Nach Julius Heuß ist eine Straße in Neubulach benannt. Doch wenige wissen, dass der Neubulacher Ehrenbürger einst in Moskau wirkte und dort nicht nur an der Straßenbeleuchtung tüftelte, sondern auch eine Schokoladenfabrik gründete.
Neubulach/Moskau - "Hieß der Heuß nicht Theodor?" Dies fragt sich mancher, der in Neubulach das Schild der Durchgangsstraße mit der Aufschrift, "Julius-Heuß-Straße", liest. Denn die meisten kennen noch den Namen des ersten deutschen Bundespräsidenten.
Aber selbst vielen Einheimischen ist der Ehrenbürger der Bergwerkstadt nicht mehr gegenwärtig. Wer in Moskau eine Schiffs-Rundfahrt auf der Moskwa unternimmt, wird unweit vom Kreml auch auf eine riesige Schokoladenfabrik aufmerksam gemacht. Dieses Imperium hat Julius Heuß vor genau 150 Jahren zu entwickeln begonnen. In fast akzentfreier deutscher Sprache ist über die Schiffs-Lautsprecher zu erfahren, dass es im vorletzten Jahrhundert "ein Württemberger mit fünf Mitarbeitern" war, der mit dem Aufbau des Unternehmens startete. Dies war – was heute umgekehrt in Moskau kaum jemand weiß – der von der königlichen Staatsregierung Württembergs mit dem Titel Kommerzienrat ausgezeichnete Julius Heuß. Laut Eintrag im Neubulacher Gemeinderatsprotokoll geschah die Erteilung der Ehrenbürgerwürde 1905, zwei Jahre ehe er mit 75 starb.
Geboren wurde Julius Heuß 1832 in Walddorf. Sein Großvater, Mag. Gottfried Ferdinand Heuß, war in Neubulach Stadtpfarrer, sein Vater Jakob Gottfried Heuß Vikar.
Dieser verfasste auch das erste bekannte Heimatbüchlein: "Neubulach, die kleine Stadt". Julius Heuß kam mit 14 zur Ausbildung als Kaufmann nach Esslingen. Einer Tätigkeit in Heidenheim folgte 1854 der Wechsel in den Schmuck- und Uhrenhandel Verwandter in Odessa. Nach dem Krimkrieg zog Heuß 1857 nach Moskau, wo er diesen Handel zunächst fortsetzte. Weiter sorgte er für die Beleuchtung der Stadt. Dies vollbrachte er mit 9000 Petroleumlampen und durch 500 bei ihm beschäftigte Anzünder. Deren Arbeit kontrollierte er – mit der Pferdekutsche durch Moskau fahrend – alle zwei Tage. Später half er dabei, auf Gasbeleuchtung umzustellen. Nach Reibereien mit der englischen "Gas-Compagnie" stieg er allerdings aus diesem Geschäft aus.
Mit einem Partner, der fünf Jahre später aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb verließ, eröffnete er 1871 eine Biskuit-Fabrik. "Getrieben von dem Ehrgeiz, der erste Konditor Russlands zu werden", baute Heuß nach eigenen Worten das Unternehmen zunächst mit zwei in Württemberg ausgebildeten, später mit seinen fünf Söhnen weiter auf.
Im Zuge der Revolution verstaatlicht worden
3000 Beschäftigte hatte die weltweit Süßwaren vertreibende Schokolade- und Pralinenfabrik, als das Unternehmen 1917 im Zuge der russischen Revolution verstaatlicht wurde. Die nach wie vor bestehende Firma, die heute unweit vom Kreml in den anderweitig genutzten Räumen nur noch eine Verkaufsstelle und Museumsräume unterhält, erhielt damals den noch immer geführten Namen "Roter Oktober". Ihre traditionelle "Aljonka"-Schokolade ist überall in Russland sowie über das Internet in Deutschland erhältlich.
Heuß blieb Neubulach lebenslang verbunden. Er hat im Zusammenwirken mit dem Stadtschultheißen und späteren Ehrenbürger Friedrich Müller (1862 bis 1938) – Initiator für den Aufbau der modernen Wasser- sowie Stromversorgung in den betreffenden ortsübergreifenden Gemeindeverbänden – viel für die Stadt getan. Heuß stiftete um 1900 Mittel zum Aufbau des Wasserversorgungsnetzes in Neubulach und eines Kindergartens. Er gab den Rat, die Stadt auf Tourismus einzustellen und spendete Geld dazu. Der Umbau der Turmstube im Silbertor vom Ortsarrest zum Leseraum wurde 1907 mit Geld des bürgerrechtlich Neubulacher gebliebenen Weltbürgers bestritten. Auch einzelnen in Not geratenen Familien half er.