Dieses Feldkreuz am Verbindungssträßchen zwischen Ottwangen und Nieder-Eichsel ist das letzte Andenken an den Festnauerhof, der hier einst stand. Foto: Tim Nagengast

Was steckt hinter dem Feldkreuz am Sträßchen zwischen Nieder-Eichsel und Ottwangen? Was hat sich hier „auf Festnau“ zugetragen? Eine Wanderung mit etwas anderem Blick.

Nichts, aber auch wirklich nichts mehr erinnert an den Festnau-Hof, der dort – wohl ein paar Meter rechts unterhalb des Feldkreuzes – bis kurz vor 1900 gestanden hat. Keine Vertiefungen im Boden, keine Mauerreste – einfach nichts. Nur dann und wann, wenn die Pflugschar das Erdreich des abschüssigen Feldes aufbricht, kommt vereinzelt noch mal ein größerer Wackerstein hervor und erinnert daran, dass hier einst gelebt, geliebt, gearbeitet, geboren und gestorben wurde.

 

Als der Autor dieses Artikels sich mit Fridolin Brugger trifft, ist der Mais gemäht und gibt den Blick frei hinab auf den Waldrand, zu dessen Füßen der Dorfbach gurgelt. Immer wieder ziehen Spaziergänger vorüber, grüßen freundlich und gehen weiter, mal kommt ein Auto, mal ein Traktor.

Bescheidene Verhältnisse

Der Blick schweift über die Hochebene hinab zum Wald. Woher die Bewohner des einstigen Hofes Festnau wohl ihr Wasser hatten? „Vermutlich haben sie es aus dem Bach holen müssen, denn hier oben gibt es keine Quellen. Auch von einem Tiefbrunnen ist nichts überliefert“, berichtet Brugger. Als Nachfahre der letzten Eigentümer der aufgegebenen Hofstelle hat ihm das Feld auf Festnau gehört. Erst kürzlich hat Brugger es abgegeben – und zwar an jene Landwirte, die es ohnehin bewirtschaften. „Wir selbst haben ja schon lange keine Landwirtschaft mehr“, sagt der 78-Jährige, der heute in Nollingen lebt.

Fridolin Brugger Foto: Tim Nagengast

Als er zum Feldkreuz blickt, hält er kurz inne. „1977 habe ich es erstmals ersetzt, 2001 dann noch einmal – aus gutem Eichenholz“, sagt der gelernte Schreiner. Das Kreuz ist ihm wichtig. Dass die beiden Birken, die es bis vor kurzem noch einrahmten, gefällt werden mussten, tut ihm leid, „aber die waren einfach kaputt“.

Ein guter Geist schmückt das Feldkreuz

Dass das Feldkreuz sich heute so ansehnlich präsentiert, ist jedoch noch weiteren glücklichen Umständen zu verdanken. So konnte Fridolins Bruder Eugen die einst stark verrostete gusseiserne Christusfigur aus der Zeit, als der Hof noch stand, retten, indem er sie sandstrahlte und mit Aluminium beschichtete. Anschließend wurde sie bemalt.

Und plötzlich gesellte sich Blumenschmuck dazu. Immer sauber gepflegt, hübsch hergerichtet und regelmäßig ersetzt. Jahrzehntelang kamen die Bruggers nicht dahinter, wer sich hier als „guter Geist“ so viel Mühe gab. „Erst letztes Jahr habe ich erfahren, dass mein früherer Schulkollege Guido Walch dahintersteckt“, freut sich Fridolin Brugger. Den neuen Grundeigentümern „auf Festnau“ hat er dabei das Versprechen abgenommen, für Kreuz und Umfeld Sorge zu tragen. Denn dieser Ort ist Brugger wichtig.

