Helmut Günther leitet das Jugendforschungszentrum in Nagold und meisterte schon immer die Kunst, Chancen zu erkennen und zu ergreifen.
Freundlich, offen, reflektiert, gefestigt: Prof. Dr. Helmut Günther sitzt mit einer einmaligen Ausstrahlung und bemerkenswerter Gelassenheit am Tisch im Nagolder Jugendforschungszentrum. Er lässt sich nicht anmerken, dass diese moderne Denkwerkstatt nur aufgrund seiner Bemühungen und Kontakte entstehen konnte.
Bescheidenheit zeichnet den 88-Jährigen aus, der im Lauf seines Lebens die Kunst gemeistert hat, Chancen zu erkennen und zu ergreifen – und damit jungen Menschen seinerseits Chancen zu eröffnen.
1937 beginnt seine Lebensgeschichte. Geboren in Frankfurt, aufgewachsen in Stuttgart erkannte er bereits in seiner Schulzeit seine Stärken: Mathe, Physik und das Unterrichten lagen ihm besonders. Sein Mathelehrer gab ihm den ersten Impuls in diese Richtung. Also suchte er sich ein Tätigkeitsfeld, in dem sich das vereinbaren lässt. Helmut Günther studierte zunächst Physik an der Uni Stuttgart.
Unterricht in Mathe und Physik
„Ich wollte den Dingen auf den Grund gehen“, erklärt er. Auf eine Promotion hätte er dort aber lange warten müssen, also wechselte er ans Max-Planck-Institut mit seinen vorzüglich ausgestatteten Werkstätten, wo er sich der Metallforschung widmete. Bald hatte er sein Ziel erreicht: Er unterrichtete Mathe und Physik an der pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg.
Dann tat sich die erste große Chance auf: Nach wenigen Jahren an der PH strebte er eine Dauerstelle an, doch Mitte der 1970er-Jahre wurden im Land viele pädagogische Hochschulen geschlossen. „Man brauchte nicht mehr so viele Lehrer“, erinnert sich Günther. Er erfuhr er, dass etwas Neues im Entstehen war: die Berufsakademie in Stuttgart. Günther brachte sich hier von Anfang an ein, baute die Bildungseinrichtung mit auf und engagierte sich in leitender Funktion. Damals stellte er sich im Kultusministerium vor, wo man ihm sagte: Wenn er bereit sei, Führungsaufgaben zu übernehmen, habe man etwas für ihn. Günther sagte sofort zu und war bis 1990 Bereichsleiter für Technik.
Überall entstanden Akademien
In diesem Jahr bot sich eine weitere Chance: Ein Ministerialer besuchte die Berufsakademie und Helmut Günther sprach die Probleme an. Die Einrichtung sei viel zu klein gewesen, weitere Akademien müssten gegründeten werden. Der Vorschlag fiel auf fruchtbaren Boden, überall „im Ländle“ wurden Akademien gegründet, die heute Duale Hochschulen heißen. Ein Staatssekretär aus Horb bemühte sich darum, eine solche nach Horb zu holen – mit Erfolg. Und wer wäre besser geeignet gewesen, diese Berufsakademie aufzubauen, als der Ideengeber Helmut Günther? Er machte sich ans Werk und übernahm auch die Leitung. Durch die Zusammenarbeit mit den Unternehmen habe er zahlreiche Kontakte geknüpft. Helmut Günther gibt dort noch immer Vorlesungen.
Im Ruhestand baute Günther mit Mitstreitern in Calw die Hochschule für Steuern und Medien auf. Wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Geldgeber stieg das Gründungstrio wieder aus. Einige Jahre später musste die Hochschule schließen.
Projekt „Jugend forscht“
Zum Glück hatte Helmut Günther seit 2001 noch ein anderes Projekt, das ihn vereinnahmte: Jugend forscht. Dort fungierte er gleich als Juror für Physik und Mathematik. „Bei Jugend forscht gibt es richtig tolle Projekte“, findet er, „aber oft haben die jungen Menschen nicht die Möglichkeit, sie richtig zu konstruieren und umzusetzen.“ Also gründete er nach dem Vorbild des Schülerforschungszentrums in Bad Saulgau das Jugendforschungszentrum – allerdings nicht in Horb, sondern in Nagold, auf Initiative des damaligen Nagolder OB hin.
2007 fand sich ein Gebäude, mit Prof. Dr. Uwe Klein und Barbara Renz waren die passenden Partner mit an Bord. So kann Helmut Günther bis heute das für andere tun, was sein Mathelehrer für ihn getan hat: sie inspirieren und motivieren.
Viele junge Menschen habe er durch seine Arbeit geprägt. „Das ist ein schönes Gefühl. Ich will die Leute antreiben, positiv zu denken und aus ihrem Leben was zu machen, in eine Richtung zu gehen, die gebraucht wird.“ Die Stimmung in Deutschland sei aktuell so mies, dagegen könne man nur regional etwas tun. „Wir müssen schauen, dass wir in Deutschland innovativ sind“, ist Günther überzeugt. „Und das geht nur, indem wir und selbst Gebiete suchen, in denen wir Deutschland voranbringen können.“ Das könne der Umweltschutz sein, aber auch Technologie, Digitalisierung, Natur- oder Ingenieurswissenschaften.
Kampf gegen die „Mies-Stimmung“
„Ich kämpfe gegen diese Mies-Stimmung an, die hat keinen Sinn, damit gewinnt man gar nichts.“ Das möchte er jungen Leuten mit auf den Weg geben. „Habt ein positives Lebensgefühl! Deutschland wird wieder vorankommen, wenn wir innovativ etwas entwickeln, das sich nachher auch umsetzen lässt.“
2003 erhielt er das Bundesverdienstkreuz für seine Arbeit an der dualen Hochschule in Horb. Nach ihm sind sogar ein Preis und ein Audimax benannt. Helmut Günther geht damit in der ihm eigenen, bescheidenen Art um. Er schmunzelt, erwähnt diese Tatsachen beiläufig und kommentiert: „Ich habe mich sehr gefreut, aber ich habe damals nur gefragt: Wieso macht ihr das nicht erst, wenn ich tot bin? Solche Auszeichnungen werden doch eigentlich erst posthum vergeben.“ In Helmut Günthers Fall waren seine Leistungen aber wohl schon zu Lebzeiten so überzeugend, dass man ihm diese Ehren zu teil werden lassen wollte.