Russische Grenzer haben den deutschen Russlandexperten Schröder zurückgeschickt.

Berlin -Hans-Henning Schröder ist ein renommierter deutscher Russland-Experte - und seit Jahrzehnten im Riesenreich unterwegs. Als er am Mittwoch mit gültigem Visum auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo landete, wurde er allerdings zurückgewiesen - was das Auswärtige Amt mit Verstimmung zur Kenntnis nahm. Das Einreiseverbot für Schröder sei "nicht hinnehmbar", die Sperre müsse unverzüglich aufgehoben werden. Zudem wurde der russische Vize-Botschafter einbestellt. "Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in Moskau werden den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen", hieß es in Berlin.

Die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung, die Schröder zu einer Konferenz in der russischen Hauptstadt eingeladen hatte, teilte in Moskau mit, das russische Außenministerium habe der deutschen Botschaft bestätigt, dass Schröder unerwünscht sei.

In einem schriftlichen Beitrag für die von der Universität Bremen herausgegebenen "Russland-Analysen" hatte Schröder im Juli von "Frustration und Verdrossenheit" in der russischen Bevölkerung berichtet. Es gebe zudem "Verteilungskämpfe" innerhalb der Führungsschichten.

Eingeladen zu Veranstaltung mit Putin

Unserer Zeitung sagte er nach der Nacht im Flughafengebäude: "Ich bin müde, aber sonst geht's mir gut." Der Wissenschaftler sprach von einem "bürokratischen Vorgang", den er "noch mit Humor" hinnehmen könne. Nachdem ihm mitgeteilt worden sei, dass er nicht einreisen dürfe, habe er eine Rückführungsprozedur über sich ergehen lassen müssen. Er sei zur Übernachtung in einen vergitterten Aufenthaltsraum geführt worden. "Da war ich mit acht bis zehn Tadschiken, Usbeken, Armeniern oder Aserbaidschanern zusammen." So genau habe er das nicht mitbekommen. "Aber das war schon interessant, da wurden immer Leute rausgeholt, und neue kamen rein."

In Domodedowo hat Schröder ein höfliches und gut geschultes Personal erlebt. "Die Grenzbeamten machten nicht unnötig Zoff, man konnte mit denen reden." Die Abweisung kam für ihn freilich völlig überraschend. "Ich bin allein in diesem Jahr bereits viermal in Russland gewesen. Und alles verlief bisher ganz unproblematisch. Ich habe mein Gewissen geprüft und habe nicht das Gefühl, dass ich irgendwie anders als früher geschrieben habe. Das alles ist mir ein Rätsel." Schröder vermutet, dass die russischen Grenzbehörden über eine Einreiseliste verfügen, von denen das Moskauer Außenministerium keine Kenntnis hat. "Man kann annehmen, dass da zwei verschiedene Behörden miteinander konkurrieren." Und der mit dem Einreiseverbot belegte Schröder spekuliert, ob die Grenzer nach der anvisierten Ämterrochade zwischen Präsident Dmitri Medwedew und Regierungschef Wladimir Putin möglicherweise gerade Aufwind haben. "Wer immer das veranlasst hat, sendet ein politisches Signal, und das finde ich hochproblematisch."

Schröder, Leiter einer Forschungsgruppe der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, ist im November erneut in Moskau eingeladen - pikanterweise zu einer Veranstaltung mit Putin. Da will er auf jeden Fall wieder einen Einreiseversuch wagen.