Ein Holzhaus auf steinernem Fundament

Hier haben Vorfahren gelebt und gewirkt – und dies wohl in sehr bescheidenen Verhältnissen, wie Brugger vermutet. Denn der Festnau-Hof sei nur ein einfaches Holzhaus gewesen, dessen Wände auf einem schlichten Steinfundament ruhten. Dessen Reste sind es, die vereinzelt beim Pflügen noch zutagetreten. „Vom Holzhaus sollen aber noch ein paar Balken in einem Bauernhaus in Adelhausen, das heute noch steht, verbaut worden sein“, sagt Brugger.

Das Gewann „Festnau“ ist sehr groß. Weiter unten im Tal weist ein Feldwegname darauf hin. Foto: Tim Nagengast

Dass vom Festnau-Hof überhaupt noch etwas bekannt ist, ist Adolf Kähny zu verdanken. Der im vergangenen Jahr hochbetagt verstorbene Dorfchronist von Adelhausen – Fridolin Brugger ist sein Vetter – hat in jahrelanger, mühevoller Arbeit unter anderem Familienbücher über Eichsel, Minseln und Adelhausen verfasst. Ein unschätzbar wertvolles Werk für alle Quellenforscher. So hatte Kähny anhand von Standesbüchern herausgefunden, dass der Hof auf Festnau wohl nicht vor 1750 existiert haben kann. Der erste Eintrag für die Festnau als Geburtsort ist nämlich Joseph Kiefer (15. Juli 1809). Kähnys Recherchen zufolge sind dessen Eltern Johann Kiefer und Helena (Lämmlin), ungefähr 1808 auf Festnau gezogen. Sie kamen vom nur einen Steinwurf weit entfernten Rapperschwier (Rapperswyher), welches heute in Adelhausen aufgegangen ist. Ein Sohn der Kiefers, Fridolin, ist anno 1853 auf Festnau gestorben. Er war mit Magdalena Amrhein (Degerfelden) verheiratet. Das Paar zeugte zehn Kinder, von denen aber sechs jeweils kurz nach der Geburt starben. Einer der überlebenden Söhne – Mathias Kiefer und seine Frau Juliane, geborene Roggenmoser – haben dann bis 1875 auf der Festnau gelebt und gewirtschaftet, ehe die Familie Martin und Anna Rünzi den Hof übernahm.

Die Umstände, die dazu führten, waren wohl nicht so positiv, wie Fridolin Brugger berichtet. Kiefers hatten augenscheinlich Probleme. Sein Ururgroßvater Wendelin Brugger, der auch Bürgermeister von Eichsel war, habe den Hof anno 1855 nämlich ersteigert, aber selbst nie auf Festnau gelebt. 1875 verkaufte Wendelin Brugger das Gehöft dann an die obengenannten Rünzis. Martin Rünzi stammte vom Hotzenwald (Altenschwand), Tochter Anna Maria wurde anno 1878 auf Festnau geboren.

Spätestens 1893 wurde der Hof abgerissen

Dem Totenbuch der Pfarrei Eichsel nach ist der wohl letzte Festnau-Bauer, jener Martin Rünzi, 1899 unten in Eichsel gestorben, wo die Familie einen neuen Hof errichtet hatte. Adolf Kähny leitet daraus ab, dass Festnau somit in den 1880er/90er-Jahren aufgegeben und abgebaut worden ist. In Pfarrer Bremgartners Chronik von 1893 hat Kähny dazu den handschriftlichen Vermerk „Festnauerhof (jetzt abgerissen)“ als Beleg entdeckt.

Doch wie kam Fridolin Brugger in den Besitz der 60 Ar Land auf der Festnau? Er erbte es von seiner Mutter Hedwig, einer geborenen Rünzi. „So hat der Kreis sich wieder geschlossen“, lächelt Brugger, während von weitem ein mächtiger Traktor heranknattert. Immer wieder lässt Brugger den Blick über die Felder seiner Vorfahren schweifen, ehe er unweigerlich am Kreuz hängen bleibt. „Es ist so schön gemacht“, sagt Brugger und fragt sich: „Wie haben die Bewohner des Hofes hier oben wohl gelebt? Es muss wirklich sehr einfach gewesen sein.“ Dies kann man auch heute noch erahnen.