Seit der Eingemeindung ist Mietersheim von 1200 auf mehr als 2000 Einwohner angewachsen. Zur Gemarkung gehört auch das LGS-Gelände. Quelle: Unbekannt

Es gab einige kritische Stimmen zur Eingemeindung, am Ende habe sie jedoch vor allem Vorteile gebracht: Ortsvorsteherin Diana Frei erläutert, wie Mietersheim von der Eingliederung nach Lahr profitiert hat und warum das Dorf "die Perle Lahrs" sei.

Mietersheim. Für den ältesten Lahrer Stadtteil – als Gründungsdatum ist das Jahr 762 verzeichnet – war die sich anbahnende Eingemeindung nach Lahr keine Selbstverständlichkeit. Zu groß war die Befürchtung, wie Burgheim oder Dinglingen als Teilort ohne eigene Verwaltungsmöglichkeit von Lahr geschluckt zu werden, erklärt Felicitas Frei, Mitarbeiterin der Ortsverwaltung, die die Ausstellung zum Eingemeindungs-Jubiläum im Stadtmuseum vorbereitet.

 

"Mit einer möglichen Zwangseingemeindung am Horizont haben sich dann Lahr und Mietersheim angenähert", schildert Frei den Ablauf Anfang der 70er-Jahre. Lahrs Oberbürgermeister Philipp Brucker habe Kompromisse mit den Mietersheimern gesucht. Kurz vor Weihnachten 1970 habe sich die Haltung mehr und mehr gewandelt, als bekannt wurde, dass durch eine Ortsverfassung eine gewisse Eigenverwaltung möglich sein würde. In der Entscheidungsphase im Juli 1971 seien die Mietersheimer bei einer Bürgerversammlung noch einmal auf die Eingemeindung eingestimmt worden. Die Bürgerbefragung ergab am 18. Juli mit 82,4 Prozent Ja-Stimmen ein klares Bild, zwei Tage später beschloss der Gemeinderat einstimmig die Eingliederung nach Lahr.

Damit einher gingen einige Investitionen der Stadt in den neuen Stadtteil: ein Wasserhochbehälter, der Ausbau von Feldwegen, die Förderung des Kindergartens und der Bau einer Mehrzweckhalle, die im Ort in den folgenden Jahren und Jahrzehnten noch für einigen Gesprächsstoff sorgen sollte. Gottfried Walter, letzter Bürgermeister und nach der Eingemeindung erster Ortsvorsteher Mietersheims, habe stets klargestellt, dass die Mehrzweckhalle kein Geschenk der Stadt Lahr, sondern eine Gegenleistung sei, berichtet die heutige Ortsvorsteherin Diana Frei. Schließlich habe Mietersheim auch viel Fläche mitgebracht, die die Stadt später nutzen konnte – unter anderem für das Landesgartenschaugelände.

Doch darüber, wie und wo die Mehrzweckhalle gebaut werden soll, habe es auch innerhalb Mietersheims Diskussionen gegeben. Besonders die Auslastung und damit letztendlich auch die Notwendigkeit der Halle sei in Frage gestellt worden. Obwohl Ortsvorsteher Alfred Baum lange dafür gekämpft hatte, habe die Stadt das Projekt nie richtig untersützt. Die Frist, in der Versprechen der Eingemeindung umgesetzt werden sollten, betrug zehn Jahre. Letztendlich dauerte es 40 Jahre, bis sich das Thema mit der Fertigstellung des Bürgerhauses erledigt hatte. Dieses sei nach dem Motto "entweder ihr nehmt das oder gar nichts" gebaut worden, erklärt Frei.

"An der Mehrzweckhalle hatten alle ein wenig dran zu knabbern. Heute hat sich das aber beruhigt", so die Ortsvorsteherin. Die Mietersheimer seien heute froh über ihren "Lättle-Palast", der als Teil des Projekts zur Stärkung der Ortsmitte entstand.

In den 50 Jahren als Lahrer Stadtteil ist Mietersheim stetig gewachsen. Hatte der Ort 1972 noch 1263 Einwohner, sind es heute 2008. Viele Baugebiete sind angelegt worden und dennoch habe Mietersheim seinen dörflichen Charakter nie verloren, da es keinen Durchgangsverkehr gibt. "Das macht den Charme von Mietersheim aus" so Frei. In den Neubaugebieten fühlten sich viele inzwischen mehr als Lahrer, doch um die Ortsmitte herum sei die Identität als Dorf noch präsent.

Für die Ortsvorsteherin ist das Mietersheim "der lebenswerteste Stadtteil Lahrs": "Wir sind ruhig gelegen, aber dennoch zentral. Sind schnell am Bahnhof und auf der Autobahn, und während andere Stadtteile um Lebensmittelmärkte kämpfen, müssen wir uns dagegen wehren, dass weitere kommen". Damit spricht Frei das Fachmarktzentrum an, das es ohne die Eingemeindung in dieser Form wohl nicht gegeben hätte und das den Anwohnern kurze Wege zum Einkaufen ermöglicht – vor allem für nicht mehr mobile Senioren von großem Vorteil. Es gebe dadurch auch eine gute Busanbindung an die Stadt. Durch die Nähe zu allen weiterführenden Schulen biete sich Mietersheim zudem für Familien als Wohnort an. Das zeige auch die hohe Nachfrage nach Bauplätzen.

Darüber hinaus habe man in Sachen Naherholung einiges zu bieten: Vom Mietersheimer Berg aus kann man bei gutem Wetter seinen Blick über die Rheinebene schweifen lassen und allen voran lädt das Seepark-Gelände – "der große Vorgarten", so Frei – zu einem Spaziergang ein. "Die Landesgartenschau 2018 war ein absolutes Sommermärchen", wirft Felicitas Frei ein. Der Großteil der Mietersheimer hätte eine Dauerkarte gehabt und die Anwohner seien in die Abendveranstaltungen geradezu hineingeströmt. Diana Frei berichtet fröhlich, dass sie neulich erst ein Paar getraut habe, das sich auf der Landesgartenschau kennengelernt habe. Sie und auch alle Mietersheimer seien stolz auf das Gelände und betonen, dass das Projekt zwar von der Stadt ausging, jedoch auf Mietersheimer Gemarkung liegt.

"Um ein Resümee zu ziehen: Die Eingemeindung war die richtige Entscheidung", sagt Diana Frei. Mit der eigenständigen Ortsverwaltung habe man einen guten Kompromiss getroffen. Von dieser profitiere auch die Stadt Lahr, da die Ortsverwaltung auch eine Außenstelle des Bürgerbüros ist, dem dadurch auch Arbeit abgenommen wird, erzählt Felicitas Frei. Die Mietersheimer kämen mit ihren Anliegen immer noch zum Rathaus im Ort: "Man wird angerufen wegen allem."

Vieles von dem, was den Ort heute ausmacht, habe man der Eingemeindung zu verdanken. War Mietersheim früher ein armes Dorf, hätten die Anwohner heute mit dem Seepark und dem Fachmarktzentrum einiges, worauf sie stolz sein könnten, sagt die Ortsvorsteherin abschließend. So habe sich der Ort zur "Perle Lahrs" entwickelt.

Im Zuge der Kommunalreform wurden im Jahr 1972 die sieben heutigen Lahrer Stadtteile, die bis dahin eigenständige Gemeinden waren, in die Stadt eingegliedert. Die Lahrer Zeitung blickt in einer Serie auf den Prozess der Eingemeindung zurück und stellt die Entwicklung der einzelnen Stadtteile seit 1972 dar.