Johannes Milla (links): "Ich sehe mich als Teil von 45 Menschen, die bei uns arbeiten" Foto: Wagner

Johannes Milla träumt davon, mit der Stuttgarter Denke vom engen Schwabenkessel aufzuräumen.

Stuttgart - Die Stuttgarter Agentur Milla & Partner konzipiert das deutsche Einheitsdenkmal. Der Gründer und Geschäftsführer Johannes Milla steckt viel Herzblut in das Berliner Projekt - und träumt davon, mit der Stuttgarter Denke vom engen Schwabenkessel aufzuräumen.

Johannes Milla ist derzeit auf der Überholspur unterwegs. Mit seiner Agentur im Heusteigviertel gewinnt er an Preisen, was zu gewinnen ist. Und er entwirft gemeinsam mit Choreografin Sasha Waltz das nationale Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin. Bei einem solchen Tempo kann es passieren, dass man auch mal beinahe übers Ziel hinausschießt. Zum Redaktionsgespräch kommt Milla leicht verspätet ins Pressehaus. Fast wäre er aus alter Gewohnheit auf der B 27 an Möhringen vorbeigebraust Richtung Kirchentellinsfurter Baggersee. "Dort kann man auch mal einen Kilometer geradeaus schwimmen", entschuldigt er sich lächelnd, "ich habe halt schon ans Anbaden gedacht."

Über 200 Arbeitstage für das Einheitsdenkmal

Nicht nur im Wasser ist der 50-Jährige in seinem Element. "Kommunikation im Raum" nennt er das, was er in seiner Agentur praktiziert, und dieses Motto füllt er mit Leben. Milla rutscht auf dem Stuhl hin- und her, breitet die Arme aus, zeichnet Skizzen auf Zeitungen. Dann wieder lehnt er sich kurz zurück und legt die Stirn in Falten, um nachzudenken. Die Worte kommen wohlüberlegt.

Etwa, wenn er von Teamarbeit spricht. Dass sein Name in dieser Geschichte bisher schon ein halbes Dutzend mal gefallen ist, dürfte Milla nicht recht sein. Zwar firmiert die Agentur unter seinem Nachnamen, doch der Geschäftsführer verweist darauf, dass Mitgründer Peter Redlin und sieben weitere Partner dazu gehören. "Ich sehe mich als Teil von 45 Menschen, die bei uns arbeiten", sagt er.

Drei davon werden in den nächsten Monaten mit dem Einheitsdenkmal beschäftigt sein. Ein guter Teil der Arbeit ist freilich schon für den Wettbewerb investiert worden. Über 200 Arbeitstage sind in das Projekt geflossen, diverse Partner haben fast noch einmal so viel beigesteuert, bis sich die Stuttgarter gegen 380 andere Bewerber durchgesetzt hatten. "Ein solcher Wettbewerb ist ein echtes unternehmerisches Risiko", weiß Milla. Deshalb müsse man vorher genau die Chancen abwägen. "Wir machen nur bei jedem sechsten oder siebten mit, zu dem wir eingeladen werden", sagt der Agenturchef. Und trotz all der Erfolge könne man vorher nie wissen, wie es ausgeht: "Manchmal gibt es für uns auch Niederlagen, die uns schmerzen."

Da ist es gut, wenn das Alltagsgeschäft auf ganz anderen, soliden Füßen steht. "Manche Anrufer fragen inzwischen, ob wir überhaupt noch Zeit für sie hätten", sagt Milla, "aber natürlich haben wir die!" 70 Prozent der Arbeit sei ohne jede Öffentlichkeit. Die Gestaltung von Messeständen, Museen und Besucherzentren, Firmenaufträge und Veranstaltungen, davon lebt die inzwischen international bekannte Kreativzentrale nach wie vor. "So sehr uns die öffentliche Aufmerksamkeit freut - sie spiegelt nicht den Alltag wieder", sagt Milla.

