalten, die bei einem Erdbeben auftreten. „Häufig haben alte Häuser nicht genügend Wände, Ausführungsdetails wurden nicht richtig beachtet, in den Betonwänden sind nicht genug oder richtig platzierte Stahlstäbe verbaut, die die Erdbebenlasten aufnehmen können“, erklärt Hamid Sadegh-Azar.

Dabei hatte es schon vor 1980 immer wieder Erdbeben in Deutschland gegeben. Etwa 1978 in Albstadt, das mit einer Einstufung von 5,7 auf der zwölfstufigen Richterskala bis heute zu den stärksten Erdbeben in Deutschland gehört.

Die Schwäbische Alb gehört zu den am stärksten betroffenen Gebieten von Erdbeben in Baden-Württemberg. Erst im vergangenen Jahr erschütterte ein Erdbeben der Stärke 4,1 die Region. Doch auch in anderen Gegenden des Landes wie in Lörrach im Schwarzwald besteht ein relativ hohes Risiko, dass Erdbeben auftreten, die so stark sind, dass Gebäude schwer beschädigt werden oder sogar einstürzen.