Milla macht sich viele Gedanken über Stuttgart

Die große Öffentlichkeit muss auch nicht immer wohlgesonnen sein. Am Entwurf für das Einheitsdenkmal, einer 55 Meter breiten Schale, die von Besuchern bewegt werden kann, gab es auch harsche Kritik. Von "Vergnügungsparkarchitektur" ist die Rede gewesen oder gar von einer "Obstschale". "Die deutsche Einheit geht uns alle an", erläutert Milla das Konzept, "das Denkmal ist deshalb nur komplett mit den Menschen, die gemeinsam etwas bewegen. Und die es von Tag zu Tag neu interpretieren und durch ihre Präsenz neu gestalten." Das Monument solle besonders die Leute ehren, die zur Zeit des Umbruchs ihr Leben riskiert hätten, und die so gewonnene Freiheit und Einheit feiern. "Aber vielleicht", mutmaßt der 50-Jährige, "hat man in Deutschland generell Probleme mit Denkmälern der Freude."

Dass die Stuttgarter Agentur daran beteiligt ist, macht die Mitarbeiter bei aller Bodenhaftung stolz. Dass Milla dabei vorneweg geht, ist alles andere als selbstverständlich für jemanden, der einstmals Theaterwissenschaft, Germanistik und Turkologie studiert hat. Durch die Arbeit an verschiedenen Münchner Theatern geriet Milla eines Tages an den Auftrag, eine Modenschau auf einer Sportmesse zu organisieren. Es folgten immer mehr Engagements in den Bereichen Mode und Theater. "Irgendwann habe ich nicht mehr bemerkt, dass ich gar keine Zeit mehr zum Studieren hatte", sagt Milla und schmunzelt, "das war ein fließender Übergang." Heute nennt er sich Gestalter von Kommunikation im Raum oder Szenograf. Andere nennen ihn einfach einen kreativen Kopf.

Das biedere Image als Selbstbild

Der denkt weit über Aufträge und Denkmale hinaus. Milla macht sich viele Gedanken über Stuttgart. Zwar sei das angeblich biedere Image der Stadt ein reines Selbstbild ihrer Bewohner, das er außerhalb kaum antreffe - aber dennoch fehle es an einem klaren Leitbild. "Stuttgart muss sich besinnen, was es sein will", sagt Milla. Er sehe drei "genetische Codes", die die Stadt prägten, aber vernachlässigt würden: Den historischen Ursprung des Stutengartens, das Mineralwasser, das kaum eine andere Stadt bieten könne, und die Hügel Stuttgarts.

Besonders die Topografie hat es Milla angetan. "Stuttgart ist die Stadt der Hügel und der Vertikalen", sagt er und lehnt sich weit nach vorn, "diese Lage ist sensationell, mit diesem Pfund muss man wuchern." Die Auffassung, die Stadt sei durch ihre Kessellage eingezwängt, sei ein fundamentaler Irrtum. "Stuttgarts einmalige Qualitäten entstehen durch die bergige Lage" - diese sei zu betonen, und nicht durch immer neue Tunnels zu bekämpfen, sagt Milla, "noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich die Weinsteige hinunter fahre. Stuttgart ist wirklich die schönste Stadt Deutschlands."

Deshalb würde der Kommunikationsspezialist gerne mehr Seilbahnen sehen, Downhill- und Longboardstrecken und mehr städtebauliche Betonung der Hanglagen. Die Kommunikation um den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 sieht er kritisch: "Die Befürworter haben von Anfang an den Fehler gemacht, das Projekt rational zu begründen: mit Fahrzeiten, Städtebau, Umwelt, Bratislava, 5000 Bäumen und 10.000 Arbeitsplätzen." Diese Argumente seien seit der Schlichtung fragwürdig. Dabei seien sie als Begründung gar nicht nötig gewesen: "Stuttgart 21 war und ist ausschließlich als Imageprojekt gewollt und zu bewerten und ein Imageprojekt ist erst mal nicht abwegig". Auf dieser Basis wäre zu diskutieren gewesen.

Er lehnt sich zurück. "Stuttgart - weiter blicken", sagt er mit Nachdruck. Das sei sein Vorschlag für einen zur Stadt passenden Slogan. Schließlich sei sie sowohl von der Topografie, der innovativen Industrie als auch der zukunftsorienierten und interdisziplinären Denke her ein Ort der Weitsicht. Die Jury für das neue Stadtmarketinglogo, bei dem sich Milla & Partner auch in Kombination mit diesem Spruch beworben hatten, sah das nicht so und wird demnächst einen anderen Siegerkandidaten präsentieren.

Die Zeit verrinnt. Manches hat Milla noch auf dem Herzen. Er wird sich weiter zu Wort melden. Jetzt aber stehen die nächsten Termine an. Zum Anbaden wird es ihm heute nicht mehr reichen.